planet toys 3/20
Fachmagazin für den Spielwaren- und Buchhandel
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CORONA SPEZIAL
planet toys
Von der Vor-Corona-Normalität ist das Spielwarengeschäft Sulzer, das in diesem Jahr 100
Jahre wird, noch weit entfernt. Das Vertrauen der Konsumenten muss wieder gewonnen
werden, glaubt Sulzer-Chef Wieland Sulzer, der zugleich auch BVS-Vorsitzender ist. Von der
Politik fordert Sulzer, dass sie sich endlich Gedanken über die Zukunft unserer Innenstädte
macht, und von den Lieferanten, dass sie mehr auf Partnerschaft setzen.
Herr Sulzer, in Ihrer Brust dürften vermutlich
zwei Seelen schlagen: die des
Bürgers, der weniger von der die letzten
Jahrzehnte prägenden Philosophie
des „Immer mehr, immer höher, immer
schneller und weiter“ möchte, und die
des Kaufmanns, der froh ist, dass seit
dem 20. April wieder der Rubel rollt.
Welche hat das Sagen?
Wieland Sulzer: Das ist für mich gar kein
Gegensatz. Zunächst einmal, die Gesundheit
steht ganz oben. Die neue Situation
verlangt von uns allen den Mindestabstand,
die Einhaltung der Hygieneregeln
und als Kaufmann muss ich den Virologen
und Medizinern glauben. Dann kriegen
wir diese Krise in den Griff. Natürlich
versuchen auch wir in dieser Zeit uns ein
möglichst großes Stück vom Kuchen abzuschneiden.
Unsere Frage zielt eher darauf ab, ob die
Krise auch zu einem Umdenken führen
könnte, etwa zu weniger Konsum, sozusagen
zu einer Post-Corona-Ökonomie.
W.S.: Jede Krise birgt auch Chancen. Natürlich
sollten wir auch aus dieser Krise
die entsprechenden Lehren ziehen.
Erste Ansätze haben wir bereits vor der
Corona-Krise auf der Spielwarenmesse
in Nürnberg sehen können.
Sie meinen Toys for future?
W.S.: Nein, nicht unbedingt, ich denke z.B.
an Hasbro. Das Unternehmen will relativ
zeitnah auf Plastik in den Verpackungen
verzichten. Das ist eine Aussage, an der
sich Hasbro jetzt messen lassen muss.
Seit dem 20. April haben Ihre zwei hessischen
Geschäfte geöffnet, Haßfurt folgte
eine Woche später. Wie war die erste
Woche nach dem Lockdown? Oder sitzt
Ihnen der Ärger über die strukturelle
Benachteiligung immer noch so in den
Gliedern, dass keine rechte Freude aufkommen
mag?
W.S.: Natürlich überwiegt die Freude, dass
der Lockdown ein Stück weit gelockert
worden ist. Auf der anderen Seite stelle
ich eine relativ große Verunsicherung
bei den Kunden fest. Betrachte ich unser
Marburger Geschäft mit seiner 1.500 m 2
Verkaufsfläche, dann sehen unsere Kunden
gerade mal die Hälfte des Sortiments,
auch wenn wir uns bemühen, ihnen jeden
Artikel aus dem nicht frei zugänglichen
Bereich zu präsentieren.
Das ist doch weit entfernt von dem, was
wir Erlebniseinkauf nennen, oder?
W.S.: Schon wenn der Kunde in einer entspannten
Stimmung ist, arbeitet er nicht
nur seinen Einkaufszettel ab, sondern er
greift dann auch nach anderen Artikeln.
»Impulskäufe fehlen jetzt.
Von den Vor-Corona-Zeiten
sind wir noch weit entfernt.«
WIELAND SULZER
Geschäftsführer Spielwaren Sulzer
Vorsitzender BVS
Das kennt jeder von sich selbst. Diese
Impulskäufe fehlen jetzt. Zudem heißt es
immer, Kunden sollen den Einkauf allein
tätigen, mit Kindern nach Möglichkeit gar
nicht. Von den Vor-Corona-Zeiten sind
wir noch weit entfernt.
Die 800 m 2 waren die magische Schwelle
bei den ersten Lockerungsmaßnahmen.
Wie haben Sie in Marburg diese
Kuh vom Eis geholt?
W.S.: Vom ersten Tag der Schließung an
sind wir offensiv an das Ordnungsamt in
Marburg herangetreten, um unsere Vorstellungen
zu präsentieren. Die wurden
auch so abgesegnet. Das Geschäft haben
wir entsprechend der Auflagen abgetrennt.
Wir haben klare Wegeführungen
angebracht, sodass sich hereinkommende
und herausgehende Kunden nicht nahekamen.
Es gibt an mehreren Stellen
Desinfektionsspender, damit Kunden sich
die Hände desinfizieren können. Sogar
Mundschutzmasken können wir ihnen
zur Verfügung stellen. Ich glaube, wir
haben alles Menschenmögliche getan,
um die Gesundheit unserer Mitarbeiter
und der Kunden zu schützen.
In Ihrer Funktion als BVS-Vorsitzender
hatten Sie sich Mitte März an die
Ministerpräsidenten gewandt und vor
überfüllten Drogeriemärkten als Corona-Hotspots
gewarnt. Das klang ein
wenig danach, als wären die Spielwarenhändler
die neuen Epidemiologen.
W.S.: Nein, für den Shutdown hatte ich
vollstes Verständnis, aber wofür ich überhaupt
kein Verständnis habe, ist, dass
Spielwaren nicht relevant sind und wir
unsere Geschäfte schließen mussten,
während Drogerien relevant sind und
uneingeschränkt auch Spielzeug weiter
verkaufen durften. Das hat nach meiner
Ansicht zu einer Wettbewerbsverzerrung
par excellence und zu einer Sonderkonjunktur
für Müller, Rossmann & Co. geführt.
Man hätte es auch wie in Österreich
umsetzen können, wo Drogeriemärkte
nicht-relevante Sortimente abdecken
mussten. Auch die Festsetzung von 800
m 2 war für mich willkürlich.
Nun fordert die Mutter des BVS, der
HDE, sogar Coronaschecks von 500 €.
Selbst die Grünen wollen einen Fonds
zur Rettung der Innenstädte. Darf jetzt
jeder alles fordern, wie es die Automobilindustrie
vormacht?
W.S.: Sowohl als Kaufmann als auch als
Bürger habe ich bei solchen Forderungen
Bauchschmerzen, denn mir fehlt
die Vorstellungskraft, woher die vielen
Milliarden herkommen sollen. Die Forderung
leuchtet mir zwar ein, wenn die
Automobilindustrie erneut eine Abwrack-