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Leseprobe Gesang vom Leben

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dem Kenner der Bachschen Kompositionen und des Mozartschen<br />

Requiem besonders etwa der großen Fuge Christe eleison, das Studium,<br />

die Wertschätzung, und die volle Auffassung des Geistes jenes<br />

alten Kontrapunktisten, bei Mozarts zu allem fähigen Geiste, nicht<br />

entgehen.« 96<br />

Weniger Glück hat Mozart hingegen mit einem Sonderkonzert im<br />

Gewandhaus. Weil die Saison bereits beendet ist, bleibt der Besuch<br />

dürftig. Zudem spielt nur die zweite Garnitur des Orchesters. Die<br />

übrigen Kollegen haben an jenem Abend im Theater Dienst, wo übrigens<br />

gerade Mozarts Die Hochzeit des Figaro gegeben wird. Es soll<br />

jedoch der einzige Misserfolg des Gastes in Leipzig bleiben: Denn<br />

schon während des dreitägigen Aufenthalts auf der Hinfahrt nach<br />

Potsdam nutzt Mozart die Zeit für ein privates Orgelkonzert in<br />

der Thomaskirche. Der damalige Augenzeuge Christian Friedrich<br />

Michaelis berichtet 16 Jahre später in der Berliner Musikalischen Zeitung:<br />

»Am 22. April ließ er sich ohne vorausgehende Ankündigung<br />

und unentgeltlich auf der Orgel in der Thomaskirche hören. Er spielte<br />

da eine Stunde lang schön und kunstreich vor vielen Zuhörern. Der<br />

damalige Organist Görner und der verstorbene Cantor Doles waren<br />

neben ihm und zogen die Register. Doles war ganz entzückt über<br />

des Künstlers Spiel, und glaubte den alten Seb. Bach (seinen Lehrer)<br />

wieder auferstanden. Mozart hatte mit sehr gutem Anstande, und<br />

mit der größten Leichtigkeit alle harmonischen Künste angebracht,<br />

und die Themate, unter andern den Choral Jesu meine Zuversicht<br />

aufs Herrlichste aus dem Stehgreif durchgeführt.« 97 Das oft zitierte<br />

überschwängliche Lob Mozarts für die Thomaner (»So einen Chor<br />

haben wir in Wien, und hat man in Berlin und Prag nicht« 98 ) ist umso<br />

erstaunlicher, wenn man bedenkt, dass der Chor, den er im April 1789<br />

hört, gar nicht <strong>vom</strong> Thomaskantor geleitet wird. Doles nämlich lässt<br />

sich in seinen letzten Amtswochen konsequent <strong>vom</strong> Präfekten vertreten.<br />

Selbst für berühmte Gäste macht er keine Ausnahme.<br />

Am letzten Abend vor der Rückreise nach Wien, am 12. Mai 1789,<br />

ist Mozart wieder zu Gast in der Thomasschule. Auch hier berichtet<br />

Rochlitz detailliert: Wehmütig hätten die Leipziger um eine Zeile<br />

aus der Hand des Meisters gebeten. Der aber »scherzte über ihre<br />

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