PROMAGAZIN Mai 2020
Unsere Themen der Mai-Ausgabe: Heilbronn-Franken digital, PROWIRTSCHAFT Neustart, Bewerbung erwünscht: Initiative Zukunft
Unsere Themen der Mai-Ausgabe: Heilbronn-Franken digital, PROWIRTSCHAFT Neustart, Bewerbung erwünscht: Initiative Zukunft
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Neustart | PRO WIRTSCHAFT<br />
WIRTSCHAFT<br />
DR<br />
Die Corona-Krise hat massive Auswirkungen und wird Spuren hinterlassen.<br />
Walter Döring, Jochen K. Kübler und Steffen Hertwig sind jedoch<br />
optimistisch, dass unsere starke Wirtschaft die Krise übersteht.<br />
Die Corona-Krise hat die Welt erschüttert<br />
– und natürlich auch<br />
die Wirtschaft. Nun ist die Region<br />
Heilbronn-Franken eine starke<br />
Wirtschaftsregion, an der diese Krise<br />
aber natürlich ebenfalls nicht spurlos<br />
vorbeigeht. In einem aber sind sich die<br />
Experten Walter Döring, Wirtschaftsminister<br />
a. D., Jochen K. Kübler, Vorsitzender<br />
der Bürgerinitiative pro Region<br />
Heilbronn-Franken e. V., sowie der Neckarsulmer<br />
Oberbürgermeister Steffen<br />
Hertwig einig: Deutschland wird diese<br />
Krise überstehen, die Region Heilbronn-Franken<br />
noch eher.<br />
Walter Döring ist nach seinem<br />
Ausscheiden aus dem Ministeramt<br />
jahrelang als Aufsichtsrat, Beirat oder<br />
Advisor für verschiedene Unternehmen<br />
tätig gewesen, gründete 2012 die<br />
Akademie deutscher Weltmarktführer.<br />
Er unterstützt grundsätzlich die Maßnahmen<br />
der Politik, ist für die Maskenpflicht<br />
sowie das Kontaktverbot. Er<br />
mahnt aber auch an, authentisch zu<br />
bleiben. „Das Schlimmste sind doch<br />
Vorgaben, die aus der Luft gegriffen<br />
sind. Warum durften Geschäfte mit einer<br />
Fläche von bis zu 800 Quadratmetern<br />
öffnen? Warum waren das nicht<br />
720 Quadratmeter?“ Döring arbeitet<br />
derzeit viel im Homeoffice, hat Kontakt<br />
Illustration: Adobe Stock/hvostik16; Fotos: Marc Weigert, privat<br />
über Skype – den menschlichen Kontakt<br />
aber wird die beste Technik nicht<br />
ersetzen können, sagt er. Er geht aber<br />
davon aus, dass sich durch diese Krise<br />
die Mobilität verändern werde. „Wenn<br />
ich daran denke, dass ich früher für einen<br />
Ein-Stunden-Termin von Hall<br />
nach Berlin geflogen bin und wieder<br />
zurück, kann ich heute nur noch mit<br />
dem Kopf schütteln. Da wird ein Umdenken<br />
stattfinden, ganz sicher.“<br />
Einig sind sich Döring, Kübler<br />
und Hertwig ebenfalls darin, dass die<br />
Maßnahmen der Politik die richtigen<br />
gewesen seien. „Man muss im Nachhinein<br />
nicht den Oberschlauen spielen“,<br />
sagt Döring. Auf die Wirtschaft in Heilbronn-Franken<br />
blickt er differenziert.<br />
Die Zulieferer in der Automobilbranche<br />
treffe die Krise brutal, einige Maschinenbauer<br />
blühten dagegen so<br />
richtig auf, weil sie nun beispielsweise<br />
Verpackungen für Desinfektionsmittel<br />
herstellen. „Von einer Firma weiß ich,<br />
dass sie bis 2021 voll ist mit Aufträgen.“<br />
Unter der Berücksichtigung weiterer<br />
Lockerungen der Maßnahmen<br />
bleibt Döring optimistisch, dass sich<br />
die Region Heilbronn-Franken erholen<br />
werde, schneller als Deutschland insgesamt.<br />
Er gibt aber zu bedenken: „Es<br />
wird sicherlich eine Durststrecke geben,<br />
auch in unserer Region, aber wir<br />
werden da alle gemeinsam mit einem<br />
blauen Auge davonkommen. Wenn wir<br />
aber auf längere Sichtimmer noch so<br />
tief in der Krise stecken, dann wird das<br />
Auge schon eher dunkelblau sein.“<br />
Probleme mit den Zulieferern<br />
kennt Neckarsulms Oberbürgermeister<br />
Steffen Hertwig, hat er doch einen<br />
Einblick bei Audi. „Das Unternehmen<br />
hat die Produktion auch am Standort<br />
