Frühstück bei Sokrates - Lalegion-pictures.com
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6.<br />
Der kleine, einäugige Sartre mit dem schütteren Haar besaß<br />
viel Charme. Seine metallische Stimme, sein Humor, seine<br />
ständige Ansprechbarkeit und seine Nachsicht bezauberten<br />
die Frauen. Er fand übrigens ihre Unterhaltung interessanter<br />
als die der Männer. Er liebte es, zuzuhören und auf die weibliche<br />
Verzweiflung einzugehen, auf die verlorenen Blicke, die<br />
»Mienen von Quallen, die am Strand zurückgeblieben sind«.<br />
Er hatte heftige und verzweifelte Abenteuer, über denen er<br />
Schlaf und Appetit verlor, zum Beispiel mit Olga, die sich ihm<br />
zwei Jahre verweigerte. Wenn eine von ihnen nicht <strong>bei</strong> ihm<br />
sein konnte, schilderte er ihr in endlos langen Briefen haarklein<br />
seinen Tagesablauf, Stunde für Stunde, wie ein Kind<br />
gegenüber seiner Mutter. Weil er keine seiner Frauen verlieren<br />
wollte, hielt er sich bis zu vier auf einmal in der Meinung,<br />
daß eine einzige Frau unterjocht, mehrere dagegen befreien.<br />
7.<br />
Je mehr sich sein Zustand verschlechtert (mit achtundsechzig<br />
Jahren ist er vollständig blind), desto stärker wird Sartre bewußt,<br />
daß er zum Eigentum seiner Frauen wird. Er braucht<br />
sie <strong>bei</strong>m Essen, sie müssen ihm das Fleisch zerschneiden, <strong>bei</strong>m<br />
Urinieren helfen usw. Er beherrscht das Spiel nicht mehr. Da<br />
erfindet er ein neues Leben. Sein ruinierter Körper gehört<br />
ihnen, nun gut. Aber sein Geist ? Um frei zu bleiben, beschließt<br />
Sartre, sich in irgend jemandes Obhut zu begeben. Benny Lévy,<br />
ein junger Maoist, der Sartres Werk besser kennt als Sartre<br />
selbst, wird sein einziger Gesprächspartner. Der alte Mann<br />
läßt sich von diesem Sekretär duzen (sogar Simone de Beauvoir<br />
siezte ihn). Jeden Morgen holt Benny Lévy Sartre aus seinem<br />
Dämmerzustand und spricht mit ihm stundenlang über<br />
Ethik, Religion, Politik. Für die nähere Umgebung Sartres ist<br />
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