2020/09 - Feuerwehren_ADK_2017
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6 INTERVIEW<br />
Aufgaben haben sich<br />
stark verändert<br />
Interview Der Ulmer Branddirektor Hansjörg Prinzing, Kreisbrandmeister Ralf Ziegler und<br />
der Vorsitzende des Feuerwehrverbandes, Hans Klarer, über aktuelle Herausforderungen.<br />
Die <strong>Feuerwehren</strong> in der Region<br />
sind gut aufgestellt.<br />
Zur Person<br />
Der Ulmer Branddirektor<br />
Hansjörg<br />
Prinzing (56) trat<br />
bereits mit 13 Jahren<br />
in die Jugendfeuerwehr<br />
seines Heimatortes<br />
Süßen ein.<br />
Nach dem Studium an<br />
der Fachhochschule<br />
Ulm absolvierte er<br />
im Rahmen seiner<br />
Ausbildung beim<br />
Innenministerium<br />
Baden-Württemberg<br />
verschiedene<br />
Stationen bei den<br />
Berufsfeuerwehren in<br />
Berlin, Karlsruhe und<br />
Stuttgart. Nach sechs<br />
Jahren bei der Feuerwehr<br />
Karlsruhe als<br />
Gesamteinsatzleiter<br />
und Brandschutzsachverständiger<br />
kam<br />
er 1991 als stellvertretender<br />
Kommandant<br />
zur Ulmer Feuerwehr.<br />
Seit Juni 1998 leitet<br />
er diese als Kommandant.<br />
Hansjörg<br />
Prinzing ist verheiratet<br />
und hat zwei erwachsene<br />
Kinder. Als<br />
Ausdauersportler und<br />
Sportkletterer hat er<br />
die Höhenrettungsgruppe<br />
der Feuerwehr<br />
mit aufgebaut.<br />
Immer wieder ist die Feuerwehr<br />
mit umfangreichen, schwer zu<br />
überblickenden Schäden konfrontiert.<br />
Wie bereiten Sie sich auf<br />
solche Herausforderungen vor?<br />
Die Feuerwehr rückt zu Einsätzen<br />
gemäß ihrer Alarm- und Ausrücke-Ordnung<br />
(AAO) aus. Für bestimmte<br />
Einsatzszenarien, wie zum<br />
Beispiel Großbrand oder schwerer<br />
Verkehrsunfall, ist in dieser AAO definiert,<br />
welche Fahrzeuge erfahrungsgemäß<br />
benötigt werden und<br />
die nächstgelegenen Fahrzeuge werden<br />
dann sofort alarmiert. Die AAO<br />
ist in Alarmstufen gegliedert. Diese<br />
Alarmstufen gelten nicht nur für<br />
Brände, sondern auch für Gefahrguteinsätze<br />
und Verkehrsunfälle. So<br />
unterliegt eine Massenkarambolage,<br />
wie wir sie vor einigen Jahren auf<br />
der Autobahn hatten mit über 100<br />
beteiligten Fahrzeugen, vielen Verletzten<br />
und Toten der höchsten<br />
Alarmstufe. Für ganz he rausragende<br />
Großeinsätze, wie Hochwasserlagen,<br />
Brände in unterirdischen Verkehrsanlagen<br />
und auf Bundesautobahnen,<br />
sowie Einsätze im Zusammenhang<br />
mit dem Bahnverkehr existieren<br />
jeweils Einsatzplanungen. Auch<br />
für die Evakuierung von Krankenhäusern,<br />
Amoklagen, sowie den<br />
Massenanfall von Verletzten sind<br />
entsprechende Vorkehrungen getroffen.<br />
Insgesamt kann man sagen,<br />
dass die <strong>Feuerwehren</strong> und die Katastrophenschutzeinheiten<br />
in der Region<br />
gut aufgestellt sind und auch in<br />
der Praxis bewiesen, den Herausforderungen<br />
gewachsen zu sein.<br />
Nach der Fertigstellung sind die<br />
