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Bürgerbroschüre Spaichingen

Bürgerbroschüre von Spaichingen mit Infos zur Gemeindeverwaltung, Freizeit, Kultur, Tourismus und Handel, Handwerk & Dienstleistung.

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und Gefährt nicht todernst und moralisierend, sondern ironisch. Wie sind<br />

die wahren Verhältnisse? Und wenn die Karre immer autonomer wird,<br />

wer hat dann wen fest im Griff?<br />

Hans-Jürgen Kossack hat im Jahr 2001 mehrere Wochen lang auf dem<br />

Marktplatz gearbeitet, um aus einem tonnenschweren Buntsandstein die<br />

„Spaichinger Taube“ zu meißeln, die seither an der Hauptstraße vor der<br />

Kreissparkasse der Stadt steht. Die Skulptur greift ein Leitmotiv im Werk<br />

des Bildhauers auf: das Eingebundensein jeglicher Kreatur in den Kreislauf<br />

von Geburt, Leben und Sterben. Ein mumifizierter Vogel lieferte Kossack<br />

die Initialzündung für seine Skulptur. Und so schuf er aus dem Steinquader<br />

einen komplexen und geheimnisvollen Körper mit Höhlungen<br />

und knöchernen Strukturen und Gefieder. Morbid, gewiss, aber das Baumaterial<br />

des Lebens wird immer und unausweichlich auch zum Relikt<br />

des Lebens.<br />

Willi Bucher war einer der drei Künstler, die während des Stadtjubiläums<br />

2003 seine Zelte auf dem Markplatz <strong>Spaichingen</strong>s aufstellte. Seine Steinlarve,<br />

die mittlerweile den endgültigen Platz an der Hauptstraße vor der<br />

Volksbank gefunden hat, monumentalisiert die Bild- und Symbolsprache,<br />

die auch seine Holzlarven prägt: Innen und Außen, Erkennen und Befremden,<br />

Verbergen und Enthüllen. Verwurzeltsein in der süddeutsch-alemannischen<br />

Kultur einerseits, Verweise auf vergangene Kulturen oder exotische<br />

Rituale andererseits – das Thema Larve ist so unerschöpflich wie<br />

menschliche Physiognomien oder Gemütszustände. Wenn Bucher seine<br />

mächtige und erdenschwere Larve mit dem Gesicht nach unten installiert,<br />

hat das seinen (Hinter-)Sinn: Sehen wir da den Hochmut vor dem Fall?<br />

Armin Göhringer, ebenfalls im Jahr 2003 als Stadtkünstler Gast <strong>Spaichingen</strong>s,<br />

ist als Holzbildhauer auf dem Markplatz präsent. Seine „Mächtige<br />

Gruppe“ besteht aus drei geschwärzten Eichen, die im Stadtwald <strong>Spaichingen</strong>s<br />

extra für dieses Kunstwerk geschlagen wurden. Einblicke,<br />

Durchblicke, verengte oder sich öffnende Räume – wer Göhringers Holzskulpturen<br />

sinnlich erfassen möchte, sollte sich um sie herumbewegen<br />

und nicht vergessen, den Blick auch himmelwärts zu richten. Was einmal<br />

imposante Baumstämme waren, hat der Bildhauer mit der Kettensäge bearbeitet.<br />

Die Maschine hat Spuren hinterlassen, die Farbe den Materialcharakter<br />

verändert. Was entstanden ist, das sind feingliedrige, sanft geschwungene<br />

Stelen mit der Anmutung von Leichtigkeit. In Wirklichkeit<br />

sind sie Schwergewichte.<br />

Thomas Putze, der Stadtkünstler des Jahres 2011, hat mit seiner Skulptur<br />

„Anschluss“ die Lücke zwischen den Skulpturenwegen Hohenkarpfen<br />

und <strong>Spaichingen</strong> geschlossen. Die Arbeit ist in intensiver Zusammenarbeit<br />

vieler Spaichinger mit dem Künstler auf dem Marktplatz der Stadt entstanden.<br />

