Der schwarze Christus - Kirchenblatt
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Schweiz interniert war, verdient es, dass<br />
wir uns seine letzte grosse Arbeit, das<br />
Wandbild in der Dreifaltigkeitskirche in<br />
Bellach, näher anschauen». Weiter wur -<br />
de ausgeführt: «Das grosse Mosaikge -<br />
mälde erhielt die Kirche zu ihrem zehnjährigen<br />
Bestehen. Mehrere Entwürfe<br />
waren notwendig, bis die Einfühlung in<br />
die strenge Architektur der Kirche vollkommen<br />
war. 125 Kilogramm gläserne<br />
Mosaiksteine mussten mit viel Mühe und<br />
zeitbedingten Schwierigkeiten in Venedig<br />
geholt werden. Dann erfolgte die Komposition<br />
in Nizza, wo dem Künstler ein<br />
leerstehendes Atelier eines polnischen<br />
Malers zur Verfügung stand».<br />
Dem Bellacher Ortspfarrer, Fritz Kamber,<br />
der über ein grosses Kunstverständnis<br />
und eine innige Liebe zu seiner Pfarrkirche<br />
verfügte, ist es zu verdanken, dass er<br />
im schwer verständlichen und unzulänglichen<br />
Entwurf die tiefe Idee und das bedeutende<br />
Können erkennen konnte.<br />
Ein Kunstwerk entsteht<br />
Doch wie entstand dieses monumentale<br />
Bild? Mit einem kleinen, scharfen Hammer<br />
zerstückelte Tadeusz Fuss die aus Venedig<br />
stammenden Steine in die gewünschte<br />
Grösse und Form, um sie darauf,<br />
nach dem Entwurf, negativ auf Papier<br />
zu kleben. Da die vielen tausend<br />
Mosaiksteine sehr klein sind, ist die Zeichnung<br />
überaus fein und sicher, doch ist die<br />
Darstellung im Zusammenhang mit der<br />
Foto Markus Stalder<br />
strengen Architektur schematisch einfach<br />
gehalten und frei von malerischem und<br />
erzählendem Beiwerk. Nur wenn man<br />
den Künstler hat arbeiten sehen, konnte<br />
man ganz die Liebe spüren, mit der er das<br />
Werk vollbrachte. Nach monatelanger,<br />
bewundernswürdiger Geduldsarbeit war<br />
das Negativ zum Transport in die Schweiz<br />
fertig. In der Bellacher Kirche selbst wurden<br />
die verschiedenen Teile zusammengesetzt<br />
und die Fugen sorgfältig mit Beton<br />
ausgegossen. Das Montieren war mit<br />
etlichen Schwierigkeiten verbunden, denn<br />
das 3,30 x 2,40 m grosse Bild ist mit seinen<br />
zwei Tonnen Gesamtgewicht sehr<br />
schwer geworden.<br />
Nach der Vollendung des Werkes verliess<br />
der junge Künstler die Schweiz Richtung<br />
Nizza, um dort Arbeiten für eine Ausstellung<br />
in Paris auszuführen. Nachdem er<br />
während der Internierungszeit in der<br />
Schweiz, seiner zweiten Heimat, prominente<br />
Namen zu seinen Bekannten<br />
zählen durfte, hat er in Nizza mit Erfolg<br />
neben Picasso, Matisse, Gromaire und<br />
anderen Künstlern Arbeiten ausgestellt<br />
und mit Samuel Beckett debattiert. Fuss<br />
war einer der über 12000 polnischen<br />
Män ner, welche sich der französischen<br />
Armee angeschlossen hatten und in die<br />
Schweiz flüchten mussten. Nach der anfänglichen<br />
Privatinternierung schuf man<br />
in Büren an der Aare ein sogenanntes<br />
«Polenlager», das später scharf kritisiert<br />
wurde. Die Polen waren als Arbeitskräfte<br />
Dreifaltigkeitskirche Bellach, Baujahr 1938.<br />
Walter Adam (1891–1957), Solothurn, ausführender Architekt des Entwurfs<br />
von Hermann Baur, Architekt aus Basel.<br />
sehr beliebt und haben sich, wie in Bellach,<br />
vielerorts ein bleibendes Andenken<br />
geschaffen.<br />
<strong>Der</strong> <strong>schwarze</strong> <strong>Christus</strong><br />
Herrlich ist das Farbenspiel des Mosaiks<br />
mit seinen 120 verschiedenen Farben,<br />
darunter allein 15 Schattierungen in Grün.<br />
18 Monate hat der Künstler an diesem<br />
Mosaik gearbeitet. In zartgrünem Grund<br />
gehalten, zeigt die Komposition in der<br />
Mitte einen gekreuzigten <strong>schwarze</strong>n Chris -<br />
tus am erahnbaren Kreuz, links des Gekreuzigten<br />
die Mutter Gottes in diskreter<br />
Farbsymphonie. Rechts erkennen wir Johannes<br />
den Täufer, den Wegbereiter und<br />
«Rufer in der Wüste». Über diese beiden<br />
Nebenfiguren lässt der Künstler Jesus<br />
<strong>schwarze</strong> Arme ausbreiten. Anklagend<br />
glänzt das Gold der Nägel an Händen<br />
und Füssen. Schwer liegt das gebrochene<br />
Haupt auf der Brust.<br />
Zeugen<br />
In Bellach gibt es immer noch Zeugen, die<br />
damals den fremden Künstler am Werk<br />
beobachten durften. Die 91-jährige Ottilia<br />
von Däniken erinnert sich lebhaft, wie sie<br />
dem jungen polnischen Wanderarbeiter<br />
Tadeusz Fuss-Kaden bei seiner Arbeit zugeschaut<br />
hat. Für die obere Partie des Bildes<br />
habe er eine Leiter gebraucht. «Ge -<br />
redet habe ich allerdings nicht mit ihm»,<br />
ergänzt Frau von Däniken schelmisch. Sie<br />
habe sich einfach damals nicht getraut<br />
und still beobachtet, wie der Künstler<br />
Stein um Stein zusammenfügte zu diesem<br />
grossen und ganz besonderen Bild.<br />
Es kann jedoch auch heute noch jeder<br />
Zeuge dieses Meisterwerkes werden. Wer<br />
sich ein paar Minuten Zeit gönnt und das<br />
Altarbild in aller Ruhe betrachtet, wird<br />
von seiner Wirkung eingefangen werden.<br />
Weitere Werke von Fuss, der auch mit<br />
«Tadé» oder «Kade» signierte, findet<br />
man in Zuchwil und Solothurn.<br />
Die Autoren danken Herrn und Frau Walker, Bellach,<br />
für die Bereitstellung diverser Zeitungsartikel.<br />
Als weitere Quellen dienten das Archiv der Pfarrei<br />
Bellach und die Zentralbibliothek Solothurn,<br />
sowie Dokumente und Hinweise von Armin Lüthy,<br />
Niederhasli; Barbara Lüthy-Kaiser, Solothurn;<br />
Kurt Jäggi, Bellach.<br />
KIRCHENBLATT 1 2012 5<br />
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