Ulmer Feuerwehrleute auch bei<br />
Unfällen im neuen Bahntunnel im<br />
Einsatz. Welche Anforderungen<br />
stellen solche Einsätze?<br />
Einsätze in unterirdischen Verkehrsanlagen,<br />
wie Straßen- und Eisenbahntunnel,<br />
stellen die Feuerwehr vor eine<br />
ganz besonders große Herausforderung.<br />
Dies zeigt sich insbesondere<br />
jetzt bei den Einsatzvorbereitungen<br />
für den knapp sechs Kilometer langen<br />
Albabstiegstunnel zwischen<br />
Dornstadt und dem Ulmer Hauptbahnhof.<br />
Dies beginnt damit, dass<br />
schon in der Planung des Tunnels<br />
eine ganze Reihe von vorbeugenden<br />
Brandschutzmaßnahmen seitens der<br />
Feuerwehr gefordert wurden. Neben<br />
diesen vorbeugenden Brandschutzvorkehrungen<br />
müssen aber auch die<br />
Feuerwehrleute speziell für Brände<br />
und andere Rettungsaktionen im<br />
Tunnel geschult werden. Auch einsatztaktisch<br />
muss die Feuerwehr in<br />
Tunneln ganz anders vorgehen als in<br />
normalen Gebäuden. Hier heißt die<br />
Devise „zuerst löschen, um zu retten“.<br />
Dies hängt damit zusammen,<br />
dass bei Bränden von Fahrzeugen und<br />
Zügen extrem hohe Temperaturen<br />
entstehen und eine riesige Menge an<br />
Rauch, die sich innerhalb einer Tunnelröhre<br />
aufgrund des begrenzten<br />
Querschnitts sehr schnell ausbreitet.<br />
Solche Einsätze erfordern sehr viele<br />
Einsatzkräfte.<br />
Der Hochhausbrand in London<br />
und der schwere Busunfall auf der<br />
A9 haben gezeigt, dass der vorbeugende<br />
Brandschutz ein großes<br />
Thema ist. Wie sieht die Situation<br />
in Ulm aus?<br />
Der vorbeugende Brandschutz ist<br />
das Fundament, damit die Feuerwehr<br />
überhaupt erst in der Lage ist,<br />
bei Bränden in Gebäuden effektiv<br />
und schnell retten und löschen zu<br />
können. Abgesehen vom Einfamilienhaus<br />
wird praktisch jedes bei der<br />
Stadt Ulm eingereichte Baugesuch<br />
auch von der Feuerwehr begutachtet<br />
und vorbeugende brandschutztechnische<br />
Maßnahmen festlegt.<br />
Daneben unterliegen Gebäude, bei<br />
denen im Brandfall eine besonders<br />
große Zahl von Menschen gefährdet<br />
wäre, der sogenannten Brandverhütungsschau.<br />
Hierzu gehören<br />
neben Hotels Krankenhäuser, Behindertenheime,<br />
Hochhäuser, große<br />
Gaststätten, Diskotheken sowie<br />
Vollzugsanstalten und Kaufhäuser.<br />
Bei gravierenden Mängeln erlässt<br />
die Baurechtsbehörde einen<br />
Verwaltungsakt zur Behebung der<br />
Defizite.<br />
In Ulm wird diese Brandverhütungsschau<br />
in all diesen Gebäuden<br />
regelmäßig durchgeführt. Die realen<br />
Brandeinsätze in den vergangenen<br />
20 Jahren, insbesondere die<br />
Brände in den Hochhäusern, haben<br />
gezeigt, dass die vorbeugenden<br />
Brandschutzmaßnahmen im Zusammenwirken<br />
mit der Feuerwehr<br />
bisher immer gut funktioniert haben.<br />
Dies alles lässt mich als Kommandant<br />
ruhig schlafen. Wohl wissend,<br />
dass ein schwerer Brandfall<br />
nie ausgeschlossen werden kann.