26.10.2021 Aufrufe

Highway – Ausgabe 06/21

Highway – Das Cannabismagazin

Highway – Das Cannabismagazin

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN
  • Keine Tags gefunden...

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

im unerlaubten Besitz von zwei<br />

Gramm Cannabis gewesen ist, wie<br />

lange er bereits Betäubungsmittel<br />

konsumiert. Ohne nachzudenken<br />

antwortet der Beschuldigte, dass<br />

er seit ungefähr einem Jahr Cannabis<br />

konsumiert. Die nächste<br />

Frage des Vernehmungsbeamten<br />

zielt dann auf die Häufigkeit der<br />

Erwerbshandlungen ab. Beispielsweise<br />

fragt der Polizeibeamte, wie<br />

oft der Beschuldigte in der Woche<br />

oder im Monat Betäubungsmittel<br />

kauft. Der Beschuldigte antwortet,<br />

dass er etwa einmal in der Woche<br />

ein bis zwei Gramm Cannabis erwirbt.<br />

Daraus errechnet der Vernehmungsbeamte<br />

über die Dauer<br />

von dem vom Beschuldigten in<br />

diesem Beispiel genannten Jahr (52<br />

Wochen) dann etwa insgesamt 52<br />

strafbare Erwerbshandlungen zu je<br />

zwei Gramm Cannabis!<br />

Am Ende der Vernehmung<br />

unterschreibt der Beschuldigte<br />

das Vernehmungsprotokoll und<br />

verlässt die Dienststelle. Von den<br />

so gemachten Angaben wird sich<br />

der Beschuldigte nur sehr schwer<br />

wieder lösen können. Somit wird<br />

im Zweifelsfall gegen einen solchen<br />

Ersttäter regelmäßig keine Geldstrafe<br />

mehr verhängt, sondern aufgrund<br />

der hohen Anzahl der einzelnen<br />

strafbaren Handlungen eine<br />

Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgeurteilt<br />

werden! Dieses Beispiel<br />

zeigt deutlich den Unterschied<br />

zum Verhalten des Beschuldigten,<br />

der sich schweigend verteidigt, im<br />

Verhältnis zu dem Beschuldigten,<br />

der sich als nicht erfahrener Ersttäter<br />

zur Durchführung der Beschuldigtenvernehmung<br />

entscheidet. Es<br />

gilt meines Erachtens somit der<br />

wichtige Grundsatz „Schweigen ist<br />

Gold“. Deshalb rate ich stets, den<br />

gewählten Strafverteidiger frühestmöglich<br />

zu beauftragen. Viele Beschuldigte<br />

scheuen die Kosten der<br />

Beauftragung eines Verteidigers.<br />

Letztlich geht diese Rechnung oftmals<br />

nicht auf, sofern der Beschuldigte<br />

versucht, sich alleine und eigenständig<br />

zu verteidigen.<br />

Was passiert eigentlich mit den<br />

Beweismitteln von Betäubungsmitteln?<br />

Und worin besteht eigentlich<br />

der Unterschied im Umgang<br />

mit einer geringen Menge<br />

von Betäubungsmitteln (§ 29<br />

Abs. 1 BtMG) und der sogenannten<br />

nicht geringen Menge von Betäubungsmitteln?<br />

„Grundsätzlich wird zur quantitativen<br />

Bestimmung des Wirkstoffgehaltes<br />

der aufgefundenen<br />

Betäubungsmittel ein Sachverständigengutachten<br />

eingeholt. Dies gilt<br />

in erster Linie für größere Mengen<br />

an Betäubungsmitteln. Eine<br />

Schätzung ist (meistens) nicht<br />

ausreichend. Es wird regelmäßig<br />

ein Behördengutachten eines<br />

Sachverständigen (beispielsweise<br />

eines Diplom-Chemikers des Landeskriminalamts<br />

Rheinland-Pfalz)<br />

erstellt. Der Sachverständige hat<br />

zu überprüfen, wie viel Wirkstoff<br />

sich in der aufgefundenen Menge<br />

Betäubungsmittel befindet und<br />

um welche Betäubungsmittel es<br />

sich im Einzelnen handelt. Der<br />

Sachverständige kontrolliert die<br />

Betäubungsmittel in einem Labor.<br />

Die angewandten Untersuchungsverfahren<br />

sind zum einen<br />