Neckarsulm wieder aufgenommen.<br />
Probleme gibt es aber weiter zum Beispiel<br />
bei den Zulieferern, die teilweise<br />
nicht liefern können. Das wirkt sich<br />
dann auch auf die Produktion aus.<br />
Hinzu kommt die weltweit schwache<br />
Nachfrage. Hier müssen wir wirklich<br />
aufpassen, dass die Kunden wieder<br />
mehr bereit sind, in neue Autos zu investieren“,<br />
sagt Hertwig.<br />
Die Zeit für große Einkäufe<br />
scheint derzeit auf vielen Ebenen einfach<br />
nicht gegeben. Er lässt aber auch<br />
den Blick auf die Kommunen wandern,<br />
die derzeit allesamt dasselbe<br />
Problem haben. „Die Gewerbesteuer<br />
stellt eine Herausforderung dar. Viele<br />
Unternehmen haben die Gewerbesteuervorauszahlungen<br />
auf null herabgesetzt.<br />
Es gibt große Einbrüche wie<br />
beispielsweise bei den Kitagebühren.<br />
Wir haben die Gebühren für den Monat<br />
April komplett erlassen und für<br />
den <strong>Mai</strong> nicht eingezogen. Zudem sind<br />
unsere Bäder nicht geöffnet, die Kosten<br />
laufen aber weiter. Da kommt der<br />
aktuelle Haushalt unter Druck, und wir<br />
müssen mit einem Nachtragshaushalt<br />
rechnen“, spricht Hertwig das an, was<br />
fast alle Kommunen fürchten müssen.<br />
Wenn er auch die Probleme sieht,<br />
blickt Hertwig trotzdem optimistisch<br />
in die Zukunft. „Wir haben viele starke<br />
Unternehmen vor Ort, die in der Lage<br />
sind, die Krise zu meistern. Für<br />
Deutschland insgesamt wird es sicherlich<br />
etwas schwieriger.“<br />
Jochen K. Kübler wünscht sich<br />
mehr Transparenz: „Wichtig wäre es,<br />
einen klaren Zeitplan für Bevölkerung<br />
und Wirtschaft aufzuzeigen, wie es<br />
weitergeht. Natürlich immer unter den<br />
Aspekten der Auswirkungen auf die<br />
Fallzahlen, die Gesundheit der Menschen<br />
und die Wirtschaft ganz allgemein.“<br />
Diesen Zeitplan wünscht sich<br />
aktuell sicher nicht nur Kübler. Die Lockerungen,<br />
die in Deutschland inzwischen<br />
entschieden wurden, dürften in<br />
einigen Branchen für ein erstes Aufatmen<br />
gesorgt haben. „Grundsätzlich ist<br />
dies wohl die bisher schwerste Wirtschaftskrise<br />
in Friedenszeiten. Sie ist<br />
weltumspannend und betrifft sowohl<br />
die Angebotsseite als auch die Nachfrage.<br />
Dazu fallen weltweit Lieferketten<br />
aus. Dies trifft unsere exportabhängige<br />
Wirtschaft auch in Heilbronn-Franken<br />
massiv. Allerdings muss man auch<br />
nach Branchen unterscheiden“, bläst<br />
Kübler ins selbe Horn wie Döring.<br />
Kübler verweist darauf, dass<br />
Deutschland im Vergleich zu anderen<br />
Staaten stark aufgestellt sei, „sowohl in<br />
der Krisenbewältigung, als auch was<br />
die wirtschaftlichen Lage und die<br />
Staatsfinanzen betreffe“.<br />
läm<br />
Zu den<br />
Personen<br />
Dr. Walter<br />
Döring war von<br />
1996 bis 2004<br />
stellvertretender<br />
Ministerpräsident und Wirtschaftsminister<br />
des Landes Baden-Württemberg.<br />
Als Inhaber der Akademie Deutscher<br />
Weltmarktführer (ADWM)<br />
veranstaltet er das Gipfeltreffen der<br />
Weltmarktführer in Schwäbisch Hall.<br />
Steffen Hertwig<br />
ist seit 2016<br />
Oberbürgermeister<br />
von<br />
Neckarsulm. Der<br />
studierte Jurist war<br />
zuvor beim Würth-<br />
Konzern tätig, zuletzt als Leiter des<br />
Bereichs Recht und Compliance bei<br />
der Würth-Elektronik-Unternehmensgruppe<br />
in Niedernhall.<br />
Jochen K. Kübler<br />
ist Vorstandsvorsitzender<br />
der Bürgerinitiative<br />
pro<br />
Region Heilbronn<br />
Franken e. V. und war 22 Jahre lang<br />
erst Bürger meister, danach<br />
Oberbürger meister der Großen Kreisstadt<br />
Öhringen im Hohenlohekreis.<br />
36 <strong>Mai</strong> <strong>2020</strong><br />
37