24.06.2020 Aufrufe

planet toys 3/20

Fachmagazin für den Spielwaren- und Buchhandel

Fachmagazin für den Spielwaren- und Buchhandel

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

22

CORONA SPEZIAL

planet toys

Von der Vor-Corona-Normalität ist das Spielwarengeschäft Sulzer, das in diesem Jahr 100

Jahre wird, noch weit entfernt. Das Vertrauen der Konsumenten muss wieder gewonnen

werden, glaubt Sulzer-Chef Wieland Sulzer, der zugleich auch BVS-Vorsitzender ist. Von der

Politik fordert Sulzer, dass sie sich endlich Gedanken über die Zukunft unserer Innenstädte

macht, und von den Lieferanten, dass sie mehr auf Partnerschaft setzen.

Herr Sulzer, in Ihrer Brust dürften vermutlich

zwei Seelen schlagen: die des

Bürgers, der weniger von der die letzten

Jahrzehnte prägenden Philosophie

des „Immer mehr, immer höher, immer

schneller und weiter“ möchte, und die

des Kaufmanns, der froh ist, dass seit

dem 20. April wieder der Rubel rollt.

Welche hat das Sagen?

Wieland Sulzer: Das ist für mich gar kein

Gegensatz. Zunächst einmal, die Gesundheit

steht ganz oben. Die neue Situation

verlangt von uns allen den Mindestabstand,

die Einhaltung der Hygieneregeln

und als Kaufmann muss ich den Virologen

und Medizinern glauben. Dann kriegen

wir diese Krise in den Griff. Natürlich

versuchen auch wir in dieser Zeit uns ein

möglichst großes Stück vom Kuchen abzuschneiden.

Unsere Frage zielt eher darauf ab, ob die

Krise auch zu einem Umdenken führen

könnte, etwa zu weniger Konsum, sozusagen

zu einer Post-Corona-Ökonomie.

W.S.: Jede Krise birgt auch Chancen. Natürlich

sollten wir auch aus dieser Krise

die entsprechenden Lehren ziehen.

Erste Ansätze haben wir bereits vor der

Corona-Krise auf der Spielwarenmesse

in Nürnberg sehen können.

Sie meinen Toys for future?

W.S.: Nein, nicht unbedingt, ich denke z.B.

an Hasbro. Das Unternehmen will relativ

zeitnah auf Plastik in den Verpackungen

verzichten. Das ist eine Aussage, an der

sich Hasbro jetzt messen lassen muss.

Seit dem 20. April haben Ihre zwei hessischen

Geschäfte geöffnet, Haßfurt folgte

eine Woche später. Wie war die erste

Woche nach dem Lockdown? Oder sitzt

Ihnen der Ärger über die strukturelle

Benachteiligung immer noch so in den

Gliedern, dass keine rechte Freude aufkommen

mag?

W.S.: Natürlich überwiegt die Freude, dass

der Lockdown ein Stück weit gelockert

worden ist. Auf der anderen Seite stelle

ich eine relativ große Verunsicherung

bei den Kunden fest. Betrachte ich unser

Marburger Geschäft mit seiner 1.500 m 2

Verkaufsfläche, dann sehen unsere Kunden

gerade mal die Hälfte des Sortiments,

auch wenn wir uns bemühen, ihnen jeden

Artikel aus dem nicht frei zugänglichen

Bereich zu präsentieren.

Das ist doch weit entfernt von dem, was

wir Erlebniseinkauf nennen, oder?

W.S.: Schon wenn der Kunde in einer entspannten

Stimmung ist, arbeitet er nicht

nur seinen Einkaufszettel ab, sondern er

greift dann auch nach anderen Artikeln.

»Impulskäufe fehlen jetzt.

Von den Vor-Corona-Zeiten

sind wir noch weit entfernt.«

WIELAND SULZER

Geschäftsführer Spielwaren Sulzer

Vorsitzender BVS

Das kennt jeder von sich selbst. Diese

Impulskäufe fehlen jetzt. Zudem heißt es

immer, Kunden sollen den Einkauf allein

tätigen, mit Kindern nach Möglichkeit gar

nicht. Von den Vor-Corona-Zeiten sind

wir noch weit entfernt.

Die 800 m 2 waren die magische Schwelle

bei den ersten Lockerungsmaßnahmen.

Wie haben Sie in Marburg diese

Kuh vom Eis geholt?

W.S.: Vom ersten Tag der Schließung an

sind wir offensiv an das Ordnungsamt in

Marburg herangetreten, um unsere Vorstellungen

zu präsentieren. Die wurden

auch so abgesegnet. Das Geschäft haben

wir entsprechend der Auflagen abgetrennt.

Wir haben klare Wegeführungen

angebracht, sodass sich hereinkommende

und herausgehende Kunden nicht nahekamen.

Es gibt an mehreren Stellen

Desinfektionsspender, damit Kunden sich

die Hände desinfizieren können. Sogar

Mundschutzmasken können wir ihnen

zur Verfügung stellen. Ich glaube, wir

haben alles Menschenmögliche getan,

um die Gesundheit unserer Mitarbeiter

und der Kunden zu schützen.

In Ihrer Funktion als BVS-Vorsitzender

hatten Sie sich Mitte März an die

Ministerpräsidenten gewandt und vor

überfüllten Drogeriemärkten als Corona-Hotspots

gewarnt. Das klang ein

wenig danach, als wären die Spielwarenhändler

die neuen Epidemiologen.

W.S.: Nein, für den Shutdown hatte ich

vollstes Verständnis, aber wofür ich überhaupt

kein Verständnis habe, ist, dass

Spielwaren nicht relevant sind und wir

unsere Geschäfte schließen mussten,

während Drogerien relevant sind und

uneingeschränkt auch Spielzeug weiter

verkaufen durften. Das hat nach meiner

Ansicht zu einer Wettbewerbsverzerrung

par excellence und zu einer Sonderkonjunktur

für Müller, Rossmann & Co. geführt.

Man hätte es auch wie in Österreich

umsetzen können, wo Drogeriemärkte

nicht-relevante Sortimente abdecken

mussten. Auch die Festsetzung von 800

m 2 war für mich willkürlich.

Nun fordert die Mutter des BVS, der

HDE, sogar Coronaschecks von 500 €.

Selbst die Grünen wollen einen Fonds

zur Rettung der Innenstädte. Darf jetzt

jeder alles fordern, wie es die Automobilindustrie

vormacht?

W.S.: Sowohl als Kaufmann als auch als

Bürger habe ich bei solchen Forderungen

Bauchschmerzen, denn mir fehlt

die Vorstellungskraft, woher die vielen

Milliarden herkommen sollen. Die Forderung

leuchtet mir zwar ein, wenn die

Automobilindustrie erneut eine Abwrack-

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!