Highway – Ausgabe 06/21
Highway – Das Cannabismagazin
Highway – Das Cannabismagazin
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Gibt es einen auf konkrete Tatsachen<br />
gestützten Tatverdacht? Ist<br />
der Beschuldigte auch die richtige<br />
Person? Ist die Maßnahme verhältnismäßig?<br />
Über eine fehlende Verhältnismäßigkeit<br />
kann man zum<br />
Beispiel dann streiten, wenn es in<br />
dem gerade beispielhaft geschilderten<br />
Fall um ein bis zwei Gramm<br />
Haschisch geht. Denn die Frage<br />
lautet: Ist es noch gerechtfertigt,<br />
bei Vorliegen einer Verdachtslage<br />
betreffend den unerlaubten Besitz<br />
von einem Gramm Haschisch eine<br />
Durchsuchungsmaßnahme zu beantragen?<br />
Ich denke: Nein!<br />
In der Praxis passiert<br />
das natürlich häufig und insbesondere<br />
hier in Rheinland-Pfalz erlebe<br />
ich einige Ermittlungsrichter, die<br />
Durchsuchungsbeschlüsse sehr<br />
schnell und offensichtlich ohne die<br />
erforderliche umfassende Prüfung<br />
erlassen und ausfertigen. Nach<br />
meinen Erfahrungswerten ist es<br />
problematisch, dass die Stellen in<br />
der Justiz, bei der Kriminalpolizei<br />
usw. nicht vollständig besetzt sind,<br />
sondern oftmals Personalmangel<br />
herrscht. Deshalb werden meines<br />
Erachtens einige Maßnahmen zu<br />
schnell und nach unzureichender<br />
Prüfung durchgeführt und angeordnet.<br />
Eine Durchsuchungsmaßnahme<br />
bedeutet stets einen<br />
Eingriff in den grundgesetzlich<br />
geschützten Bereich der Wohnung<br />
(Art. 13 Grundgesetz). Die Anordnung<br />
der Entnahme einer Blutprobe<br />
bedeutet stets einen Eingriff in<br />
die körperliche Unversehrtheit des<br />
Beschuldigten (Art. 2 GG). Der<br />
Polizist führt die Entnahme der<br />
Blutprobe nicht selbst durch, aber<br />
er ordnet diese Maßnahme an. Mit<br />
der Anordnung kann sich der Polizist<br />
unter Umständen strafbar machen,<br />
wenn die Voraussetzungen<br />
<strong>–</strong> für ihn sichtbar <strong>–</strong> nicht vorliegen.<br />
Und was ist, wenn kein konkreter<br />
Verdacht vorliegt? Darf man<br />
aufgrund seines Umfelds in Sippenhaft<br />
genommen werden? Darf<br />
man durchsucht werden, weil<br />
etwa Freunde auffällig geworden<br />
sind?<br />
Eine solche Begründung reicht für<br />
einen Durchsuchungsbeschluss<br />
nicht aus. Nehmen wir einmal an,<br />
Ihre beiden besten Freunde sind<br />
amtsbekannt und als tägliche Konsumenten<br />
illegaler Drogen unterwegs.<br />
Ihre Freunde konsumieren<br />
täglich fünf Gramm Marihuana.<br />
Sie selbst sind aber seit zwei Jahren<br />
abstinent und verbringen lediglich<br />
Zeit mit Ihren Freunden, sind gemeinsam<br />
mit diesen im Auto unterwegs.<br />
In diesem Fall können Sie<br />
nicht gleichgesetzt werden mit den<br />
Konsumenten. Im deutschen Strafrecht<br />
ist es wichtig, zwischen Konsum<br />
illegaler Drogen (der in der<br />
Regel straffrei ist) und dem unerlaubten<br />
Besitz von Betäubungsmitteln<br />
im Sinne des BtMG sowie dem<br />
unerlaubten Erwerb von Betäubungsmitteln<br />
(der strafbar ist) zu<br />
unterscheiden. Der juristische Laie<br />
fragt sich zwangsläufig: „Wie kann<br />
ich unerlaubt Betäubungsmittel besitzen<br />
oder erwerben, aber gleichzeitig<br />
straffrei konsumieren?“.<br />
Dies ist natürlich möglich. Ein<br />
klassisches Beispiel aus der Praxis<br />
ist die sogenannte Konsumrunde:<br />
fünf Freunde konsumieren zusammen<br />
