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Highway – Ausgabe 06/21

Highway – Das Cannabismagazin

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Rechte, Pflichten, FALLSTRICKE<br />

ALBTRAUM<br />

HAUSDURCHSUCHUNG<br />

In vielen Fällen kann man schon damit rechnen,<br />

aber manchmal kommt sie auch ganz unerwartet:<br />

die polizeiliche Hausdurchsuchung.<br />

Doch egal, ob man etwas zu verbergen hat oder<br />

nicht, über das Eindringen fremder Personen<br />

in die eigene Wohnung ist niemand erfreut. In<br />

Deutschland werden jährlich tausende Cannabiskonsumenten<br />

wegen kleinerer Delikte<br />

vor Gericht gebracht und hart bestraft. Was<br />

müssen sich Cannabisfreunde aufgrund der<br />

veralteten Gesezetzgebung bieten lassen und<br />

was nicht?<br />

Unser Autor Ico de Niroll klärt diese und<br />

weitere Fragen im Gespräch mit Rechtsanwalt<br />

Ralph Querbach.<br />

Laut Polizeilicher Kriminalstatistik<br />

wurden etwa im<br />

Jahr 2019 stolze 225.120<br />

Strafverfahren wegen Cannabis<br />

eröffnet. Knapp 83<br />

Prozent davon, also über 186.000<br />

Strafverfahren, richteten sich dabei<br />

gegen einfache Konsumenten.<br />

Rund zwei Drittel aller Drogenfälle<br />

vor Gericht stehen im Zusammenhang<br />

mit Cannabis. Aus dem Bundeslagebild<br />

zur Rauschkriminalität<br />

2020 geht hervor, dass die Anzahl<br />

der Cannabis-Handelsdelikte im<br />

Jahr 2020 mit 31.961 Fällen um 1,5<br />

Prozent gegenüber zum Vorjahr<br />

angestiegen ist. Der Anteil dieser<br />

an allen Drogen-Handelsdelikten<br />

betrug 58,8 Prozent, womit Cannabis<br />

das mit Abstand meist gehandelte<br />

illegale Betäubungsmittel in<br />

Deutschland bleibt. Und gerade in<br />

solchen Betäubungsmittelverfahren<br />

wird durch die Ermittlungsbehörden<br />

das gesamte Portfolio<br />

Ralph Querbach<br />

strafprozessualer Ermittlungsmaßnahmen<br />

(zum Beispiel Hausdurchsuchung,<br />

Telefonüberwachung und<br />

andere verdeckte Maßnahmen)<br />

genutzt. Doch was bedeutet das eigentlich<br />

für die Betroffenen selbst?<br />

Wie wird eine solche richterlich angeordnete<br />

Durchsuchungsmaßnahme<br />

ausgeführt und welche Rechte<br />

sowie Pflichten sind zu beachten?<br />

Das wollten wir einmal von einem<br />

Fachmann erfahren und so hat<br />

sich die <strong>Highway</strong>-Redaktion mit<br />

dem langjährig auf Betäubungsmittelstrafrecht<br />

(§§ 29 ff. BtMG)<br />

spezialisierten Rechtsanwalt Ralph<br />

Querbach in seiner Kanzlei inmitten<br />

von Koblenz getroffen.<br />

Guten Tag Herr Querbach, vielen<br />

Dank für Ihre Zeit. Viele Cannabis-Konsumenten<br />

stehen irgendwann<br />

vor dem großen Problem,<br />

dass ihnen die Tür eingetreten<br />

wird und die Kripo-Beamten in<br />

der Wohnung stehen. Wer ordnet<br />

eine solche Hausdurchsuchung eigentlich<br />

an?<br />

Sehr gerne. In der Tat kommen<br />

viele meiner Mandanten auf mich<br />

zu und fragen mich, wie es zu<br />

einer Hausdurchsuchung kommen<br />

konnte und welchen Hintergrund<br />

eine solche Maßnahme<br />

hat. Grundsätzlich wird die Hausdurchsuchung<br />

durch einen Richter<br />

angeordnet, meistens auf Antrag<br />

der Staatsanwaltschaft. Dafür müssen<br />

bestimmte Voraussetzungen<br />

vorliegen. Hier unterscheidet man<br />

bei den Wohnungsdurchsuchungen<br />

und Hausdurchsuchungen bezüglich<br />

der Durchsuchung beim Verdächtigen<br />

gemäß § 102 StPO und<br />

bezüglich der Durchsuchung bei einer<br />

unverdächtigen Person gemäß §<br />

103 StPO. Die Durchsuchung nach<br />

§ 102 StPO hat den Zweck, dass<br />

entweder Beweismittel aufgefunden<br />

werden oder der Beschuldigte<br />

ergriffen wird. Wenn allerdings<br />

eine Sache eindeutig einer anderen<br />

Person als dem Beschuldigten zuzuordnen<br />

ist bzw. eindeutig einer<br />

anderen Person gehört, darf diese<br />

Sache nicht durchsucht werden<br />

