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Leseprobe Gesang vom Leben

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Bachpflege des 21. Jahrhunderts wieder näher an jene des 18. Jahrhunderts<br />

zu rücken.<br />

Leichter hingegen haben es jene Leipziger Musiker, die bereits<br />

zu DDR-Zeiten in der Nische Neue Musik heimisch sind. Das hat<br />

viele Gründe: Die Szene, die der offiziellen Kulturpolitik sowieso als<br />

wenig massenkompatibel gilt, wird in Leipzig nicht so scharf beobachtet<br />

wie in der Hauptstadt, wo vor allem nach der Biermann-Ausbürgerung<br />

im November 1976 die Grenzen zwischen den kulturellen<br />

Milieus fließender sind. Zudem sind hier die richtigen Leute an der<br />

richtigen Stelle, beispielsweise Herbert Kegel, der von 1949 bis 1977<br />

beim Rundfunk arbeitet, zuletzt ab 1960 als Chefdirigent des Rundfunksinfonieorchesters.<br />

1966 organisiert er die Doppelaufführung der<br />

Gemeinschaftskomposition Jüdische Chronik der Komponisten Paul<br />

Dessau, Karl Amadeus Hartmann, Hans Werner Henze und Rudolf<br />

Wagner-Régeny in Köln und Leipzig. Einen regelrechten Eklat gibt es<br />

nach der von ihm dirigierten DDR-Erstaufführung von Henzes Das<br />

Floß der Medusa, als die Kritik der Kulturfunktionäre zu Kegels Austritt<br />

aus dem Komponistenverband führt. Der charismatische Dirigent<br />

ist auch der geistige Vater der 1970 gegründeten Gruppe Neue<br />

Musik Hanns Eisler um die damals 27-jährigen Burkhard Glaetzner<br />

und Friedrich Schenker, die der zeitgenössischen Musik nicht nur in<br />

Leipzig, sondern im ganzen Land eine Heimat gibt.<br />

Die Vorarbeit dieses Kammermusikensembles beflügelt dann<br />

die nächste Generation, die wiederum einflussreiche Förderer in<br />

den ehrwürdigen Kulturstätten hat. Diesmal ist es Kurt Masur, der<br />

1988 dem 28-jährigen Steffen Schleiermacher den Auftrag gibt, eine<br />

Reihe mit Neuer Musik zu etablieren, was letztlich zur Gründung<br />

des Ensemble Avantgarde führt. Dessen Musica Nova-Konzerte im<br />

Gewandhaus begeistern zahlreiche Musikenthusiasten, die erstmals<br />

neueste west liche Musik live erleben dürfen, die sonst nur heimlich<br />

auf Tonbändern weitergegeben wird. Für die jungen Musiker kommt<br />

die Friedliche Revolution 1989 zur richtigen Zeit, denn nun erspielt<br />

sich das Ensemble auch über Leipzig hinaus einen Namen. Die Konzerte<br />

vor Ort jedoch, die der unkonventionell agierende Gründer als<br />

Moderator begleitet, werden nicht nur dank Schleiermachers flotter<br />

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