Leseprobe Gesang vom Leben
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für die Musikvereinigung geworben wird. Johann Adam Hiller, der<br />
sich zu dieser Zeit noch »Hüller« nennt, wurde die Kunst in die<br />
Wiege gelegt. Am ersten Weihnachtsfeiertag 1728 erblickt er in der<br />
Nähe von Görlitz als Sohn eines Schulmeisters das Licht der Welt, mit<br />
17 Jahren wird er in Dresden Kruzianer und steigt dort zum Chorpräfekten<br />
auf. Auch in Leipzig interessiert er sich vor allem für Musik.<br />
Im Grossen Concert übernimmt er mal die Flöte, mal die Violine,<br />
bisweilen singt er auch selbst oder begleitet Sänger <strong>vom</strong> Cembalo<br />
aus. 88 Nach Studienende wird er in Dresden Hauslehrer eines Mitglieds<br />
der weitverzweigten Familie Brühl. Aber schon zu Michaelis<br />
1758 kommt er mit dem Schüler zurück in seine einstige Studienstadt<br />
und veröffentlicht dort unter dem Titel Musikalischer Zeitvertreib eine<br />
wöchentliche Musikzeitschrift. Nun wächst auch jene jahrzehntelange<br />
Freundschaft, die das musikalische Leipzig lange prägt. Immer<br />
wieder ist Hiller zu Gast bei Carl Wilhelm Müller, einem Anwalt,<br />
der 1759 mit 31 Jahren Ratsmitglied wird. Müller ist jedoch nicht nur<br />
juristisch und politisch aktiv, sondern auch ausgesprochen kunstsinnig,<br />
wie Hiller berichtet: »Ich hatte das Glück, in dieser vortrefflichen<br />
Familie immer sehr wohl aufgenommen zu werden. Alles liebte da<br />
die Musik, oder war selbst musikalisch. Es ward den Sommer über in<br />
dieser Familie ein Concert errichtet, wovon man mir die Direction<br />
überließ.« 89 Die übertragene Verantwortung lässt den jungen Hiller<br />
Geschmack am Dirigieren finden. 1762 beginnt er mutig, das darniederliegende<br />
städtische Konzertleben neu zu formieren. Im Sommer<br />
lädt er zu Abonnementkonzerten ein, die er auf eigene Rechnung<br />
organisiert. Bereits ein Jahr später wird ihm die Leitung des neu eröffneten<br />
Grossen Concert übertragen, für die Wiedereinweihung komponiert<br />
er eine Kantate.<br />
Zwölf Jahre lang verantwortet Hiller die Konzerte im Gasthaus<br />
Drei Schwanen, in dieser Zeit wird er Leipzigs einflussreichster Musiker.<br />
1766 hebt er mit Der Dorfbalbier das erste deutsche Singspiel aus<br />
der Taufe – jenes von Mozart später zur Blüte geführte Genre, das<br />
gesungene und gesprochene deutsche Texte verbindet. Um Nachwuchs<br />
für Bühne und Konzert sicherzustellen, gründet er kurz darauf<br />
eine Singschule, in der zwei Dutzend Sängerinnen und Sänger<br />
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