NoG Fachmagazin - August 2021 Ausgabe 2

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Maria (2½): Das Leben schreibt doch die schönsten Geschichten von Talira Tal Maria und ihr Bär: Winnie Puuh, so hätte ich gerne diesen Artikel genannt. Doch meistens kommt es anders, als man denkt. Ich sagte sofort zu, als Heike Goebel mich bat, meine wunderbare Erfahrung mit einer Familie in den Essener Praxisräumen schriftlich festzuhalten. „Du bist doch Schriftstellerin, bitte lass die Leser*innen doch an dieser wundervollen Begebenheit teilhaben.“ In der Tat ging ich mit Feuereifer an diese Aufgabe. Eine Geschichte zu schreiben, ist doch für mich das Einfachste auf der Welt. Als Autorin Talira Tal habe ich bereits diverse Romane und Kurzgeschichten veröffentlicht. Jetzt stelle ich fest, dass es richtig schwer ist, einen eigenen 16
Erlebnisbericht zu Papier zu bringen. Ich kam zu der Familie wie sprichwörtlich die Jungfrau zum Kinde. Als ich die 2,5 Jahre alte Maria coachen sollte, zweifelte ich an meinen Möglichkeiten, mit einem Kleinkind zu arbeiten. Zu der Zeit hätte ich mir nicht träumen lassen, wie sich dieses anfangs scheinbar unmögliche Coaching entwickeln würde. Die Erfahrungen lehrten mich noch mehr, dass alles seinen Sinn hat. Damals lauschte ich der Mutter, die meiner Kollegin von der geplanten Trennung von ihrem Mann, Marias Vater, erzählte und von ihren beruflichen Zukunftsplänen. Maria sollte dann, während sie wieder arbeitete, woanders untergebracht werden. „Nein!“, warf ich mein Veto ein. „Wenn das Kind jetzt schon so große Probleme mit nächtlichen Ängsten und Durchschlafschwierigkeiten hat, dann wird es nicht besser, wenn sie auch noch zu anderen Leuten in Obhut gegeben wird. Das kann ich für das Kind nicht für gutheißen.“ Ich dachte, das fängt ja gut an. Sicherlich will sie nun gar nicht mehr mit mir zusammenarbeiten. Aber es kam zum Glück anders und ich setzte mich hin und arbeitete eine therapeutische Gute-Nacht- Geschichte aus, die auf das Kind zugeschnitten war. Meine phantasievolle Geschichte, in der ihr liebster Bär Winnie Puuh natürlich die Hauptrolle hatte, beeindruckte die Kleine wenig. Stattdessen hatte ich ihre Mama mit der Geschichte tief berührt. Das aktuelle Problem der Kleinen war ein Junge in der Kita, der sie rüde behandelte und sogar biss. Maria hatte versucht, ihn aufzuhalten, indem sie ihm mit ihrem zarten Stimmchen sagte: „Nein! Stop! Ich will das nicht.“ Im Anschluss hatte sie der Kindergartenleitung den Vorfall geschildert. Diese hatte das Mädchen aber nicht ernst genommen, weil sie nicht geweint hätte. Ich übte daraufhin mit dem Kind ihre Worte zu schreien, damit jedem klar werden musste, dass Grenzen überschritten wurden. Der Mutter bot ich eine Kurzzeitpaartherapie an, an der am Ende eine glücklichere Ehe oder eine Trennung mit einem friedvollen Ritual warten würde. Sie erklärte, ihr Mann wolle keine Eheberatung mehr, und sie wolle nur noch von ihm weg. Daraufhin bot ich ein Familiencoaching an. Sie lehnte sofort ab. Sie wäre sich sicher, dass er daran auch kein Interesse hätte. Dann geschah das Wunder. Beim nächsten Mal begleitete der Vater seine Frau und seine Tochter. Ich freute mich noch mehr, als er erklärte, dass er neugierig auf mich geworden wäre, weil seine Tochter sich positiv gewandelt hätte. Auslöser wäre ein sehr lautes Schreien von ihr gewesen. Als er sie danach fragte, erklärte sie strahlend: „Tanja.“ Seine Frau erklärte ihm, dass das die Hausaufgabe von Tanja wäre, sich laut zu äußern, um ernst genommen zu werden. Das hatte ihn neugierig gemacht. Ab da kamen sie regelmäßig zu dritt. Eines Abends entlud sich die Spannung der Ehepartner, als er den Ball seiner Tochter einpackte und sie fragte: „Was hast du vor?“ Er: „Ich geh ein bisschen draußen damit spielen.“ Sie: „Bist du verrückt? Draußen regnet es in Strömen. Du wirst dich total einsauen. Warum bist du immer so dumm?“ Sie war außer sich und drehte sich wütend Richtung Wand. Er grinste schelmisch und als sie einfach rausrennen wollte, empfahl ich ihr, ihren Mann einmal anzuschauen. Nach einiger Überwindung tat sie es und wunderte sich, dass er sie liebevoll anlächelte. Er hatte nur gescherzt. Das und wahrscheinlich noch vieles andere, war ihr bei diesem Blick bewusst geworden, denn ab diesem Zeitpunkt änderte sich, nach einer kleinen Talfahrt im Kindergarten, die sie gemeinsam meisterten, alles. Das schönste Erlebnis war ein Foto der drei, unter dem stand: Danke, Tanja. Wir hatten einen fantastischen Geburtstag, dank dir. Wir hoffen, dass wir mit deiner Hilfe noch viele gemeinsame Momente erleben dürfen. Dieses Foto von der glücklichen Familie mit der Nachricht rührte mich zu Tränen. Letzte Woche war Maria mit ihrem Papa allein da. Sie berichtete mir, dass der Junge wieder beißt. Ich dachte, oh weh, hört das denn nie auf? Vorsichtig fragte ich nach, ob er sie schon wieder gebissen hätte. Sie schüttelte lachend den Kopf: „Wollte er. Aber ich habe ihm eins auf die Nase gehauen.“ Ich atmete erleichtert auf und bin mir sicher, dass sie kein Antiaggressionstraining benötigt. Wir kneten, malen und werkeln lieber. Der Vater erzählte mir von seiner neuen Arbeitsstelle, die ihn sehr glücklich macht, und dann beantwortete er mir meine Frage, was seine Frau denn jetzt machen könnte, um auch glücklich zu sein und sich entfalten zu können. Seine Worte waren mein Sahnehäubchen an diesem Abend. „Ja, sie hat eine Passion. Als ich sie kennenlernte, unterrichtete sie griechisch und dabei leuchteten ihre Augen so wundervoll. Ich werde sie dabei unterstützen. In der letzten Stunde baten mich die beiden um eine Eheberatung und nun fordere ich alle Leserinnen und Leser auf, mit mir gemeinsam auf ein Happy End der beiden zu hoffen. Vielen Dank!!! 17
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