PROMAGAZIN Mai 2020
Unsere Themen der Mai-Ausgabe: Heilbronn-Franken digital, PROWIRTSCHAFT Neustart, Bewerbung erwünscht: Initiative Zukunft
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PRO WIRTSCHAFT | Neustart<br />
Neustart | PRO WIRTSCHAFT<br />
Schwarz oder Grün? Wie<br />
verändert sich die Region?<br />
Wir haben die Bundestagsabgeordneten Christian von Stetten (CDU)<br />
aus Künzelsau und Harald Ebner (Grüne) aus Kirchberg gefragt, wie<br />
sie die Auswirkungen der Corona-Krise auf die Region einschätzen.<br />
Interviews von Denise Fiedler<br />
Heilbronn-Franken hat eine solide<br />
wirtschaftliche Basis. Kann die Region<br />
mit einem blauen Auge durch die Krise<br />
kommen? Welche Scherben wird es im<br />
Nachgang zu kehren geben?<br />
von Stetten: In den kommenden Monaten<br />
wird sich die Wirtschaftsstruktur<br />
unserer Region als äußerst krisenfest<br />
zeigen. Das liegt an den vielen mittelständischen<br />
Betrieben und Unternehmen,<br />
die zumeist familien- oder inhabergeführt<br />
sind. Diese Unternehmen<br />
sind in der Region verwurzelt und haben<br />
in guten Zeiten zumeist für die Krise<br />
vorgesorgt. Sicherlich wird es aber<br />
auch in der Region Heilbronn-Franken<br />
Unternehmen geben, die trotz der<br />
staatlichen Rettungsmaßnahmen in<br />
schwierige<br />
„<br />
Fahrwasser geraten werden.<br />
Die Wirtschaftsstruktur<br />
unserer Region wird<br />
sich als äußerst krisenfest<br />
zeigen.<br />
Christian von Stetten<br />
“<br />
Insbesondere die Betriebe aus der<br />
Tourismusbranche, dem Gastgewerbe,<br />
dem Schaustellergewerbe und den<br />
weiteren Branchen, die weiterhin nicht<br />
Telefonkonferenzen, da sind sich die beiden Politker einig, können und sollen auf<br />
Dauer persönliche Treffen nicht ersetzen, sind aber aktuell ein wichtiger Ersatz.<br />
Foto: Adobe Stock/fizkes<br />
wie gewohnt wirtschaften können,<br />
muss der Staat weiter zielgerichtet unterstützen.<br />
Ebner: Der Wirtschaftskompass der<br />
IHK Heilbronn-Franken zeigt: Die allermeisten<br />
Unternehmen rechnen damit,<br />
zu ihrer Vor-Krisen-Stärke zurückzufinden.<br />
Dieser Optimismus ist eine<br />
sehr große Stärke der Region und ihrer<br />
Wirtschaft und eine gute Basis für die<br />
nahe Zukunft. Unsere Region ist mit einer<br />
breiten und vielfältigen mittelständischen<br />
Unternehmenskultur stark<br />
und resilient aufgestellt. Die Krise wird<br />
dennoch an zwei Punkten eine enorme<br />
Herausforderung darstellen: Ein<br />
großer Teil unserer Unternehmen ist<br />
stark exportorientiert, außerdem trifft<br />
es die Tourismus- und Gastronomiebranche<br />
sowie Kulturbetriebe hart.<br />
„<br />
Mit einem Virus kann<br />
man nicht verhandeln.<br />
Harald Ebner<br />
“<br />
Bei aller im Netz und in rechten Kreisen<br />
kursierenden Kritik an den Maßnahmen<br />
der letzten Wochen: Mit einem<br />
Virus kann man nicht verhandeln.<br />
Es war gut, dass wir in Deutschland<br />
rechtzeitig durch das Herunterfahren<br />
sozialer Kontakte die Infektionskette<br />
durchbrochen haben.<br />
Weniger Reisen, digitale Meetings statt<br />
Inlandsflüge: Glauben Sie, dass die<br />
Krise zu einem echten Umdenken führt,<br />
was Nachhaltigkeit angeht, sowohl im<br />
Wirtschafts- als auch Privatleben?<br />
von Stetten: In jeder Krise steckt<br />
auch eine Chance und es können sich<br />
neue Gewohnheiten entwickeln. So<br />
bin ich überzeugt, dass aufgrund der<br />
nun eingeübten Video- und Telefonkonferenzen<br />
in Zukunft nicht für jede<br />
Routinebesprechung Menschen aus<br />
unter schiedlichen Orten physisch zusammenkommen<br />
„<br />
müssen.<br />
In jeder Krise steckt<br />
auch eine Chance.<br />
Christian von Stetten<br />
“<br />
Ebner: Die Zwangspause hat uns innehalten<br />
und fragen lassen: Wie soll die<br />
neue Normalität nach der Krise aussehen?<br />
Der Umbau der Wirtschaft hin<br />
zu Klimaneutralität und zu Umweltverträglichkeit<br />
wurde noch nicht einmal<br />
im Ansatz begonnen. Mit den Jahrhundertinvestitionen,<br />
