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Bürgerbroschüre Spaichingen

Bürgerbroschüre von Spaichingen mit Infos zur Gemeindeverwaltung, Freizeit, Kultur, Tourismus und Handel, Handwerk & Dienstleistung.

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ZEIT DES UMBRUCHS UND DES AUFBRUCHS:<br />

DIE 1960ER JAHRE IN SPAICHINGEN<br />

<strong>Spaichingen</strong> hat in seiner<br />

Geschichte immer wieder Veränderungen erfahren,<br />

die im Zusammenhang mit der jeweiligen<br />

Zeit- und Wirtschaftsgeschichte standen.<br />

Einen ersten wichtigen Schritt vom Bauerndorf<br />

zur Industriestadt fand in den 1870er<br />

Jahren statt, als nach dem Anschluss an das<br />

Eisenbahnnetz 1869 der Weg in die Industrialisierung<br />

frei gemacht war.<br />

Insbesondere die Möbelindustrie entwickelte<br />

sich in <strong>Spaichingen</strong> so stark, dass <strong>Spaichingen</strong><br />

den Ruf der „Möbelstadt“ hatte. Betriebe wie<br />

Gustav Bühler, B. Blessing, Conrad Braun<br />

Söhne, Matthias Weber und Möbelfabrik Frey<br />

sind bis heute unvergessen. Daneben gab es<br />

noch zahlreiche größere und kleinere Möbelschreinereien.<br />

Die 1960er Jahre in <strong>Spaichingen</strong> sind geprägt<br />

vom Strukturwandel auf vielen Ebenen, insbesondere<br />

aber in Bezug auf die Möbelindustrie.<br />

Bereits in den 1950er Jahren waren die<br />

qualitätsvollen Massivholzmöbel bei den<br />

Kunden nicht mehr so gefragt. Aus dem Inund<br />

Ausland drängten billig produzierte, dafür<br />

weniger langlebige, aber dem modischen<br />

Zeitgeschmack entsprechende Möbel auf den<br />

Markt.<br />

Die Spaichinger Fabriken, die sich aus Handwerksbetrieben<br />

heraus entwickelt hatten,<br />

konnten am angestammten Platz nicht expandieren<br />

und die vor dem Krieg noch übliche<br />

mehrstöckige Architektur erwies sich inzwischen<br />

als umständlich. Der Konkurrenz<br />

waren die meisten Betriebe auf Dauer nicht<br />

gewachsen, zumal rechtzeitig hohe Investitionen<br />

für neue Maschinen in modernen Fabrikationsgebäuden<br />

am Stadtrand notwendig<br />

gewesen wären.<br />

Eine ähnliche Entwicklung machten auch die<br />

Zigarren- und Stumpenhersteller durch. Hier<br />

kam hinzu, dass in den 1950er Jahren die Zigarren<br />

bei den jungen Leuten ein altmodisches<br />

Image hatten: modern war es, Zigaretten<br />

zu rauchen! Der Absatz von Stumpen und<br />

Zigarren ging so stark zurück, dass die Produktion<br />

hier ganz aufgegeben wurde. Da der<br />

Schweizer Stumpenhersteller Burger mit rund<br />

1 500 Beschäftigten (inklusive aller Filialen im<br />

Umland) einst der größte Arbeitgeber in der<br />

Region war, war dies ein großer Verlust: viele<br />

Familien in <strong>Spaichingen</strong> hatten mindestens<br />

ein Familienmitglied, das für oder bei Burger<br />

arbeitete.<br />

Nach und nach siedelten sich in <strong>Spaichingen</strong><br />

Betriebe an, die dem Metallsektor zuzurechnen<br />

sind. Zunehmender Wohlstand ermöglichte<br />

den Menschen, selbst ein Auto anzuschaffen,<br />

die Automobilindustrie erlebte<br />

dadurch einen unglaublichen Aufschwung,<br />

ebenso wie die Elektroartikelindustrie.<br />

Die in <strong>Spaichingen</strong> angesiedelte Zuliefererindustrie,<br />

zum Beispiel die Drehteilehersteller,<br />

profitierten durch volle Auftragsbücher.<br />

Neben zahlreichen Betrieben der Metallbranche<br />

entstand nach und nach eine heterogene<br />

Mischung von Klein- und mittelständischen<br />

Betrieben verschiedener Branchen.<br />

Als Verwaltungs- und Schulstadt mit ständig<br />

steigenden Einwohnerzahlen bot <strong>Spaichingen</strong><br />

zunehmend auch Arbeitsplätze im Verwaltungs-<br />

und Dienstleistungssektor.<br />

Die Entwicklung <strong>Spaichingen</strong>s ist nicht ohne<br />

die starke Zunahme an Einwohnern zu sehen.<br />

Flüchtlinge und Vertriebene, die in der<br />

Nachkriegszeit nach <strong>Spaichingen</strong> kamen,<br />

sowie Familien, die wegen der attraktiven Arbeitsplätze<br />

nach <strong>Spaichingen</strong> zogen, stellten<br />

eine große Herausforderung an die Kommunalpolitik<br />

dar: Wohnraum musste geschaffen<br />

werden, Siedlungen wie z. B. der „Grund“<br />

oder die Mehrfamilienhäuser an der Bismarckstraße<br />

entstanden. Schulen und Kindergärten<br />

mussten gebaut, die Infrastruktur mit<br />

Straßen, Kanalisation, Wasser- und Energieversorgung<br />

entsprechend angepasst werden.<br />

Ein Strukturwandel fand aber auch noch an<br />

anderer Stelle statt: Hatten vor dem Krieg<br />

noch die meisten Familien eine Landwirtschaft,<br />

zumindest im Nebenerwerb, so gaben<br />

in den 1960er und 1970er Jahren nach<br />

und nach die Familien die Landwirtschaft<br />

auf. Die Kinder nutzten das gute Bildungsangebot,<br />

machten eine Ausbildung oder<br />

besuchten weiterbildende Schulen oder<br />

fanden gut bezahlte Arbeitsplätze in den<br />

Industriebetrieben, die immer auf der Suche<br />

nach Arbeitskräften waren.<br />

Die bisher landwirtschaftlich genutzten Flächen<br />

wurden andererseits benötigt, um den<br />

Bedarf an Wohn- und Industrieflächen zu decken.<br />

In den 1960er Jahren war im Gegensatz<br />

zu heute allerdings trotzdem noch vieles<br />

ländlich: neben dem aufkommenden Straßenverkehr<br />

sah man gelegentlich noch manchen<br />

Ochsenkarren, noch nicht bei allen Häusern<br />

waren die Scheunen in eine Garage umgebaut<br />

worden, trotz moderner Betriebe war<br />

noch manches alte Handwerk in <strong>Spaichingen</strong><br />

zu finden und an viele Ladengeschäfte und<br />

Gasthäuser, die es heute nicht mehr gibt, erinnern<br />

sich die älteren Spaichinger noch gerne.<br />

Der Strukturwandel vollzog sich seit den<br />

1960er Jahren über einen längeren Zeitraum<br />

bis in die 1980er Jahre hinein und ist bis heute<br />

ein laufender Prozess. Seit den 1990er Jahren<br />

erschließt die zunehmende Globalisierung<br />

neue Möglichkeiten, stellt aber auch<br />

neue Herausforderungen an die Wandel- und<br />

Anpassungsfähigkeit der Stadt.<br />

Foto: Cramers Kunstanstalt, Dortmund<br />

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Foto: Cramers Kunstanstalt, Dortmund

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