faktor Winter 2021
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
mensch<br />
Teil der Ottobock-Familie Um für die Visionen des Unternehmens zu brennen, verbringt Schulte-Noelle (r.) viel Zeit mit<br />
der Familie – wie auf dem Digital Family Day 2019 mit Hans Georg Näder und seinen Töchtern Georgia (l.) und Julia.<br />
45-Jährige rückblickend: „Mit 38 war das etwas Besonderes.<br />
Finanzvorstand einer Tochtergesellschaft zu werden,<br />
die damals schon sechs Milliarden Umsatz machte,<br />
war ein großer Vertrauensbeweis. Diese Zeit hat mich<br />
geprägt.“ Bei Fresenius lernte er auch, wie man über<br />
eine gesamte Wertschöpfungskette hinweg Prozesse und<br />
Produkte standardisiert, vereinfacht und systematisiert,<br />
um sie dadurch besser digitalisieren zu können. Dieses<br />
Wissen, sein „Fresenius-Werkzeugkasten“, wie er es nennt,<br />
hilft ihm heute bei Ottobock.<br />
SCHULTE-NOELLE traf, als er 2018 – zunächst als Finanzchef<br />
– zu Ottobock kam, erneut auf eine übermächtige<br />
Vaterfigur: Hans Georg Näder. Der Eigentümer hat das<br />
Unternehmen in 30 Jahren quasi im Alleingang mit zahlreichen<br />
Innovationen zu einem Weltmarktführer der<br />
Medizintechnik entwickelt. Näder ist ein herkulischer<br />
Unternehmer in dritter Generation und ein innovativer<br />
Futurist, der sehr genaue Kenntnisse der Märkte und<br />
präzise Vorstellungen über die weitere Entwicklung des<br />
Unternehmens hat. Ihm kann keiner so schnell etwas<br />
vormachen. Trotzdem hatte sich Näder entschieden, ein<br />
externes Management an Bord zu holen, um das Unternehmen<br />
zu professionalisieren und es auf einen potenziellen<br />
Börsengang vorzubereiten.<br />
Die schwierige Frage für jeden externen Manager, der<br />
von außen in solch ein historisch gewachsenes Familienunternehmen<br />
kommt, ist, ob er überhaupt eigene Akzente<br />
setzen kann. Für Schulte-Noelle war das überhaupt<br />
kein Problem. Hier half ihm seine gute Kinderstube,<br />
denn er ist kein sozialer Aufsteiger, kein Ehrgeizling, der<br />
sich unbedingt profilieren und durchsetzen muss. Er<br />
sagt: „Ich kann mit solchen starken Persönlichkeiten gut<br />
umgehen. Ich verkämpfe mich nicht. Ich habe im Verhältnis<br />
zu meinem Vater gelernt, dass man sich ein klar<br />
abgestecktes Aufgabengebiet suchen und sich selbst klare<br />
Ziele setzen muss – dann kann man auch als Unternehmenschef<br />
frei handeln, solange man diese Ziele erreicht.“<br />
Seine Herkunft hilft ihm auch dabei, dem Eigentümer<br />
auf Augenhöhe zu begegnen und sich selbst nicht<br />
zu wichtig zu nehmen. „Ich habe von meinem Vater und<br />
von meinem Mentor Ulf Mark Schneider gelernt, dass<br />
ich als angestellter Manager – egal wie großartig man<br />
selbst das Unternehmen nach vorne bringt – niemals vergesse,<br />
dass der Laden nicht mir gehört.“<br />
WENN MAN AN DIE SPITZE eines Unternehmens wie<br />
Ottobock kommt, dann muss man zunächst Vertrauen<br />
aufbauen. Was ist die Seele des Unternehmens und wo<br />
findet man sie? Schulte-Noelle sagt ganz klar: „Die Seele<br />
des Unternehmens sind die Werte der Familie Näder.<br />
Und die hüten Hans Georg Näder und seine beiden<br />
Töchter.“ Näder ist ein impulsiver und leidenschaftlicher<br />
Menschenfreund: Er hat Mitgefühl und kann sich in die<br />
Menschen und Patienten hineinversetzen. Für Schulte-<br />
Noelle waren bis dahin die Zahlen immer die zentrale<br />
Bezugsgröße. Daran wurde er immer gemessen. Das war<br />
auch verhältnismäßig einfach zu kontrollieren. Aber<br />
4 |<strong>2021</strong> 71