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ishlt - Pabst Science Publishers

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transplantation aktuell - Sonderheft 2006<br />

durchaus angemessenen Gefühlen von Angst und<br />

Seelische Prozesse und<br />

Depression, Unsicherheit und Zweifeln inneren<br />

Langzeitüberleben nach<br />

Raum zu geben, damit sie seelisch bewältigt werden<br />

Herztransplantation<br />

können.<br />

Dr. med. Dipl.-Psych. Wolfgang Albert,<br />

Dipl.-Psych. Dipl.-Rehapäd.<br />

Herausforderung Herztransplantation<br />

Im Deutschen Herzzentrum Berlin (DHZB) wurde<br />

Christiane Gresch, Berlin<br />

eine umfangreiche Studie durchgeführt, bei der eine<br />

große Gruppe von HTx-Patienten von der Wartezeit<br />

auf die Verpflanzung bis zehn Jahre danach mittels<br />

ausführlicher Gespräche und Testverfahren begleitet<br />

wurde. Dabei zeigte sich, dass die Ängste und Befürchtungen<br />

in der Wartezeit ganz besonders groß<br />

sind, da die abnehmende körperliche Leistungsfähigkeit<br />

verbunden mit Atemnot, Schwächegefühl und<br />

Schmerzen Panikzustände und Todesängste hervor-<br />

TRANSPLANTATIONSMEDIZIN<br />

Das Herz hat in allen Kulturen stets eine herausragende<br />

Bedeutung als Zentrum des Lebens eingenommen<br />

und wurde sowohl als Inbegriff für Gemüt,<br />

Gefühl wie auch Einsicht und im weitesten Sinne als<br />

Sitz der Seele angesehen. In allen Kulturen rankten<br />

sich um dieses Organ viele Phantasien, Träume und<br />

Ängste. Einige Völker opferten beispielsweise das<br />

Herz als kostbarstes Organ an ihre Götter und in der<br />

christlichen Tradition ist es im Alten wie im Neuen<br />

Testament „das von Gott gebildete geistige Zentrum<br />

des Menschen“. Entsprechend gilt es vielen von uns<br />

– ob bewusst oder unbewusst - als ein Stellvertreter<br />

für die ganze Persönlichkeit. Dies findet sich auch im<br />

alltäglichen Sprachgebrauch in vielfältigen Sprichwörtern<br />

wieder, wie „da bricht mir das Herz“,<br />

„mein Herz blutet“, „du musst dein Herz in beide<br />

Hände nehmen“. Auf diesem Hintergrund erklärt<br />

sich auch die ganz besondere Bedeutung, die eine<br />

Verpflanzung des Herzens für die Betroffenen wie<br />

deren Familien einnimmt. Einerseits ist damit die Vorstellung<br />

verbunden eine schwere Krankheit zu überwinden<br />

und zugleich eine neue Lebensvitalität und<br />

Kraft bis hin zur Vorstellung einer Wiedergeburt,<br />

dem sogenannten „zweiten Geburtstag“ zu erreichen.<br />

Andererseits wird etwas „Fremdes in das Eigene“<br />

verpflanzt und muss zu einem Teil der eigenen<br />

Person umgewidmet werden.<br />

In den vergangenen 20 Jahren hat sich die Herztransplantation<br />

(HTx) zu einer ausgereiften Methode<br />

zur Behandlung von Patienten mit hochgradig eingeschränkter<br />

Herzleistung entwickelt, welche die körperliche<br />

Leistungsfähigkeit, das psychische Befinden<br />

und die Lebensqualität der Patienten langfristig in<br />

hohem Maße verbessert. Die psychische Auseinandersetzung<br />

mit der HTx beginnt bereits intensiv<br />

im Vorfeld des Eingriffs, denn es handelt sich dabei<br />

um eine „Grenzsituation par excellence“. Nach der<br />

Operation setzt sich der Prozess fort mit der Aufgabe<br />

das neue Organ in das seelische Körpererleben<br />

einzugliedern. Oftmals beschäftigt sich der Patient<br />

dabei mit Fragen nach der Herkunft des Organs und<br />

den Eigenschaften des Spenders. Die Integration eines<br />

fremden Herzens in das eigene Körperbild erfordert<br />

enorme Anpassungsleistungen. Die Lebens- und<br />

Todesängste, die ein solcher Eingriff hervorrufen<br />

kann, machen es für die Patienten somit in allen Phasen<br />

des Transplantationsprozesses, auch im späteren<br />

Lebensverlauf, immer wieder von Neuem notwendig,<br />

ein inneres Gleichgewicht herzustellen. Dabei<br />

ist es nach unseren Erfahrungen sehr wichtig, den<br />

rufen können. Erschwert wird diese Situation durch<br />

die Unbestimmbarkeit, wann ein Organ zur Verfügung<br />

stehen wird. Nach der HTx können auch Zustände<br />

von Verwirrtheit und in Einzelfällen Wahnvorstellungen<br />

auftreten, die aber in allen Fällen vollständig<br />

abklingen. Auch im späteren Verlauf ergeben<br />

sich gerade bei Abstoßungen oder Infektionen Krisensituationen,<br />

die für die Patienten wie ihre Angehörigen<br />

zu seelischen Belastungen führen. Einige Patienten<br />

versuchen durch eine rein rationale (vernunftgeleitete)<br />

und die Bedrohung verleugnende<br />

Verarbeitung die angstbesetzten Situationen durchzustehen.<br />

Dies hat sich aber nur bedingt als sinnvoll<br />

erwiesen, da man solche existenzbedrohenden Erkrankungen<br />

nicht auf Dauer aus der Seele aussperren<br />

kann. Vielmehr zeichnen sich die Patienten, die<br />

sehr lange die HTx überlebt haben vor allem dadurch<br />

aus, dass sie vor wie nach dem Eingriff auftauchende<br />

Gefühle der Traurigkeit, Angst und Hilflosigkeit<br />

„zulassen“ können, d.h. sich dazu bekennen<br />

und auch mit anderen teilen. Es wird oftmals übersehen,<br />

dass die Angehörigen (meistens Ehefrauen und<br />

Mütter) zutiefst von ähnlichen Sorgen und Zweifeln<br />

betroffen sind und man könnte sehr vereinfacht sagen,<br />

dass ein Teilen des Leides – wie im Sprichwort<br />

– halbes Leid bedeutet.<br />

Die Langzeit-Lebensqualität nach einer<br />

Herztransplantation<br />

In einer weiteren Studie am DHZB sind wir seit langem<br />

damit beschäftigt die Langzeitlebensqualität unserer<br />

Patienten 10 bzw. 20 Jahre nach HTx zu untersuchen.<br />

Unter Lebensqualität versteht man die persönliche<br />

Beurteilung der eigenen körperlichen und<br />

beruflichen Leistungsfähigkeit und des seelischen Befindens,<br />

die individuelle Lebenszufriedenheit, die<br />

empfundene Unterstützung durch die Familie und<br />

das soziale Umfeld. Zugleich beschäftigen wir uns<br />

mit den Langzeitauswirkungen der immunsuppressiven<br />

Medikamente und Folgeerkrankungen.<br />

Die bislang 125 untersuchten Patienten, welche länger<br />

als zehn Jahre nach der HTx leben, sind aktuell<br />

im Durchschnitt 54 Jahre alt. Sie beurteilen ihre Lebenszufriedenheit<br />

als überraschend gut, obgleich ih-<br />

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