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Leseprobe Gesang vom Leben

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umgebauten Gewandhaus ist, geht auf Müllers Wirken zurück. Auch,<br />

dass der aus Schlesien stammende Musiker später noch Organist der<br />

Neukirche wird, hat er der Fürsprache des Stadtoberhauptes zu verdanken.<br />

Bürgermeister Müller ist zudem klar, dass der Weggang seines<br />

Schützlings an den Kurländischen Hof in Mitau nicht von Dauer<br />

ist. Der Kontakt jedenfalls reißt niemals ab, und im Spätherbst 1788<br />

sendet Hiller eine Initiativbewerbung »für ein etwa frei werdendes<br />

Amt« nach Leipzig. Diese muss im Zusammenhang mit dem nur zwei<br />

Wochen später geschriebenen Brief an Reichardt gelesen werden:<br />

Zweifellos hat der Bürgermeister seinen Freund informiert, dass Thomaskantor<br />

Doles amtsmüde geworden sei und stellt Hiller sogleich<br />

dessen Stelle in Aussicht.<br />

Nachdem der 73-jährige Amtsinhaber Doles seinen Rücktritt<br />

anbietet, geht alles ganz schnell: Der Wunsch des Thomaskantors<br />

nach Ruhestandsbezügen von jährlich 400 Talern wird erfüllt,<br />

150 Taler davon muss sein Nachfolger aus eigener Tasche übernehmen.<br />

Noch im gleichen Monat wird Hiller einstimmig zum Thomaskantor<br />

gewählt, die Amtsübergabe wird aber erst für den 30. Juni 1789 angesetzt.<br />

Ein Glücksfall für Doles. Denn so steht er ganz am Ende seiner<br />

Amtszeit noch einmal im Mittelpunkt sich überschneidender Linien<br />

der Musikgeschichte: Im April und Mai schaut Wolfgang Amadeus<br />

Mozart zweimal in Leipzig vorbei, zum ersten Mal in seinem recht<br />

bewegten <strong>Leben</strong>. Doch der Komponist, der als Kind und Jugendlicher<br />

ganz Europa bereiste und dem das Publikum bereits in London,<br />

Paris und Mailand zu Füßen lag, ist nur auf der Durchreise. Der Wiener<br />

hat davon gehört, dass es im fernen Preußen einen spendablen<br />

König gäbe, der die Musik liebe. Keine Frage, dass sich der finanziell<br />

notorisch klamme Mozart Hoffnungen auf eine Belohnung für eine<br />

Komposition oder gar auf eine Anstellung in der Berliner Hofkapelle<br />

macht.<br />

Nach nicht einmal zwei Wochen ist der Traum jedoch ausgeträumt.<br />

Zu König Friedrich Wilhelm II. ist Mozart trotz eifrigster Bemühungen<br />

gar nicht erst vorgedrungen. Stattdessen sollte sich der königliche<br />

Cellolehrer Jean Pierre Duport des Gastes annehmen. Doch<br />

die beiden sind sich derart unsympathisch, dass Mozart es vorzieht,<br />

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