Leseprobe Gesang vom Leben
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Sentimentalitäten, und wollte schlafen, aber nicht schreiben. Endlich<br />
sagte er doch: Papa, so geben Sie mir ein Stückchen Notenpapier. Er<br />
erhielt es, riss es in zwei Hälften, setzte sich und schrieb – nicht länger<br />
als höchstens fünf bis sechs Minuten. Dann reichte er dem Vater die<br />
eine, dem Sohn von Doles die andere Hälfte.« 99 Was die Thomaner<br />
dann zu hören bekommen, ist eine Kostprobe von Mozarts Genialität.<br />
Auf jedem Blatt steht ein Kanon: der erste ein wehmütiger auf<br />
die Worte »Lebet wohl, wir seh’n uns wieder«, der zweite ein lustiger<br />
mit dem Text »Heult noch gar, wie alte Weiber«. Weil das Ganze von<br />
Mozart ist, ergänzen sich beide zu einem Quodlibet.<br />
Keine sechs Wochen später ist die Ära Doles endgültig Geschichte:<br />
Am 22. Juni unterschreibt Hiller seinen Anstellungsvertrag. Erstaunlich<br />
ist, dass sein Kontrakt ausdrücklich festlegt, dass er sich auf die<br />
Arbeit in den Kirchen zu konzentrieren habe und andere Dirigate<br />
genehmigen lassen müsse: Für den Arbeitgeber zweifellos ein Sicherheitsnetz,<br />
um zu verhindern, dass der umtriebige Musiker, der bereits<br />
Universitätsmusikdirektor, Musikdirektor der Neukirche, Gewandhauskapellmeister<br />
und Leiter der Musikübenden Gesellschaft gewesen<br />
ist, erneut musikalische Ämter anhäuft. Doch das Orchesterdirigieren<br />
kann Hiller eben nicht sein lassen, darum hilft er sich auf seine<br />
Weise. Er gründet ein Schulorchester und sieht den Instrumentalunterricht<br />
als zusätzlichen Schwerpunkt seiner pädagogischen Arbeit.<br />
Wie sonst ist es zu verstehen, was er 1793 in der Berliner Musikalischen<br />
Zeitung berichtet: »Unter meinen 56 jungen Leuten zwischen 13 und<br />
21 darf höchstens einer amusis sein; es befinden sich darunter mehrere<br />
Talente für das Klavier- und Orgelspiel, der eine der Schüler kann<br />
Pauke, ein anderer Bassposaune spielen; auch sind 5 gute Violinspieler<br />
und weitere 5–6 eifern ihnen nach! In den Übungsstunden Montag,<br />
Mittwoch und Freitag von 11–12 Uhr sind die Violinen wenigstens<br />
mit 10 Spielern besetzt, die Bratschen dreifach, die Bässe mit<br />
2 Contreviolones, 2 Violoncellen, 2 Fagotten. Dazu kommen 2 Flöten<br />
und 2 Waldhörner, so dass sich das Personale der Instrumente<br />
wenigstens auf 23 beläuft und für den <strong>Gesang</strong> der Chöre noch immer<br />
32 übrig blieben.« 100 Dass er mit diesem Ensemble ohne jede Hilfe<br />
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