die wir jetzt als<br />
Staat tätigen werden, müssen die Weichen<br />
gestellt werden, um endlich Ökonomie<br />
und Ökologie zusammenzubringen.<br />
Dass wir jetzt gelernt haben,<br />
Verkehr durch digitale Konferenzen<br />
einzusparen, mag ein guter Effekt dieser<br />
Krise sein.<br />
Unternehmen sitzen auf Ware, die sie<br />
nicht exportieren können, andere warten<br />
auf Lieferungen aus dem Ausland.<br />
Müssen wir künftig lokaler denken und<br />
wirtschaften?<br />
von Stetten: Unsere mittelständische<br />
Wirtschaft lebt zu einem großen Teil<br />
vom Export. Die Europäische Union,<br />
aber auch die ganze Welt, beneidet uns<br />
um unsere hervorragenden Produkte<br />
und wird diese auch nach der Corona-Krise<br />
weiter nachfragen. Im Nachgang<br />
der Krise werden wir aber natürlich<br />
auch verstärkt über die Lieferketten<br />
und Exportwege reden müssen. Das ist<br />
aber hauptsächlich eine Aufgabe der<br />
entsprechenden Unternehmen, die sicher<br />
ihre Lehren aus der Situation ziehen<br />
werden.<br />
Ebner: Viele stellen sich in diesen Tagen<br />
die Frage nach der Anfälligkeit unserer<br />
verflochtenen Wirtschaft und internationalen<br />
Arbeitsteilung. An dieser<br />
Abhängigkeit müssen wir arbeiten. Allein<br />
die Anfälligkeit der Pharmabranche<br />
hat uns gezeigt, dass wir essenzielle<br />
Teile unserer Versorgung auch bei<br />
uns gemeinsam mit unseren europäischen<br />
Nachbarn sicherstellen müssen.<br />
Das gilt auch für Bereiche der Lebensmittelerzeugung,<br />
etwa Obst und Gemüse.<br />
Regionale Wirtschaftskreisläufe<br />
auszubauen, wo immer sie Sinn machen,<br />
heißt auch, Ressourcen zu sparen<br />
für die Zukunft. Gleichzeitig müssen<br />
wir darauf achten, dass komplexen<br />
Wirtschaftsabläufen auch komplexe<br />
Lieferketten zu Grunde liegen: Unsere<br />
Wirtschaft wird nur dann auf die Beine<br />
kommen, wenn dies auch unseren europäischen<br />
Nachbarn gelingt.<br />
Was wünschen Sie sich für die Zeit<br />
nach der Krise? Soll alles werden wie es<br />
war oder erhoffen Sie sich Veränderungen<br />
für Heilbronn-Franken?<br />
von Stetten: Die Wirtschaft befindet<br />
sich immer im Wandel. Ich bin überzeugt<br />
davon, dass unsere heimischen<br />
Unternehmen diesen Wandel aktiv<br />
und zukunftsträchtig zum Wohle der<br />
Betriebe und somit der gesamten Region<br />
gestalten<br />
„<br />
werden.<br />
Wir können mit grünen<br />
Ideen schwarze Zahlen<br />
schreiben.<br />
Harald Ebner<br />
“<br />
Ebner: Ich wünsche mir, dass wir auch<br />
aus und in dieser Krise lernen! Dass wir<br />
den Weg aus der Krise sozial, umweltfreundlich<br />
und damit zukunftsfest gestalten.<br />
Wir können mit grünen Ideen<br />
schwarze Zahlen schreiben und unsere<br />
Region mit Zukunftstechnologien stärken.<br />
Wir können bei der Energie- und<br />
Verkehrswende stärker vorangehen.<br />
Zu den<br />
Personen<br />
Bundestagsabgeordneter<br />
Christian von Stetten (49) hat in<br />
den letzten Wochen täglich zwischen<br />
neun und zwölf Stunden an Telefonund<br />
Videokonferenzen teilgenommen<br />
oder mit Bürgern im Wahlkreis telefoniert.<br />
„Für eine gewisse Zeit ist dies alles<br />
so sicherlich machbar, aber ich<br />
freue mich auf die Zeit, bei der die<br />
persönlichen Begegnungen und normalen<br />
Versammlungen wieder im Vordergrund<br />
stehen.“<br />
Bundestagsabgeordneter<br />
Harald<br />
Ebner (55) fand die<br />
anfängliche häusliche<br />
Quarantäne Mitte März mit handwerklichen<br />
Tätigkeiten im Haus noch spannend.<br />
Anstrengend waren die Tage, an<br />
denen er sich von 8 bis 22 Uhr kaum<br />
vom Schreibtisch wegbewegt habe.<br />
„Persönlich sehr schade und bedauerlich<br />
war, meine drei Enkelkinder und<br />
die Töchter nicht sehen zu können.<br />
Auch Besuche bei meiner pflegebedürftigen<br />
Mutter und Schwiegermutter<br />
waren nicht möglich.“<br />
40 <strong>Mai</strong> <strong>2020</strong><br />
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