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Leseprobe Gesang vom Leben

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ALTE UND NEUE KLÄNGE<br />

ab 1957<br />

Wie man barocker Musik mit Darmsaiten zu Leibe<br />

rückt · Andere zeigen dem Publikum ihren Hintern ·<br />

Avantgardistisches im altehrwürdigen Gewandhaus und<br />

Land maschinen-Sinfonien mit brennenden Klavieren<br />

Aufgeführte Musik ist neue Musik. Im 18. Jahrhundert würden wohl<br />

alle Komponisten diesen apodiktischen Satz ohne zu zögern unterschreiben.<br />

Wenn Musiker wie Telemann oder Bach die Werke deutlich<br />

älterer Kollegen aufs Pult legen, dann haben sie dafür schon<br />

besondere Gründe – etwa den, dass die Thomaner selbst noch zu<br />

Bachs Zeiten die Musik aus dem Florilegium Portense von 1618 in ihren<br />

Gottesdienst integrieren. Ansonsten aber gilt bis weit in 19. Jahrhundert<br />

hinein: Nur Neues ist wirklich gut, das Alte hingegen ist fast<br />

immer überkommen.<br />

Das ändert sich mit Mendelssohn, der erstmals Historische Konzerte<br />

organisiert, mit denen er musikgeschichtliche Zusammenhänge<br />

verdeutlicht. Nun rücken Bach und Händel auf die Spielpläne. Was<br />

um 1840 eine regelrechte Sensation ist – das Sichtbarmachen von<br />

Tradition als Zeichen von Vielfalt –, legt die Basis für eine gegenteilige<br />

Entwicklung: Es bildet sich nach und nach ein Kanon heraus,<br />

der nicht nur die Grundlage, sondern irgendwann sogar Hauptbestandteil<br />

des Repertoires ist. Eineinhalb Jahrhunderte nach Mendelssohns<br />

Amts antrittskonzert als Gewandhauskapellmeister ist<br />

die Musikgeschichte in klassischen Konzerten erstaunlich verengt.<br />

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