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Kulturfenster Nr. 06|2021 - Dezember 2021

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„<br />

Wie bei jedem Vortrag ist der erste<br />

Eindruck entscheidend. Es zahlt sich<br />

also aus, einige Zeit in eine gute Anmoderation<br />

zu investieren, anstatt<br />

nur mit einer klassischen Begrüßung<br />

zu beginnen und Informationen zum<br />

Werk vorzulesen.<br />

Arne Sonntag<br />

„<br />

die Erwartungen an das Konzert sind, was<br />

das Thema des Konzerts ist. Die Anmoderation<br />

sollte dabei nicht beliebig oder „an<br />

den Haaren herbeigezogen“ wirken. Wie<br />

bei jedem Vortrag ist der erste Eindruck<br />

entscheidend. Es zahlt sich also aus, einige<br />

Zeit in eine gute Anmoderation zu investieren,<br />

anstatt nur mit einer klassischen<br />

Begrüßung zu beginnen und Informationen<br />

zum Werk vorzulesen.<br />

Was allgemein für Vorträge und Präsentationen<br />

gilt, muss auch für die Moderation<br />

gelten: Es wird nicht abgelesen, Moderationskärtchen<br />

dienen höchstens dazu mit<br />

wichtigen Stichworten ein Leitfaden für<br />

das freie Sprechen zu bieten. Die Grundregel,<br />

dass der Blickkontakt zum Publikum<br />

gehalten werden muss, ist dabei selbstverständlich.<br />

Michl betont in diesem Zusammenhang,<br />

dass „mindestens in jeder<br />

Moderation einmal die Personengruppen,<br />

die ja oft auch in unterschiedlichen Richtungen<br />

sitzen, fokussiert werden müssen“.<br />

Der Moderator bzw. die Moderatorin sollen<br />

daher frei über ihren Stoff verfügen, eine<br />

zum Publikum offene Haltung haben. Dazu<br />

braucht es vor allem innere Ruhe. Michl<br />

empfiehlt daher vor dem ersten Satz: „Ankommen,<br />

Ausatmen, Anschauen, Anfangen.“<br />

Ruhe, Präsenz und Fokus auf das<br />

Publikum sind das Um und Auf in jeder<br />

Präsentation, so auch bei der Konzertmoderation.<br />

Diese Ruhe bekommt man vor<br />

allem durch eine gute Vorbereitung. „Man<br />

kann das auch üben“, ist Michl überzeugt.<br />

Dabei kann es helfen, wenn andere (Sänger<br />

und Sängerinnen) auch ein Feedback<br />

geben. Ein ganz wichtiger Tipp, den der<br />

Theaterpädagoge mitgibt, ist der Hinweis,<br />

dass man auf der Bühne sich nicht verstellen<br />

darf: „Ich darf auch ich sein.“ Das<br />

ist besser als Perfektionismus. Zu viel Perfektionismus<br />

und Routine sind auch nicht<br />

gut: „Einen Funken von Nervosität oder ein<br />

bisschen Ungewissheit gehört einfach dazu.<br />

Das ist das Salz in der Suppe!“ Michl hat<br />

mit dieser Beobachtung sicher recht: Gerade<br />

dieser Funken „Menschlichkeit“ und<br />

„Gefühl“ lässt eben auch den Funken beim<br />

Publikum überspringen. Was für den Chor<br />

und seine „Leistung“ gilt, gilt auch für den<br />

Moderator oder die Moderatorin: Authentizität,<br />

Begeisterung und Präsenz wiegen<br />

so manchen „Fehler“ auf!<br />

Natürlich gelten bei der Moderation auch<br />

weitere allgemeine Regeln des Vortragens<br />

vor Publikum: Einfache Sätze statt langer<br />

Satzgebilde, langsames und deutliches<br />

Sprechen – und vor allem sollte man sich<br />

bei jedem Moderationsteil überlegen: Wie<br />

wirkt das auf das Publikum? Wie würde<br />

ich reagieren, wenn ich das jetzt höre? Ist<br />

es zu langatmig, zu kompliziert? Versteht<br />

man die Zusammenhänge? Grundsätzlich<br />

muss gelten: Wesentliches satt Unwichtigem<br />

sagen, Kompliziertes einfach<br />

sagen, darauf achten, „kurz“ zu bleiben<br />

statt langatmig zu werden!<br />

Mut zur Kreativität<br />

Hat man einmal diese Grundregeln verinnerlicht<br />

– womit man schon eine ordentliche<br />

Moderation gestalten könnte – darf<br />

man ruhig auch den Mut zu kreativeren<br />

Moderationen entwickeln. Hier hat die<br />

Theaterpädagogik viele Vorschläge, was<br />

uns auch bewusst macht, dass ein Konzert<br />

eben nicht nur Musik, sondern auch<br />

„Theater“ ist! Ein mutiger Ansatz wäre etwa,<br />

dass sich der Moderator in die Rolle des<br />

Komponisten oder des Textautors versetzt<br />

und aus dieser Perspektive zum Publikum<br />

spricht. Michl bringt das Beispiel von einem<br />

Konzert mit Vertonungen von Eduard Mörike.<br />

Hier könnte der Moderator auch als<br />

Mörike verkleidet auftreten – und aus seiner<br />

Perspektive die Werke vorstellen. Das<br />

Einbauen von Erlebnissen und Gedanken<br />

des Dichters fällt so leichter und wirkt unmittelbar<br />

und spannend. Es könnten auch<br />

mehrere Personen aus den Liedern oder<br />

aus dem Leben des Dichters auftreten<br />

und die Moderation kann so zu einer szenischen<br />

Gestaltung des Liedes ausgebaut<br />

werden. Hier spricht Michl indirekt etwas<br />

Wichtiges an. Noch immer vernachlässigen<br />

viele Konzertaufführungen die Tatsache,<br />

dass Chorkonzerte immer Texte und<br />

Inhalte haben, oft auf Dichtungen basieren,<br />

die das Publikum beim Zuhören gar<br />

nicht vollständig versteht. Die Moderation<br />

kann hier mit kreativen Ansätzen den Text<br />

in den Mittelpunkt rücken. Traditionellere<br />

Ansätze sind das Erzählen von „Geschichten“:<br />

sei es zu den Werken, zu den Komponisten<br />

oder auch zum Chor selbst – wie es<br />

ihm bei der Auseinandersetzung mit den<br />

Werken gegangen ist.<br />

Ein weiterer kreativer Ansatz wäre das<br />

Moderieren mit Perspektivenwechsel innerhalb<br />

des Konzerts, etwa die Kommentierung<br />

der Werke aus der Sicht des Dichters,<br />

des Komponisten oder aus der Sicht<br />

einer Zuhörerin. Oder man überlegt sich,<br />

wie man mit dem Publikum in Interaktion<br />

treten könnte, dass also der „Erzähler“<br />

das Publikum direkt anspricht. Für solche<br />

Ansätze braucht es natürlich eine gewisse<br />

Souveränität. Wenn man sich nicht zu solchen<br />

szenischen Darbietungen vorwagen<br />

möchte – so ist doch eines immer eine Garantie<br />

für eine gute Moderation, wie auch<br />

Michl betont: Humor. Tatsächlich ist eine<br />

gewisse, natürlich nicht künstlich aufgesetzte<br />

humorvolle Haltung wohl das beste<br />

Mittel, das Publikum für die Schönheit des<br />

Chorgesangs zu gewinnen.<br />

Paul Bertagnolli<br />

KulturFenster<br />

62 06/<strong>Dezember</strong> <strong>2021</strong>

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