Marihuana. Einer dieser<br />
fünf Freunde hatte das Marihuana<br />
unerlaubt erworben. Damit sind<br />
vier Personen der Konsumrunde<br />
straffrei, weil diese ausschließlich<br />
Konsumenten sind. Derjenige der<br />
die Betäubungsmittel allerdings<br />
erworben hat und in die Konsumrunde<br />
einbringt, macht sich strafbar,<br />
weil er die Betäubungsmittel<br />
zuvor unerlaubt erworben und<br />
zudem unerlaubt an seine Freunde<br />
abgegeben hat. In diesem Zusammenhang<br />
stellt sich natürlich bei<br />
THC-haltigen Betäubungsmitteln<br />
die Frage nach der Menge der zur<br />
Verfügung gestellten Drogen und<br />
die Frage wie oft der Erwerber dies<br />
bereits praktiziert hat.<br />
Anders sieht es jedoch<br />
bei der Führerscheinproblematik<br />
aus. Dort ist es umgekehrt. Dort<br />
spielt der Konsum illegaler Betäubungsmittel<br />
eine wichtige Rolle für<br />
die Beurteilung der Fähigkeit zum<br />
zuverlässigen Führen eines Kraftfahrzeuges<br />
im öffentlichen Straßenverkehr.<br />
Dies hat mit der eigentlich<br />
strafbaren Handlung (unerlaubter<br />
Besitz von Betäubungsmitteln)<br />
nichts zu tun. Erst der Konsum<br />
illegaler Substanzen gemäß Anlage<br />
zur Fahrerlaubnis-Verordnung<br />
führt dazu, dass der Körper eine<br />
Einwirkung erfährt (physisch oder<br />
psychisch), die man merkt und die<br />
Auswirkungen auf die Fähigkeit<br />
zum Führen eines Kraftfahrzeuges<br />
hat. Nur am Rande sei darauf<br />
hingewiesen, dass Konsumenten<br />
sogenannter harter Drogen demnach<br />
grundsätzlich zum Führen<br />
eines Kraftfahrzeuges ungeeignet<br />
sind und diesen Konsumenten auf<br />
dem Verwaltungsrechtsweg die<br />
Fahrerlaubnis entzogen wird mit<br />
der Konsequenz, dass diese Konsumenten<br />
nach dem Nachweis einer<br />
längeren Abstinenzzeit eine medizinisch-psychologische<br />
Untersuchung<br />
(MPU) ablegen müssen.<br />
Welche Rechte hat man als Betroffener<br />
während der Durchsuchung?<br />
Dürfen die Beamten<br />
einfach selbstständig in die Wohnung<br />
kommen <strong>–</strong> etwa aus Sorge<br />
vor Beweismittelverlust?<br />
Ich bin der Auffassung, dass<br />
Folgendes im Falle einer Wohnungsdurchsuchung<br />
zu beachten<br />
ist: Erstens sollten sich die nicht<br />
uniformierten Polizeibeamten bei<br />
Beginn der Maßnahme ausweisen.<br />
Zweitens müssen Ihnen die Polizeibeamten<br />
eine Ausfertigung des<br />
Durchsuchungsbeschlusses aushändigen.<br />
Der Durchsuchungsbeschluss<br />
ist grundsätzlich sechs Monate<br />
gültig ab Ausstellungsdatum.<br />
Als Beschuldigter sollten Sie diesen<br />
Durchsuchungsbeschluss vollständig<br />
und sorgfältig durchlesen. Es<br />
geht im Rahmen der Anordnung<br />
der Durchsuchung durch einen<br />
Ermittlungsrichter auch darum,<br />
welche Räumlichkeiten innerhalb<br />
der Wohnung durchsucht werden<br />
dürfen. Wenn Sie alleine leben,<br />
dürfte dies unproblematisch sein.<br />
Die komplette Wohnung inklusive<br />
Keller werden in der Regel von<br />
dem Durchsuchungsbeschluss erfasst.<br />
In den rheinland-pfälzischen<br />
Beschlüssen wird häufig auch die<br />
Anordnung zur Durchsuchung der<br />
Kraftfahrzeuge des Beschuldigten<br />
erteilt. Bei Wohngemeinschaften<br />
ist es hingegen schon schwieriger,<br />
denn dann dürfen ausschließlich<br />
diejenigen Räumlichkeiten durchsucht<br />
werden, die vom Beschuldigten<br />
tatsächlich genutzt werden.<br />