die Hochleistungsflüssigkeitschromatographie<br />

und zum anderen<br />

die Gaschromatographie. Es wird<br />

jedoch oft davon abgesehen, ein<br />

solches Gutachten einzuholen,<br />

sofern zu Gunsten des Beschuldigten<br />

davon ausgegangen wird,<br />

dass die sogenannte nicht geringe<br />

Menge im zu beurteilenden Fall<br />

nicht überschritten worden ist.<br />

Hierbei wird nicht auf die tatsächliche<br />

Gewichtsmenge abgestellt,<br />

sondern auf die reine Wirkstoffmenge.<br />

Für den Umgang mit einer<br />

„nicht geringen Menge“ von Betäubungsmitteln<br />

ist gemäß § 29 a<br />

Abs. 1 Nr. 2 BtMG eine Strafe von<br />

nicht unter einem Jahr (Verbrechenstatbestand)<br />

vorgesehen. Es<br />

droht demnach eine Freiheitsstrafe<br />

bis zu 15 Jahren. Die sogenannte<br />

nicht geringe Menge im Sinne<br />

des § 29 a Abs. 1 Nr. 2 BtMG<br />

beginnt bei Cannabisprodukten<br />

nach ständiger Rechtsprechung bei<br />

500 Konsumeinheiten zu 15 Milligramm<br />

THC, also ab 7,5 Gramm<br />

THC-Wirkstoff. Einfacher ausgedrückt<br />

bedeutet dies, dass bereits<br />

eine Menge von 100 Gramm Marihuana<br />

oder Haschisch mit einem<br />

durchschnittlichen Wirkstoffgehalt<br />

zur Verhängung einer Freiheitsstrafe<br />

im gerichtlichen Verfahren führen<br />

kann. Wird der Grenzwert der<br />

sogenannten nicht geringen Menge<br />

dagegen nicht erreicht, droht das<br />

Gesetz in § 29 Abs. 1 BtMG einen<br />

deutlich geringeren Strafrahmen<br />

an, nämlich Freiheitsstrafe bis zu<br />

fünf Jahren oder Geldstrafe. Bei<br />

der Wirkstoffbestimmung wird<br />

auch die sogenannte Messunsicherheit<br />

von zehn Prozent berücksichtigt.<br />

Dies kann bei der Beurteilung<br />

des einschlägigen Straftatbestandes<br />

ein wichtiger Faktor sein. Im Strafverfahren<br />

entscheidet häufig letztendlich<br />

das Wirkstoffgutachten<br />

über die Frage, ob es sich um Cannabis<br />

von schlechter Qualität, von<br />

mittlerer Qualität oder von guter<br />

Qualität handelt und aus welchem<br />

Strafrahmen eine entsprechende<br />

Rechtsfolge in Form der Sanktionierung<br />

zu wählen ist.<br />

Fazit<br />

Viel zu oft geraten Konsumenten<br />

kleinerer Mengen Betäubungsmittel<br />

ins Visier der Ermittlungsbehörden<br />

und sind fragwürdigen<br />

Maßnahmen ausgesetzt. Die<br />

Durchsuchungsmaßnahmen wecken<br />

Ängste und das Gefühl, der<br />

Staatsgewalt hilflos ausgeliefert<br />

zu sein. Sie sind wie ein wiederkehrender<br />

Albtraum, aus denen<br />

sich viele Probleme und Fragen<br />

ergeben. Im Fadenkreuz eines<br />

Ermittlungsverfahrens steht man<br />

schneller als gedacht. Dabei sollte<br />

man sein Schicksal nicht dem<br />

Zufall überlassen. Es ist wichtig,<br />

dass man seine Rechte als Beschuldigter<br />

kennt und umgehend einen<br />

Strafverteidiger kontaktiert. Denn<br />

mit einer Hausdurchsuchung versucht<br />

zum Beispiel die Staatsanwaltschaft<br />

Beweismittel und Informationen<br />

für ein Strafverfahren<br />

zu beschaffen oder eine Person<br />

ausfindig zu machen. Strafverteidiger<br />

und Rechtsanwälte erleben<br />

immer wieder, dass Mandanten<br />

sich durch ihr Verhalten während<br />

einer Durchsuchung selbst schaden.<br />

Daher soll noch einmal zusammengefasst<br />

werden, wann es<br />

zu einer Hausdurchsuchung kommen<br />

kann und welche Fehler man<br />

dabei keinesfalls machen sollten.<br />

Durchsuchungen sind zulässig<br />

aufgrund richterlichen Beschlusses<br />

