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Leseprobe Gesang vom Leben

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die Regelung, dass das Orchester nur gemeinsam engagiert werden<br />

dürfe.<br />

Zu dieser Zeit geben die Musiker ihre Konzerte bereits im Gewandhaus.<br />

Als dort am 25. November 1781 der neue Saal eingeweiht wird,<br />

überschlagen sich die Besucher vor Begeisterung. Schon dem Auge<br />

wird viel geboten: Die große Holzdecke lassen die Bauherren von<br />

Adam Friedrich Oeser ausschmücken. Am Fries des Hauptsimses über<br />

der Orgel prangt der Sinnspruch des römischen Philosophen Seneca<br />

»Res severa est verum gaudium«, der sich auf zweierlei Weise übersetzen<br />

lässt: »Eine ernste Sache ist eine wahre Freude« oder »Die wahre<br />

Freude ist eine ernste Sache«.<br />

Richtig enthusiastisch werden die Zuhörer angesichts der Akustik.<br />

Denn der Holzsaal fungiert als Resonanzkörper und wirkt wie<br />

ein Musikinstrument. Das lässt Musiker aus Nah und Fern schwärmen.<br />

Dem Geheimnis des warmen Klangs kommt man jedoch nie<br />

auf die Spur. Als der Konzertsaal erweitert wird, geht auch die phänomenale<br />

Akustik verloren – einer der Gründe dafür, warum 1884 ein<br />

Neues Gewandhaus gebaut wird. Das steht dann zwar nicht mehr an<br />

originaler Stelle, sondern am damaligen Stadtrand. Aber der Name<br />

des einstigen Messehauses der Tuchmacher hat sich längst als eigene<br />

Marke durchgesetzt, und das dort spielende Gewandhausorchester<br />

ist als ältestes bürgerliches Konzertorchester des deutschsprachigen<br />

Raumes anerkannt.<br />

Den ersten Musikdirektor und Gewandhauskapellmeister hält es<br />

jedoch nicht lange an seinem neuen Posten: Nach mehr als 26 Jahren<br />

in Leipzig legt Johann Adam Hiller 1785 alle musikalischen Ämter<br />

der Stadt nieder. Bereits seit drei Jahren leitet er die Hofkapelle im<br />

kurländischen Mitau, wohin er nun zunächst aufbricht. Doch auch<br />

dieser Posten scheint Hiller nicht auszufüllen. Schon im Jahr darauf<br />

kehrt er nach Leipzig zurück und sucht von hier aus in ganz Deutschland<br />

nach einer neuen Aufgabe. Letzten Endes wird er sie wieder in<br />

Leipzig finden – das passt zu jenem Künstler, der das musikalische<br />

<strong>Leben</strong> der Stadt im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts wie kein zweiter<br />

geprägt hat.<br />

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