und es greift in diesem Fall § 103<br />

StPO. Beispiele dazu sind der Arbeitsplatz<br />

oder die Gewerberäume<br />

des Arbeitgebers des Verdächtigen.<br />

Eine Durchsuchung einer anderen<br />

Person ist nur dann durchzuführen,<br />

wenn diese zur Ergreifung des<br />

Verdächtigen oder aber zum Auffinden<br />

bestimmter Gegenstände<br />

sowie Spuren führen könnte. Im<br />

Rahmen erfolgter Durchsuchungsmaßnahmen<br />

gibt es immer wieder<br />

sogenannte Zufallsfunde nach<br />

§ 108 StPO. Sie stehen in keiner<br />

Beziehung zu der angeordneten<br />

Untersuchung und bei Vorliegen<br />

der Vorraussetzungen des § 108<br />

StPO dürfen die aufgefundenen<br />

Gegenstände beschlagnahmt werden,<br />

zum Beispiel Baseballschläger,<br />

Springmesser, Klappmesser<br />

oder andere aufgefundene, verbotene<br />

Waffen nach dem Waffengesetz.<br />

Ist eine Hausdurchsuchung ohne<br />

Durchsuchungsanordnung<br />

erlaubt?<br />

Bei der Durchsuchung stellt sich<br />

häufig die Frage der Gefahr im<br />

Verzug. Dieser Begriff beschreibt<br />

die Notwendigkeit eines sofortigen<br />

Handelns, um einen Schaden abzuwenden.<br />

Die Kriminalpolizeibeamten<br />

gehen dann ohne einen richterlichen<br />

Durchsuchungsbeschluss<br />

in die Wohnung, haben allerdings<br />

auf Grund einer Verdachtslage,<br />

die sich vor Ort ergeben hat, einen<br />

konkreten Tatverdacht. Beispielsweise<br />

könnte Grund zu der<br />

Annahme bestehen, dass sich ein<br />

Verdächtiger der Beweismittel entledigt.<br />

Die Polizeibeamten müssen<br />

dann schnellstmöglich versuchen,<br />

die richterliche Anordnung über<br />

die Staatsanwaltschaft zu erhalten,<br />

dürfen aber die Wohnung betreten<br />

und die Beweismittel sicherstellen.<br />

Diese Anordnungen können auch<br />

mündlich ergehen. Der Ermittlungsrichter<br />

fertigt dann später eine<br />

schriftliche Verfügung zur Akte.<br />

Hierbei gelten jedoch strenge Anforderungen.<br />

Bloße Vermutungen,<br />

Spekulationen und hypothetische<br />

Erwägungen reichen dabei nicht<br />

aus. Die Gefahr muss sich als erheblich<br />

darstellen, um bei Gefahr<br />

im Verzug agieren zu dürfen. Der<br />

Grundsatz der Verhältnismäßigkeit<br />

muss gewahrt werden. Denn auch<br />

der Polizeibeamte darf bei seinem<br />

Handeln im Hinblick auf den möglichen<br />

Schaden nicht unverhältnismäßig<br />

agieren. Die Maßnahme ist<br />

nicht mehr verhältnismäßig, wenn<br />

die Schwere des Delikts sehr geringfügig<br />

ist oder das Handeln der<br />

Polizeibeamten zu einer Gefährdung<br />

der Existenzgrundlage führt.<br />

Und das geht alles so einfach?<br />

Was ist zum Beispiel, wenn man<br />

in Sachen Betäubungsmittel noch<br />

nie straffällig geworden ist und<br />

dennoch plötzlich eine Hausdurchsuchung<br />

an- und die Kripo<br />

somit vor der Tür steht? Nehmen<br />

wir an, mein Name kommt in einem<br />

Chat vor, unabhängig, ob ich<br />

in Verbindung zu den Taten stehe<br />

oder nicht. Was passiert dann?<br />

Es muss ein Verdacht bestehen, der<br />

auf konkreten Tatsachen gründet.<br />

Ein Chat wie in dem gerade genannten<br />

Beispiel kann unter Umständen<br />

dafür ausreichen. Damit<br />

kann der Kriminalbeamte über das<br />

Handy, das er dem Beschuldigten<br />

abgenommen hat, einen Chatverlauf<br />

einsehen, in dem beispielsweise<br />

eine dritte Person „bring mir<br />

mal ein Gramm“ geschrieben hat.<br />

Dies reicht dem Durchsuchungsbeamten<br />

dann grundsätzlich als<br />

Verdachtslage aus und er gibt diese<br />

so erlangten Informationen an die<br />

Staatsanwaltschaft weiter, die wiederum<br />

Kontakt zum zuständigen<br />

Ermittlungsrichter herstellt. Der<br />

Ermittlungsrichter ist verpflichtet,<br />

die Voraussetzungen der Durchsuchungsmaßnahme<br />

zu überprüfen.<br />

HIGHWAY <strong>06</strong>/<strong>21</strong> 39

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