oder <strong>–</strong> ausnahmsweise <strong>–</strong> bei Gefahr<br />

im Verzug.<br />

Es ist wichtig, dass<br />

man in solch einer Situation stets<br />

die Fassung bewahrt, keinen Widerstand<br />

leistet und die Durchsuchung<br />

nicht behindert. Auch<br />

sollte man sich von den Beamten<br />

nicht unter Druck setzen lassen<br />

oder in einen „Smalltalk“ verwickeln<br />

lassen. Jeder hat das Recht<br />

zu schweigen und das sollte auch<br />

unbedingt genutzt werden! Denn<br />

durch bestimmte Verhaltensweisen<br />

und Äußerungen macht man sich<br />

bei einer Durchsuchung oder Beschlagnahme<br />

angreifbar und sorgt<br />

im schlimmsten Fall für zusätzliche<br />

Anklagepunkte. Einer der wichtigsten<br />

Grundsätze lautet, einen Anwalt<br />

zu kontaktieren. Jeder hat das<br />

Recht, auch während der Durchsuchung<br />

zu telefonieren. Daher sollte<br />

man die Herausgabe des Durchsuchungsbeschlusses<br />

einfordern und<br />

diesen aufmerksam durchlesen.<br />

Häufig wird auch eine Kopie ausgehändigt.<br />

Ansonsten darf man<br />

eine Kopie anfertigen oder den<br />

Beschluss fotografieren. Es sollte<br />

darauf bestanden werden, dass<br />

bei der Durchsuchung ein Zeuge<br />

zugegen ist <strong>–</strong> Familienangehörige,<br />

Mitbewohner oder ein Nachbar<br />

beispielsweise. Zudem sollte man<br />

festhalten, wer die Durchsuchung<br />

vornimmt: dazu lässt man sich den<br />

Dienstausweis des leitenden Beamten<br />

zeigen und notiert sich den<br />

Namen. Auch sollte man auf eine<br />

vollständige Liste der Gegenstände,<br />

die die Beamten mitnehmen,<br />

bestehen. Jede Information, die<br />

man seinem Verteidiger übergeben<br />

kann, ist wichtig. Das Ziel einer<br />

Strafverteidigung ist eine zeitnahe<br />

Verfahrensbeendigung, wenn möglich<br />

noch im Ermittlungsverfahren,<br />

um eine belastende und kostenintensive<br />

Hauptverhandlung für den<br />

Beschuldigten zu vermeiden.<br />

Auch ohne Wissen<br />

der Betroffenen darf die Strafverfolgungsbehörde<br />

deren Telekommunikation<br />

überwachen und<br />

aufzeichnen. Durch diese Telekommunikationsüberwachung<br />

(TKÜ) kann die Staatsanwaltschaft<br />

Beweise erlangen. Da die<br />

TKÜ in den privaten Lebensbereich<br />

des Betroffenen und Dritter<br />

eingreift, sind an ihren Einsatz<br />

strenge Anforderungen gestellt.<br />

Die Telekommunikationsüberwachung<br />

ist nur beim Verdacht<br />

schwerer Straftaten zulässig und<br />

darf nur durch das zuständige<br />

Gericht angeordnet werden. Übrigens:<br />

bei einer Vorladung durch<br />

die Polizei muss man als Beschuldigter<br />

nicht erscheinen, auch<br />

wenn das behördliche Schreiben<br />

diesen Eindruck erwecken mag.<br />

Erst wenn man von der Staatsanwaltschaft<br />

oder dem Ermittlungsrichter<br />

geladen wird, muss<br />

man der Vorladung folgen. Auch<br />

hier gilt es dann, umgehend einen<br />

Strafverteidiger zu kontaktieren,<br />

bevor man eine Aussage macht<br />

oder eine Sacheinlassung abgibt<br />

und sich selbst belastet. Ein Anwalt<br />

kann dann den Termin absagen<br />

und zunächst Einsicht in die<br />

amtliche Ermittlungsakte bei der<br />

zuständigen Behörde beantragen.<br />

Erst die Einsichtnahme in die<br />

Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft<br />

oder in die Gerichtsakte bietet<br />

Gewähr für eine bestmögliche,<br />

individuelle Verteidigung.<br />

HIGHWAY <strong>06</strong>/<strong>21</strong> 45

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!