Gemeinschaftsräume wie Küche<br />
und Bad und gemeinschaftlich<br />
genutzter Keller sowie natürlich<br />
das vom Beschuldigten genutzte<br />
WG-Zimmer.<br />
Zu den Rechten des Beschuldigten:<br />
Natürlich haben Sie<br />
das Recht, anwesend zu sein und<br />
jeden Schritt der Polizeibeamten<br />
zu kontrollieren. Auch die Zimmer<br />
sollten ausschließlich in Ihrer<br />
Anwesenheit durchsucht werden.<br />
Außerdem dürfen und sollten Sie<br />
einen „Durchsuchungszeugen“<br />
hinzuziehen. Das kann ein Angehöriger<br />
sein, die Ehefrau, der<br />
Ehemann oder beispielsweise ein<br />
Nachbar. Allerdings machen viele<br />
Beschuldigte davon keinen Gebrauch,<br />
weil sie sich schlichtweg<br />
schämen. Das erlebe ich in meiner<br />
täglichen Praxis immer wieder.<br />
Stellen Sie sich beispielsweise vor,<br />
Sie wohnen mit Ihrer Familie in<br />
einer dörflichen Gemeinde und Ihr<br />
15-jähriger Sohn macht erstmals<br />
seine Erfahrungen mit Cannabis<br />
oder anderen THC-Produkten.<br />
Plötzlich taucht die Kriminalpolizei<br />
auf. In diesem Fall sind die<br />
Eltern sicherlich froh, wenn die<br />
Polizeibeamten das Haus wieder<br />
verlassen haben und die eingesetzten<br />
Streifenwagen verschwunden<br />
sind.<br />
Was gibt es weiter zu beachten?<br />
Folgende Grundsätze sind im Fall<br />
einer Wohnungsdurchsuchung<br />
oder im Falle einer Straßenverkehrskontrolle<br />
zu beachten: Der<br />
Beschuldigte ist sofort als Beschuldigter<br />
zu belehren. Die Einzelheiten<br />
regelt § 136 Abs. 1 StPO. Die<br />
Belehrung muss Folgendes beinhalten:<br />
die Eröffnung des Tatvorwurfs,<br />
das Recht des Beschuldigten<br />
zu schweigen, das Recht des<br />
Beschuldigten sich nicht selbst zu<br />
belasten, das Recht des Beschuldigten<br />
umgehend Beweiserhebungen<br />
zu beantragen und das Recht des<br />
Beschuldigten, sofort einen Verteidiger<br />
seiner Wahl hinzuzuziehen<br />
und sofort kontaktieren zu dürfen.<br />
In Rheinland-Pfalz berichteten<br />
mir einige Mandanten, dass sie<br />
beabsichtigt hatten, einen Kontakt<br />
zu mir bei Beginn der Wohnungsdurchsuchung<br />
herzustellen, dies<br />
aber von den eingesetzten Polizeibeamten<br />
nicht erlaubt worden sei.<br />
Dies ist eindeutig rechtswidrig!<br />
Ich bin der Auffassung,<br />
dass der Beschuldigte den eingesetzten<br />
Polizeibeamten freundlich<br />
aber bestimmend klarmachen<br />
sollte, dass er seine ihm zustehenden<br />
Rechte nach der Strafprozessordnung<br />
kennt. Der Beschuldigte<br />
sollte bereits zu Beginn auf die<br />
Belehrung des Polizeibeamten<br />
achten und sein Recht auf Verteidigerkonsultation<br />
oder Hinzuziehung<br />
eines Durchsuchungszeugen<br />
durchsetzen. Dies ist natürlich für<br />
den Ersttäter nicht einfach, wenn<br />
die eingesetzten Polizeibeamten<br />
erst mal die Wohnung betreten<br />
und den Beschuldigten quasi überrascht<br />
haben. Oftmals wird die<br />
Beschuldigtenbelehrung im „Eifer<br />
des Gefechts“ auch vergessen. Im<br />
Fall der Wohnungsdurchsuchung<br />
unterliegt der Beschuldigte lediglich<br />
einer Duldungspflicht, jedoch<br />
keiner Mitwirkungspflicht. Befindet<br />
sich beispielsweise ein verschlossener<br />
Tresor in der Wohnung<br />
und der Polizeibeamte fordert den<br />
Beschuldigten auf, den Tresor zu<br />
öffnen, dann muss der Beschul-<br />
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