RETAIL 02/2020
Zeitschrift RETAIL Ausgabe 2/2020 vom österreichischen Handelsverband
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GRUNDSATZFRAGE<br />
Foto / Unsplash<br />
AUSWEGE AUS DEM<br />
CITY-LEERSTAND<br />
Der stationäre Handel ist<br />
auch hierzulande durch die<br />
Zunahme des E-Commerce<br />
unter Druck geraten.<br />
Was müsste getan werden,<br />
um die Kunden wieder<br />
vermehrt in die Shops und<br />
Einkaufsstraßen zu holen?<br />
Text / Harald Sager<br />
Leerstehende Geschäfte sind kein schöner<br />
Anblick. Jeder von uns kennt Einkaufsstraßen<br />
– vornehmlich in „weniger guten“<br />
Bezirken – oder ländliche Ortskerne, aus<br />
denen sich das Leben zurückgezogen hat<br />
und wo die Leerstände sich häufen. Je<br />
länger das der Fall ist, desto heruntergekommener<br />
der Gesamteindruck – ein Bild<br />
des Niedergangs, das sich mit jedem „Neuzugang“<br />
noch verstärkt und die Konsumenten<br />
weiter vertreibt. Keine Gemeinde, kein<br />
Stadtbezirk kann tatenlos dabei zusehen,<br />
wie sich die Abwärtsspirale fortsetzt. Was<br />
lässt sich also dagegen tun?<br />
Einer aktuellen Studie zufolge, die das<br />
einschlägig spezialisierte Badener Beratungsunternehmen<br />
Standort + Markt in<br />
Kooperation mit dem Handelsverband<br />
durchgeführt hat, sind die heimischen City-<br />
Shopflächen 2019 um 0,1 Prozent und im<br />
Jahr davor um 0,3 Prozent geschrumpft.<br />
Das allein hört sich wenig beunruhigend an,<br />
zumal die Jahre seit 2013 (dem ersten Jahr<br />
der Erhebung) von einer stetigen Zunahme<br />
geprägt waren. Besorgniserregender ist<br />
eine andere Kennzahl aus derselben Studie:<br />
Demnach liegt die Leerstandsrate in den<br />
24 betrachteten Innenstadtbereichen bei 5,9<br />
Prozent. Unter Berücksichtigung der erfassten<br />
Kleinstädte – wo es eine höhere Rate gibt<br />
– kommt man sogar auf 7,4 Prozent. Der<br />
Wert entspricht einer Erhöhung der Leerstandsrate<br />
von 0,8 Prozent gegenüber 2019.<br />
Woran liegt das? Eine Ursache sind die<br />
veränderten Konsumgewohnheiten: Der<br />
Modehandel, die angestammte Bastion der<br />
Innenstädte, kommt zunehmend durch<br />
den E-Commerce unter Druck. Weitere<br />
Gründe sind die Verlagerung des<br />
Shopping-Geschehens von den Citys an<br />
die Peripherie – was in erster Linie die<br />
Signalwirkung<br />
für das Stadtbild.<br />
Einkaufsstraßen<br />
prägen das Lebensgefühl<br />
einer Stadt.<br />
Städtevergleich<br />
<strong>RETAIL</strong>-STUDIE<br />
Die Leerstände in den<br />
Innenstadtbereichen<br />
sind in den letzten<br />
Jahren gestiegen.<br />
Die von Standort + Markt<br />
erstellte Studie City Retail<br />
Health Check 2<strong>02</strong>0<br />
erfasst 24 traditionelle<br />
Geschäftsbereiche der 20<br />
größten Städte sowie von<br />
16 Kleinstädten. Erhoben<br />
wurden rund 13.300<br />
Einzelhandelsbetriebe, die<br />
für mehr als zwei Millionen<br />
Quadratmeter Verkaufsfläche<br />
stehen.<br />
Die Studie kann unter<br />
www.handelsverband.at<br />
erworben werden.<br />
Klein- und Sekundärstädte trifft – sowie die<br />
vermehrte Konzentration auf A-Lagen auf<br />
Kosten jener der Kategorien B und C. Die<br />
Corona-Pandemie macht die Situation ebenfalls<br />
nicht besser.<br />
GEGENSTEUERN IST MÖGLICH<br />
Für die Erhaltung der Einkaufsstraßen<br />
können wir als Gesellschaft etwas tun.<br />
Die Konsumenten könnten sich wieder<br />
verstärkt darauf besinnen, ihre Kleidung in<br />
den Umkleidekabinen von Modegeschäften<br />
anzuprobieren und zu kaufen, statt sie auf<br />
Onlineplattformen von Drittstaaten-<br />
Händlern zu bestellen. Das würde den heimischen<br />
Handel stärken, der seine Steuern,<br />
Abgaben, Mieten und Gehälter hierzulande<br />
zahlt und Arbeitsplätze erhält.<br />
Die Politik ihrerseits hat bereits erste<br />
Schritte angekündigt, um fairere Wettbewerbsbedingungen<br />
mit Onlinehändlern<br />
aus Drittstaaten wie Amazon oder Alibaba<br />
herzustellen, insbesondere durch die geplante<br />
Abschaffung der Einfuhrumsatzsteuer-Freigrenze<br />
für deren Waren per<br />
1. 1. 2<strong>02</strong>1. Hilfreich wäre weiters die Abschaffung<br />
der Mietvertragsgebühr. Eine<br />
Reform der Raumordnung ist anzudenken,<br />
die den Fokus auf die Reduzierung der<br />
Grünflächenverbauung an den Peripherien<br />
zugunsten der Nutzung von brachliegenden<br />
beziehungsweise leerstehenden Flächen<br />
legt. Das wäre nicht nur ökologisch wünschenswert,<br />
sondern würde sich – Stichwort<br />
Wiederbelebung der Ortskerne –<br />
auch ökonomisch positiv auswirken.<br />
Auch die Städte selbst sind gefordert,<br />
in die Attraktivität ihrer Einkaufsstraßen<br />
zu investieren. Hier ist an vielen kleineren<br />
Schrauben zu drehen: Dazu gehört, Shopflächen<br />
nach zeitgemäßen – nicht verwinkelten,<br />
mit adäquaten Schaufensterfronten<br />
ausgestatteten – Grundrissen zu ermöglichen;<br />
ebenso auch die problemlose Anfahrbarkeit,<br />
Parkgelegenheiten, abgestimmte<br />
Öffnungszeiten. Die Vermieter könnten da<br />
und dort mehr tun, um die Substanz zu verbessern<br />
und ihre Mietkonditionen in<br />
realistische Bahnen zu lenken. Nützlich wäre<br />
weiters die Nominierung von Ansprechpersonen<br />
in den jeweiligen Einkaufsstraßen,<br />
die sich um die Weitervermittlung von frei<br />
gewordenen Geschäftsflächen kümmern.<br />
Der Tourismus schließlich hat sich zu einem<br />
nennenswerten Umsatzbringer für den<br />
heimischen Einzelhandel gerade im Luxusbereich<br />
entwickelt – das sollte gefördert<br />
werden, so etwa durch den Ausbau von<br />
Tourismuszonen, in denen auch an Sonntagen<br />
geshoppt werden kann.<br />
/ Q2/2<strong>02</strong>0<br />
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