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eine Naturkatastrophe, die wie ein Tsunami

über die Menschheit gekommen

ist. Sie ist ein soziales Übel. Das Virus

wird von Mensch zu Mensch übertragen.

Seine Ausbreitung wäre kaum so

rasch erfolgt, gäbe es nicht eine globalisierte

Ökonomie und einen internationalen

Tourismus.

In unserer im Mai 2021 gestarteten

Themenreihe THEOLOGIE IN DER ZEI-

TENWENDE lassen wir Theolog:innen

zu Wort kommen, die diese Plausibilitätskrise

der christlichen Botschaft

zum Ausgangspunkt ihres Denkens

machen. Wir wollen nach neuen Ansätzen

kirchlichen Sprechens und

Handelns suchen und die christliche

Botschaft für Menschen des 21. Jahrhunderts

anschlussfähig machen.

Unser Gesprächspartner in diesem

Halbjahr ist Hans-Joachim Höhn, Professor

für Systematische Theologie

und Religionsphilosophie am Institut

für Katholische Theologie der Universität

zu Köln. Akademiedozent Jens

Oboth sprach vorab mit dem Theologen,

in dessen Denken das Sprechen

über Gott in einer postsäkularen Zeit

eine zentrale Rolle spielt.

Foto: Dan Kuta / Photocase

Früher wurden

Naturkatastrophen und

Seuchen häufig religiös

gedeutet, beispielsweise

als Strafgericht Gottes für

begangene Sünden. Heute

würden wahrscheinlich

nur noch sehr wenige

Theolog:innen versuchen,

einen Zusammenhang zwischen

Gott und Corona herzustellen.

Hat die Pandemie auch eine

theologische Dimension?

Weithin übt sich die Theologie in Zurückhaltung,

das Virus als Überbringer

einer göttlichen Botschaft zu deuten.

Wer es dennoch versucht, steht in

der Gefahr, einen theologischen Kurzschluss

zu begehen. Denn für die Verbreitung

des Virus in immer neuen

Wellen ist zunächst der Mensch verantwortlich.

Die Pandemie ist nicht

Gott hat also mit dieser

Katastrophe nichts zu tun?

Es spricht wenig dafür, die Pandemie

als Offenbarung göttlichen Unmuts

über die Gottvergessenheit der Moderne

zu deuten. Derartige Versuche

hat man auch umgehend von vielen

Kanzeln dementiert: „Nein, Gott sitzt

nicht am Regiepult der Weltgeschichte

und ist dabei auf den Einfall gekommen,

den Menschen in eine Notlage

zu bringen, die ihn wieder beten lehrt.

Auf eine solche Idee würde der grundgütige

Gott niemals verfallen.“ Stattdessen

wurde versichert: „Der gute

und barmherzige Gott will nur Gutes.

Er ist uns immer nahe – in guten wie

in schlechten Zeiten.“ Aber gibt diese

Versicherung wirklich Halt? Oder bietet

sie nur einen schwachen Trost? Sie

ist eher eine fragwürdige Ausflucht als

eine überzeugende Auskunft. Wie lässt

sich denn eine Gegenwart Gottes, die

am Leiden nichts ändert, von einer Abwesenheit

Gottes unterscheiden?

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