RETAIL 02/2020
Zeitschrift RETAIL Ausgabe 2/2020 vom österreichischen Handelsverband
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ZUKUNFT<br />
PODCASTS:<br />
FLOH IM OHR<br />
Jeder dritte Österreicher hört bereits Podcasts.<br />
Auch Händler wie Hornbach und XXXLutz zeigen,<br />
dass gesprochenes Wort Aufmerksamkeit<br />
erzeugt. Sofern man was zu sagen hat. Doch<br />
bringt ein Podcast auch Geld in die Kassa?<br />
Text / Florian Wörgötter<br />
trauen. Daher können Podcasts für Kommunikatoren<br />
und Werber interessante Plattformen<br />
sein. Gilt das auch für Händler?<br />
„Das Ziel des Hornbach-Podcasts ist es<br />
nicht, Geld zu verdienen“, sagt Preuß. „Wir<br />
wollen Menschen emotional begeistern<br />
und Know-how vermitteln.“ Um die Leidenschaft<br />
für die Projekte der Zielgruppe<br />
erlebbar zu machen, nimmt man sich in<br />
den Interviews Zeit. „Im Idealfall erwacht<br />
die Lust im Hörer, sein eigenes Projekt zu<br />
starten, und er holt seine Materialien bei<br />
Hornbach.“<br />
Ein Podcast eigne sich als Experimentierfeld,<br />
weil man ohne Rattenschwanz an<br />
Kosten neue Wege ausprobieren könne,<br />
meint Preuß. Schließlich bedürfe es nur einer<br />
Tonspur, die im Vergleich zum Bewegtbild<br />
günstiger zu produzieren sei. Ob das<br />
beim Kunden ankommt, verraten Zahlen<br />
wie Downloads, Streams oder RSS-Feed-<br />
Abos, aber auch Kommentare oder Likes.<br />
Klingen deine Instrumente so,<br />
weil du willst, dass sie so klingen? Oder<br />
klingen sie so, weil du bist, wie du bist?“,<br />
fragt der Interviewer im Hornbach-Podcast<br />
die Geigenbauerin. Die „Werkstattgespräche“<br />
besuchen auch in Episode 17<br />
eine „Macherin“ an ihrer Werkzeugbank.<br />
Im einstündigen Gespräch erzählt die<br />
Geigenbauerin, dass schon der Baum den<br />
Klang entscheidet und sie 300 Stunden am<br />
Instrument hobelt, schnitzt und schneidet.<br />
Vielfach fällt das Wort „bauen“, doch kein<br />
einziges Mal das Wort „Hornbach“. Erst<br />
der Schlussakkord des „Yippie Ya Ya Yippie<br />
Yippie Yey“-Audiologos erinnert an den<br />
Baumarkt – Produktwerbung oder Preismarketing<br />
sind stummgeschalten.<br />
„Bei uns würde niemand fordern: Der<br />
Markenname muss fünfmal pro Folge fallen“,<br />
erklärt Florian Preuß, Leiter Public<br />
Relations, die Philosophie von Hornbach.<br />
„Wichtig ist, dass der Podcast den Markenkern<br />
stärkt. Unsere ,Werkstattgespräche‘<br />
unterstreichen, dass wir der Partner für<br />
Macher und ihre Projekte sind.“<br />
IN ALLER OHREN<br />
Ein Podcast erzeugt eine intime Hörsituation,<br />
weil sich Hörer bewusst für eine Folge<br />
entscheiden, wenn sie dem Moderator ver-<br />
Podcast-Studien<br />
WER HÖRT ZU?<br />
Kurz und knackig –<br />
so konsumieren Hörer<br />
ihre Podcasts.<br />
Laut einer Studie des<br />
Reuters Institute for the<br />
Study of Journalism hört<br />
jeder dritte Österreicher<br />
Podcasts. Einer Studie der<br />
deutschen Bitkom zufolge<br />
sind sie am beliebtesten<br />
bei 16- bis 29-Jährigen. Die<br />
Hälfte der Hörer wünscht<br />
sich Formate zwischen<br />
fünf und zehn Minuten.<br />
CONTENT, CONTENT, CONTENT<br />
Auch für Retail-Podcasts gilt die goldene<br />
Regel für Erfolg im digitalen Zeitalter: „Erzeuge<br />
relevanten Content für Kunden oder<br />
Händler. Und: Publiziere in hoher Frequenz<br />
und das über Jahre. Für Reichweite und<br />
Relevanz gibt es keine Abkürzung“, sagt<br />
Alexander Graf, Gründer von Spryker<br />
Systems und Moderator des deutschen<br />
E-Commerce-Podcasts „Kassenzone“.<br />
Das Problem laut Graf: 99 Prozent der<br />
Händler haben keinen Unique Content,<br />
suchen aber einen Verkaufskanal. Dafür sei<br />
ein Podcast aber das falsche Format. „Ein<br />
Podcast diskutiert, unterhält oder informiert<br />
seine Hörer, erzeugt also Aufmerksamkeit<br />
und Branding, konvertiert aber<br />
nicht.“ Daher dürfe es nicht das Ziel sein,<br />
die Hörer ins Geschäft zu locken, damit sie<br />
Produkte kaufen. „Der Hörer muss durch<br />
den Inhalt zum Fan werden.“ Dieser Medienwert<br />
sei in klassischen Umsatzkennzahlen<br />
nicht messbar, sei aber auszuweiten.<br />
Wie könnte sich ein Retail-Podcast anhören?<br />
Lebensmittelketten könnten das<br />
Thema Kochen aufgreifen, Produzenten<br />
könnten erzählen, wie ihr Produkt erfolgreich<br />
wurde und Chefs jede Woche Mitarbeiter<br />
zu ihrem Joballtag interviewen. „Was<br />
in einem 1.000-Personen-Unternehmen<br />
Reichweite generiert, erzielt auch eine potenzielle<br />
Reichweite außerhalb“, so Graf.<br />
Die Challenge: Welcher Vorstand hat<br />
schon Zeit und Ausdauer, zwei Jahre lang –<br />
bis die Quote stimmt – hundert Interviews<br />
mit einem Nettoaufwand von 50 Arbeitstagen<br />
zu führen? Vielleicht aber finden sich<br />
Foto / Unsplash<br />
30 / Q2/2<strong>02</strong>0