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UKJ-Klinikmagazin 3/2021

Männergesundheit - Wie Mann gesund wird und bleibt

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TITELTHEMA<br />

Forschung im Kloster<br />

Welche Faktoren stattdessen eine<br />

große Rolle spielen, zeigt eine Langzeitstudie<br />

in deutschen Klöstern. „Dies ist<br />

eines der wenigen Umfelder in unserer<br />

Gesellschaft, in der Männer und Frauen<br />

annähernd den gleichen Bedingungen<br />

ausgesetzt sind und sich im Allgemeinen<br />

nicht unterschiedlich verhalten<br />

können“, erläutert Berger. Die über<br />

Jahrzehnte dauernde Beobachtung der<br />

Klosterbewohner zeigt, dass die Männer<br />

hier – im Gegensatz zur Normalbevölkerung<br />

– nur ein Jahr früher als die Frauen<br />

sterben. Berger: „Der große Unterschied<br />

in der Lebenserwartung außerhalb von<br />

Klöstern hat offensichtlich keine biologischen<br />

Gründe.“<br />

Was dann? Eine andere Studie nimmt<br />

den Lebensstil ins Visier und beobachtet,<br />

dass Männer, die eher so leben, wie<br />

es für Frauen typisch ist, älter werden:<br />

Der umsichtige, achtsame Mahatma<br />

Gandhi wurde beispielsweise 78 Jahre,<br />

der Kämpfer Che Guevara nicht einmal<br />

40 Jahre alt. Nicht also das biologische,<br />

sondern das sozial zugeschriebene<br />

Geschlecht spielt die entscheidende<br />

Rolle, so die Wissenschaftler. Trotz<br />

Versuchen zur geschlechterneutralen<br />

Erziehung sei die höhere Risikobereitschaft<br />

von Männern nach wie vor<br />

kulturbedingt, so Berger: „Viele Eltern<br />

gestehen ihren Jungs auch heutzutage<br />

noch zu, wilder zu sein und sich<br />

in gefährlichere Abenteuer zu stürzen<br />

als Mädchen.“ So sind bereits Jungs<br />

und männliche Jugendliche wesentlich<br />

häufiger in Unfälle verwickelt als Mädchen.<br />

Verstärkt wird der Unterschied<br />

noch durch Bildung und Wohlstand:<br />

Ein armer Mann lebt im Vergleich zu<br />

einer gebildeten, gut situierten Frau<br />

im Durchschnitt 16 Jahre kürzer. „Das<br />

Robert Koch-Institut berichtet regelmäßig<br />

über diese Zahlen – aber sie werden<br />

scheinbar kaum wahrgenommen“, so<br />

Berger. Dabei zeigten die Studien auch:<br />

Wenn Männer sich umsichtiger verhalten<br />

und beispielsweise zurückhaltender<br />

mit Alkohol umgehen und weniger rauchen,<br />

erhöhen sie ihre Lebenserwartung<br />

deutlich.<br />

Mit Alkohol betäuben<br />

Männer und Frauen unterscheiden<br />

sich jedoch nicht nur im Risikoverhalten<br />

– auch wenn die Unterschiede in<br />

anderen Bereichen geringer ausfallen.<br />

Zum Beispiel beim Wahrnehmen von<br />

Symptomen: Frauen achten früher auf<br />

Krankheitsanzeichen, nehmen sie ernster,<br />

gehen früher zum Arzt und holen<br />

sich Hilfe. Männer neigen dazu, Symptome<br />

zu verleugnen. „Mit seinen Symptomen<br />

hausieren zu gehen, galt lange<br />

Zeit als unmännlich“, so Berger. Während<br />

Frauen sich austauschen und sich<br />

auch nicht scheuen, Psychotherapie<br />

Professor Dr. Uwe Berger forscht am<br />

Institut für Psychosoziale Medizin,<br />

Psychotherapie und Psychoonkologie.<br />

Bereits seit rund zehn Jahren analysiert<br />

er die Gründe, warum sich die<br />

Lebenserwartung von Männern und<br />

Frauen seit Jahrzehnten rund um den<br />

Globus deutlich unterscheidet. Foto: privat<br />

in Anspruch zu nehmen, greifen Männer<br />

eher zum Alkohol, bis sie ihre<br />

Beschwerden nicht mehr merken.<br />

„Wenn ich beispielsweise Depressionen<br />

erst spät oder gar nicht wahrnehme und<br />

mich nicht in Behandlung begebe, ist<br />

es wahrscheinlicher, sich das Leben zu<br />

nehmen“, nennt Professor Berger eine<br />

Erklärung dafür, warum die Selbstmordrate<br />

bei Männern doppelt so hoch wie<br />

bei Frauen ist.<br />

Doch eine neue Entwicklung scheint<br />

sich abzuzeichnen. Gerade junge Männer<br />

stehen immer häufiger dazu, unter<br />

Panikattacken, Ängsten und Depressionen<br />

zu leiden – und scheuen sich<br />

auch nicht, dies in sozialen Netzwerken<br />

öffentlich kundzutun, so Berger: „Ob<br />

diese Beobachtung bei der jungen<br />

Generation zu einer generellen Trendwende<br />

in der Gesamtbevölkerung führt,<br />

bleibt abzuwarten.“<br />

Anke Schleenvoigt<br />

Gettyimages - Leonardo Laschera / EyeEm<br />

03 | 21<br />

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