Kulturfenster Nr. 06|2021 - Dezember 2021
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
hinausgeblickt<br />
„<br />
Wie bei jedem Vortrag ist der erste<br />
Eindruck entscheidend. Es zahlt sich<br />
also aus, einige Zeit in eine gute Anmoderation<br />
zu investieren, anstatt<br />
nur mit einer klassischen Begrüßung<br />
zu beginnen und Informationen zum<br />
Werk vorzulesen.<br />
Arne Sonntag<br />
„<br />
die Erwartungen an das Konzert sind, was<br />
das Thema des Konzerts ist. Die Anmoderation<br />
sollte dabei nicht beliebig oder „an<br />
den Haaren herbeigezogen“ wirken. Wie<br />
bei jedem Vortrag ist der erste Eindruck<br />
entscheidend. Es zahlt sich also aus, einige<br />
Zeit in eine gute Anmoderation zu investieren,<br />
anstatt nur mit einer klassischen<br />
Begrüßung zu beginnen und Informationen<br />
zum Werk vorzulesen.<br />
Was allgemein für Vorträge und Präsentationen<br />
gilt, muss auch für die Moderation<br />
gelten: Es wird nicht abgelesen, Moderationskärtchen<br />
dienen höchstens dazu mit<br />
wichtigen Stichworten ein Leitfaden für<br />
das freie Sprechen zu bieten. Die Grundregel,<br />
dass der Blickkontakt zum Publikum<br />
gehalten werden muss, ist dabei selbstverständlich.<br />
Michl betont in diesem Zusammenhang,<br />
dass „mindestens in jeder<br />
Moderation einmal die Personengruppen,<br />
die ja oft auch in unterschiedlichen Richtungen<br />
sitzen, fokussiert werden müssen“.<br />
Der Moderator bzw. die Moderatorin sollen<br />
daher frei über ihren Stoff verfügen, eine<br />
zum Publikum offene Haltung haben. Dazu<br />
braucht es vor allem innere Ruhe. Michl<br />
empfiehlt daher vor dem ersten Satz: „Ankommen,<br />
Ausatmen, Anschauen, Anfangen.“<br />
Ruhe, Präsenz und Fokus auf das<br />
Publikum sind das Um und Auf in jeder<br />
Präsentation, so auch bei der Konzertmoderation.<br />
Diese Ruhe bekommt man vor<br />
allem durch eine gute Vorbereitung. „Man<br />
kann das auch üben“, ist Michl überzeugt.<br />
Dabei kann es helfen, wenn andere (Sänger<br />
und Sängerinnen) auch ein Feedback<br />
geben. Ein ganz wichtiger Tipp, den der<br />
Theaterpädagoge mitgibt, ist der Hinweis,<br />
dass man auf der Bühne sich nicht verstellen<br />
darf: „Ich darf auch ich sein.“ Das<br />
ist besser als Perfektionismus. Zu viel Perfektionismus<br />
und Routine sind auch nicht<br />
gut: „Einen Funken von Nervosität oder ein<br />
bisschen Ungewissheit gehört einfach dazu.<br />
Das ist das Salz in der Suppe!“ Michl hat<br />
mit dieser Beobachtung sicher recht: Gerade<br />
dieser Funken „Menschlichkeit“ und<br />
„Gefühl“ lässt eben auch den Funken beim<br />
Publikum überspringen. Was für den Chor<br />
und seine „Leistung“ gilt, gilt auch für den<br />
Moderator oder die Moderatorin: Authentizität,<br />
Begeisterung und Präsenz wiegen<br />
so manchen „Fehler“ auf!<br />
Natürlich gelten bei der Moderation auch<br />
weitere allgemeine Regeln des Vortragens<br />
vor Publikum: Einfache Sätze statt langer<br />
Satzgebilde, langsames und deutliches<br />
Sprechen – und vor allem sollte man sich<br />
bei jedem Moderationsteil überlegen: Wie<br />
wirkt das auf das Publikum? Wie würde<br />
ich reagieren, wenn ich das jetzt höre? Ist<br />
es zu langatmig, zu kompliziert? Versteht<br />
man die Zusammenhänge? Grundsätzlich<br />
muss gelten: Wesentliches satt Unwichtigem<br />
sagen, Kompliziertes einfach<br />
sagen, darauf achten, „kurz“ zu bleiben<br />
statt langatmig zu werden!<br />
Mut zur Kreativität<br />
Hat man einmal diese Grundregeln verinnerlicht<br />
– womit man schon eine ordentliche<br />
Moderation gestalten könnte – darf<br />
man ruhig auch den Mut zu kreativeren<br />
Moderationen entwickeln. Hier hat die<br />
Theaterpädagogik viele Vorschläge, was<br />
uns auch bewusst macht, dass ein Konzert<br />
eben nicht nur Musik, sondern auch<br />
„Theater“ ist! Ein mutiger Ansatz wäre etwa,<br />
dass sich der Moderator in die Rolle des<br />
Komponisten oder des Textautors versetzt<br />
und aus dieser Perspektive zum Publikum<br />
spricht. Michl bringt das Beispiel von einem<br />
Konzert mit Vertonungen von Eduard Mörike.<br />
Hier könnte der Moderator auch als<br />
Mörike verkleidet auftreten – und aus seiner<br />
Perspektive die Werke vorstellen. Das<br />
Einbauen von Erlebnissen und Gedanken<br />
des Dichters fällt so leichter und wirkt unmittelbar<br />
und spannend. Es könnten auch<br />
mehrere Personen aus den Liedern oder<br />
aus dem Leben des Dichters auftreten<br />
und die Moderation kann so zu einer szenischen<br />
Gestaltung des Liedes ausgebaut<br />
werden. Hier spricht Michl indirekt etwas<br />
Wichtiges an. Noch immer vernachlässigen<br />
viele Konzertaufführungen die Tatsache,<br />
dass Chorkonzerte immer Texte und<br />
Inhalte haben, oft auf Dichtungen basieren,<br />
die das Publikum beim Zuhören gar<br />
nicht vollständig versteht. Die Moderation<br />
kann hier mit kreativen Ansätzen den Text<br />
in den Mittelpunkt rücken. Traditionellere<br />
Ansätze sind das Erzählen von „Geschichten“:<br />
sei es zu den Werken, zu den Komponisten<br />
oder auch zum Chor selbst – wie es<br />
ihm bei der Auseinandersetzung mit den<br />
Werken gegangen ist.<br />
Ein weiterer kreativer Ansatz wäre das<br />
Moderieren mit Perspektivenwechsel innerhalb<br />
des Konzerts, etwa die Kommentierung<br />
der Werke aus der Sicht des Dichters,<br />
des Komponisten oder aus der Sicht<br />
einer Zuhörerin. Oder man überlegt sich,<br />
wie man mit dem Publikum in Interaktion<br />
treten könnte, dass also der „Erzähler“<br />
das Publikum direkt anspricht. Für solche<br />
Ansätze braucht es natürlich eine gewisse<br />
Souveränität. Wenn man sich nicht zu solchen<br />
szenischen Darbietungen vorwagen<br />
möchte – so ist doch eines immer eine Garantie<br />
für eine gute Moderation, wie auch<br />
Michl betont: Humor. Tatsächlich ist eine<br />
gewisse, natürlich nicht künstlich aufgesetzte<br />
humorvolle Haltung wohl das beste<br />
Mittel, das Publikum für die Schönheit des<br />
Chorgesangs zu gewinnen.<br />
Paul Bertagnolli<br />
KulturFenster<br />
62 06/<strong>Dezember</strong> <strong>2021</strong>