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Frühstück bei Sokrates - Lalegion-pictures.com

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Descartes ist kein »moderner« Philosoph. Und gerade deshalb<br />

kann man ihn bewundern... Er schrieb nicht gern, vor allem<br />

keine Bücher über Philosophie. Er äußerte sich lieber in Briefen:<br />

von den elf Bänden seiner von Adam und Tannery herausgegebenen<br />

Werke sind fünf seiner Korrespondenz gewidmet.<br />

Er hatte keinen festen Beruf. Krieger, Schriftsteller,<br />

Mechaniker, Mann von Welt, Libertin, Familienvater, Säbelfechter,<br />

Höfling, er hat so gut wie alle Rollen innegehabt, darunter<br />

die widersprüchlichsten. Für diese Energie, diese Anpassungsfähigkeit<br />

hatte er ein eigenes Wort, er nannte es:<br />

»Generosität«.<br />

Auch in seiner Art zu schreiben ist er nicht modern. Zu unserem<br />

großen Bedauern und unserem großen Kummer... Seine<br />

Sätze sind das Spiegelbild des oratorischen Latein, das man<br />

ihm am Gymnasium eingetrichtert hat: mäandernde Gebilde,<br />

Schachtelsätze, schwerfällige logische Verknüpfungen. Descartes<br />

liebte es, sich hinter dieser verstaubten Rhetorik zu verstecken.<br />

Friede den Worten und der Grammatik... Zur gleichen<br />

Zeit schrieb ein Pascal lebendig und knapp. Aber unter<br />

dem Staub des kartesianischen Stils strahlendes Gold... Ein<br />

Hauch von Politur genügt, um dem Discours de la methode*<br />

* Hier der Text von Descartes:<br />

»Der gesunde Menschenverstand ist die bestverteilte Sache der Welt, denn<br />

jedermann meint, damit so gut versehen zu sein, daß selbst diejenigen, die in<br />

allen übrigen Dingen sehr schwer zu befriedigen sind, doch gewöhnlich nicht<br />

mehr Verstand haben wollen, als sie wirklich haben. Es ist nicht wahrscheinlich,<br />

daß sich in diesem Punkte alle Leute täuschen, sondern es beweist vielmehr,<br />

daß das Vermögen, richtig zu urteilen und das Wahre vom Falschen zu<br />

unterscheiden, dieser eigentlich sogenannte gesunde Menschenverstand oder<br />

die Vernunft, von Natur in allen Menschen gleich ist, und also die Verschiedenheit<br />

unserer Meinungen nicht daher kommt, daß die einen mehr Vernunft<br />

haben als die anderen, sondern lediglich daher, daß unsere Gedanken verschiedene<br />

Wege gehen und wir nicht alle dieselben Dinge betrachten.<br />

Denn es ist nicht genug, einen guten Kopf zu haben; die Hauptsache ist, ihn<br />

richtig anzuwenden. Die größten Seelen sind der größten Laster ebenso fähig<br />

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