06.04.2021 Aufrufe

279.TIROL - März 2021

Ausgabe 3, März 2021

Ausgabe 3, März 2021

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN
  • Keine Tags gefunden...

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

82 tirol.sozial tirol.sozial<br />

83<br />

ZUR AUTORIN<br />

DGKP MARTINA<br />

BACHLER<br />

Martina Bachler ist diplomierte<br />

Gesundheits- und Krankenschwester<br />

und seit 2019 bei der<br />

GemNova tätig. Sie verantwortet<br />

die Aus- und Weiterbildung im<br />

Bereich Pflege und ist mit ihrem<br />

umfangreichen Wissen eine Expertin<br />

auf ihrem Gebiet.<br />

Kontakt: m.bachler@gemnova.at<br />

Das Jahr 2020 hat sehr überzeugend<br />

gezeigt, welche<br />

Bedeutung Würde und Menschenrechte<br />

für den und im<br />

Beruf Pflege haben. Eine gute<br />

und von Transparenz gekennzeichnete<br />

Zusammenarbeit<br />

ist gerade beim Thema „FBM“<br />

daher zwischen Heimen und<br />

Bewohnervertretungen enorm<br />

wichtig! In meiner Wahrnehmung<br />

funktioniert die Synergie<br />

zwischen beiden erfreulich und<br />

mit gegenseitiger Achtung –<br />

zum Vorteil der bei uns lebenden<br />

Menschen. Dennoch denke<br />

ich, ein Mehr an Schulungen<br />

in dieser Sache wäre sehr<br />

willkommen und ist natürlich<br />

immer sinnvoll.<br />

RICHARD KUSTER,<br />

KLARAHEIM DER<br />

TERTIARSCHWESTERN<br />

SelbstbestimmTes<br />

Leben<br />

Ein Leben in Sicherheit mit Freiheit und Selbstbestimmung sind<br />

Qualitätsmerkmale unserer Gesellschaft. Qualitäten, die sich im<br />

zeitlichen Lebensablauf langsam auf- und wiederabbauen.<br />

Wir werden in der Sicherheit unseres<br />

Elternhauses geboren, und nach und nach<br />

übernehmen wir Selbstverantwortung. Freiheit<br />

ist uns dabei ein individuelles Bedürfnis<br />

in allen Lebenslagen. Ein Bedürfnis, das<br />

in seiner Stärke variiert. Es ist abhängig<br />

von unserer Persönlichkeit, den individuellen<br />

Lebenserfahrungen und der aktuellen<br />

Situation. Bedürfnisse sind nicht dauerhaft<br />

messbar vorhanden. Sie verändern sich im<br />

Laufe des Lebens.<br />

Freiheit im Erwachsenenleben ist geregelt.<br />

Gesellschaftliche Normen und Gesetze<br />

geben uns vor, was wir frei entscheiden<br />

und bestimmen. Wir kennen die Rahmenbedingungen<br />

und wissen genau, wo wir<br />

uns einfügen und unterordnen. So unterscheiden<br />

wir Arbeitszeiten von Freizeiten<br />

usw. Denken wir an unseren Lebenslauf.<br />

Wir starten mit wenig Freiheit und Selbstbestimmung,<br />

verbuchen jeden Schritt in<br />

unsere Selbstständigkeit als Erfolg bis in<br />

unser Erwachsenendasein. Und irgendwann<br />

– dreht sich das Blatt.<br />

Nach langer Zeit mit mehr oder weniger<br />

Selbstständigkeit beginnt der Alterungsprozess,<br />

wir werden körperlich und geistig<br />

schwächer, brauchen wieder Hilfe und<br />

Fürsorge. Das fällt uns schwer. Und dazu<br />

geben wir langsam unsere Freiheit und<br />

Selbstbestimmung, Schritt für Schritt, wieder<br />

ab.<br />

In unseren sozialen Einrichtungen werden<br />

hilfsbedürftige Menschen gepflegt und<br />

umsorgt. Sie erhalten Pflege in Form von<br />

Betreuung und Hilfe. Pflegekräfte machen<br />

jeden Tag aufs Neue eine professionelle<br />

Bestandsaufnahme: Wie viel Freiheit und<br />

Selbstbestimmung ist noch möglich? Ist<br />

„JEDER HAT DAS<br />

RECHT AUF LEBEN,<br />

FREIHEIT UND<br />

SICHERHEIT DER<br />

PERSON.“<br />

UN-MENSCHENRECHTS-<br />

CHARTA IN ARTIKEL 3<br />

Langzeitpflege in der Pandemie<br />

– eine Berufsgruppe muss sich<br />

neu erfinden …<br />

Unverzichtbar: eine Bildungsoffensive<br />

in der Qualitätssicherung<br />

Pflege und ein sensibles<br />

Abwägen zwischen „Bewohnergesundheit“<br />

versus „Bewohnerfreiheit“<br />

– Lebensqualität …<br />

MARTINA MAIR,<br />

WOHN- UND PFLEGEHEIM<br />

FLIRSCH<br />

ein ausreichendes Maß an Sicherheit<br />

gewährleistet? Wie groß ist die Sturzund<br />

Verletzungsgefahr? Eine tägliche<br />