Ein kräftiges Kontra der Wegwerfgesellschaft: Mit Witz und Ironie<br />

recycelt Thomas Putze alte, gebrauchte, gefundene Dinge wie Wasser-,<br />

Ofen- und Lüftungsrohre, Gummischläuche oder Holzstücke. Aus<br />

solchen Schätzen und mit künstlerischer Verve konstruierte der Meister<br />

des Unerwarteten die Plastik „Anschluss“, verwandelte Schrott in ein<br />

phantastisches Gebilde, das Durch- und Weitblick in alle Richtungen ermöglicht<br />

– ein Gegenentwurf zu normierter Ästhetik und utilitären Vorstellungen.<br />

Putze spielt mit seinem Material. Und der Mensch „ist nur da<br />

ganz Mensch, wo er spielt“ (Friedrich Schiller).<br />

Frieder Preis stammt aus <strong>Spaichingen</strong> und lebt in <strong>Spaichingen</strong>. Der Lokalmatador<br />

zelebriert klassische Steinbildhauerkunst. „Vaters Vater“ hat<br />

er seine Sandsteinskulptur betitelt, die an der Straße hin zum Dreifaltigkeitsberg<br />

aufgestellt ist. Zwei anthropozoomorphe Figuren treffen sich<br />

in einer Gestalt. Das größere Mischwesen mit dem Körper eines Menschen<br />

und dem Kopf eines Tieres hält das kleinere mit umgekehrter<br />

Erscheinung auf dem Schoß. Preis greift also zurück auf schamanische<br />

bzw. dämonische Darstellungen aus der Steinzeit und der altägyptischen<br />

und griechischen Mythologie, verweist aber auch auf<br />

das christliche Symbol des „Gnadenstuhls“ und spinnt damit ein Netz<br />

von Assoziationen zu kulturell-spirituellen Überlieferungen, die alle<br />

Menschen intuitiv erfassen.<br />

Hans Schüle, Stadtkünstler des Jahres 2015, konnte mit seiner lackierten<br />

Stahlplastik die Lücke zwischen Stadt und Dreifaltigkeitsberg<br />

schließen. Er entwickelt in seiner Arbeit die kristalline Struktur<br />

eines Minerals. Wofür die Natur unendlich lange Zeitäume braucht,<br />

das realisierte der Künstler dank Vorstellungskraft und mathematischen<br />

Kenntnissen in wenigen Wochen aus Stahlrohren und Leuchtfarbe:<br />

einen Körper, der eigentlich aus der Verwandlung von organischer<br />

in anorganische Substanz entsteht, hier aber auf Grundlinien<br />

reduziert, dafür aber transparent ist. Natur und Technik lassen sich<br />

nicht voneinander trennen: schließlich entsteht auch Stahl, das<br />

Schlüsselmaterial des industriellen Zeitalters, aus nichts anderem als<br />

Eisenerzmineralien und Kohle, die sich in Jahrmillionen aus pflanzlicher<br />

Biomasse gebildet hat.<br />

Emilia Neumann und Urban Hüter waren 2017 die vom Förderverein<br />

eingeladenen Stadtkünstler. In künstlerischer Partnerschaft, aber mit<br />

eigenen Plastiken, schufen sie ein Werk mit dem Titel „Eins werden,<br />

zwei bleiben“. Es entstand damit ein raumgreifendes Ensemble.<br />

Während Hüters Säule aus Alublechen, kraftvoll und farbenfroh ornamentiert,<br />

meterhoch in die Lüfte strebt und das die Gesetze der<br />

Schwerkraft auszuhebeln scheint, lastet Neumanns polymorphe,<br />

massige und farbig sehr subtile Betonplastik auf der Erde. Natürlich<br />

korrespondieren die beiden Arbeiten, doch sie geben keine Interpretation<br />

vor. Sie sind prozesshaft entstanden – und in maximaler<br />

Offenheit geben sie Anstoß für Denkprozesse.<br />

99 www.spaichingen.de

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