Gratwanderung, bei der auch die eigenen<br />

Grenzen der Pflegekraft überschritten<br />

werden. Grenzen der Belastbarkeit …<br />

Pflegekräfte garantieren für die Sicherheit<br />

ihrer Schützlinge, haben die Aufgabe der<br />

professionellen Pflegeberatung, strukturieren<br />

den Pflegeplan, um Schäden zu vermeiden,<br />

helfen und beaufsichtigen, wann<br />

immer sie können. Was aber passiert mit<br />

jenen Menschen, die aufgrund einer psychischen<br />

Erkrankung oder geistigen Behinderung<br />

selbstgefährdend sind oder sogar<br />

OBEN:<br />

Frau Emmi Unterrainer mit<br />

der Bereichsleitung der Station<br />

„Sonnenplatzl“ Andrea<br />

Schwaiger (© Sabine Thaler)<br />

OBEN:<br />

Martina Mair (rechts) mit<br />

Kolleginnen aus ihrem Team<br />

im Wohn- und Pflegeheim<br />

Flirsch (© Martina Mair)<br />

andere Menschen gefährden? Jene, die<br />

eine Gefahr nicht mehr erkennen – wieviel<br />

Recht an Freiheit und Selbstbestimmung<br />

haben diese?<br />

Die Beachtung der Würde und der Menschenrechte<br />

ist die Aufgabe der professionellen<br />

Pflege. Sollte zur Erhaltung der<br />

Sicherheit eine gesetzlich legitimierte<br />

Freiheitsbeschränkung zur Anwendung<br />

kommen, dann immer nur mit jenen Mitteln,<br />

die diese Selbstbestimmung am<br />

wenigsten beeinträchtigen und die soziale<br />

Integrität und Menschenwürde erhalten.<br />

Für diese schwierigen pflegefachlichen<br />

Entscheidungen und Herausforderungen<br />

braucht es Erfahrung, Kommunikationsfähigkeit,<br />

Fachkenntnis zur Gesetzeslage, zur<br />

Dokumentation und vor allem Kenntnisse<br />

über alternative Pflegetechniken.<br />

GemNova bietet eine neue Fortbildungsreihe<br />

für Pflegekräfte in allen Einrichtungen:<br />

Pflege Online. Die Kurse sind als Blended<br />

Learning konzipiert und beinhalten die<br />

fachliche Begleitung beim Selbststudium,<br />

Online-Sprechstunden, praktische Reflexionen,<br />

Arbeitsaufträge und Praxisanleitung<br />

vor Ort in der Einrichtung. Der erste Kurs<br />

– freiheitseinschränkende Pflegemaßnahmen<br />

– gibt Klarheit über das Thema<br />

Freiheit und Selbstbestimmung und kann<br />

bereits gebucht werden.<br />

Ich bin DGKP und arbeite im Wohnund<br />

Pflegeheim Ebbs. In unserem<br />

Haus wird in vier Pflegeteams<br />

gearbeitet; es wohnen 97 Klient*innen<br />

im Haus. Seit <strong>März</strong> 2020 ist<br />

es für uns alle (Pflege, Verwaltung,<br />

Wirtschaftsbereich, Ergotherapie,<br />

Physiotherapie) eine besondere<br />

Herausforderung, aufgrund<br />

der Bestimmungen und Empfehlungen<br />

vom Land Tirol bezüglich<br />

Covid-19-Maßnahmen weiterhin<br />

gemeinsam gute Arbeit und Pflege<br />

zu leisten.<br />

In unserem Haus herrscht eine<br />

sehr hohe Wertschätzung gegenüber<br />

allen Mitarbeiter*innen.<br />

Somit ist es für uns alle wesentlich<br />

leichter, diese Krise zu überstehen,<br />

weiter ein „gemeinsames<br />

Miteinander“ zu leben und sich<br />

auch ständig weiterzuentwickeln.<br />

Besonders jetzt sind die Kontakte<br />

zu Angehörigen, die Gespräche<br />

mit Angehörigen sehr intensiv, und<br />

auch die Seelen der Bewohner*innen/Klient*innen<br />

benötigen nun<br />

vermehrt unsere ganze Zuwendung<br />

und Aufmerksamkeit. Ohne<br />

eine stabile Struktur des Heims,<br />

von Heimleiter, Pflegedienstleister,<br />

Bereichsleiter, wäre das nie möglich.<br />

Für mich sind Fort- und Weiterbildungen<br />

in ALLEN Bereichen sehr<br />

wichtig und notwendig, denn nur<br />

so kann Qualitätssicherung in der<br />

Pflege geleistet und der Austausch<br />

mit anderen Institutionen gelebt<br />

werden und können Diskussionen<br />

und Erfahrungsaustausch mit Kolleg*innen<br />

erfolgen. All dies kommt<br />

letztendlich unseren Klient*innen<br />

und allen Mitarbeiter*innen im<br />

Wohnheim zugute.<br />

SABINE THALER,<br />

WOHN- UND PFLEGEHEIM<br />

EBBS

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!