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Gesund & Leben 2021/12

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IM GESPRÄCH<br />

Birgit Fenderl mit Fotografin<br />

Sabine Hauswirth<br />

entgeltliche Einschaltung<br />

Frauenbild vermittelt, das für Frauen in<br />

meinem Alter nur bedingt der Idee einer<br />

emanzipierten Frau entspricht. Zudem<br />

kommt Sexismus oft versteckt daher<br />

und nicht immer im offensichtlichen<br />

Ausmaß eines körperlichen Übergriffs.<br />

Die Coronakrise hat beispielsweise<br />

erneut deutlich gemacht, dass für viele Frauen schlechte<br />

Rahmenbedingungen in der Arbeitswelt vorherrschen.<br />

Würden Sie sich selbst als Feministin bezeichnen?<br />

Auf jeden Fall!<br />

Welche Werte geben Sie Ihrer Tochter mit auf den Weg?<br />

Dass man als Frau genauso unabhängig durchs <strong>Leben</strong><br />

gehen kann wie ein Mann und dass man weder berufliche<br />

noch private Kompromisse eingehen muss, nur weil man<br />

als Frau vielleicht finanziell vom Mann abhängig ist, wie<br />

es in meiner Generation noch öfters vorkam. Ich möchte<br />

meine Tochter dafür sensibilisieren, dass es noch gar nicht<br />

so lange her ist, dass ausschließlich Frauen per Gesetz für<br />

Haushalt und Kindererziehung zuständig waren. Erst 1977<br />

wurde das in der Reform des Familienrechts geändert: Also<br />

bis ich selbst sechs Jahre alt war, war Kindererziehung per<br />

Gesetz reine Frauensache.<br />

Umgekehrt: Was ist der beste Ratschlag, den Sie von Ihrer<br />

Tochter bekommen haben?<br />

Meine Tochter sagt öfter mal zu mir: „Jetzt mach dir nicht so<br />

einen Stress, sondern chill doch mal!“ – Und sie hat recht!<br />

Ich bin sicherlich immer noch zu sehr darum bemüht, alles<br />

unter einen Hut zu bekommen, auch wenn es mir Stress<br />

bereitet.<br />

Was würden Sie Ihrem jüngeren Ich raten?<br />

Vergiss bei all dem Ehrgeiz nicht auf dich selbst! In jüngeren<br />

Jahren habe ich die Selbstausbeutung wohl manches Mal<br />

übertrieben. Mit 25 litt ich unter<br />

n BUCHTIPP solchen Muskelverspannungen,<br />

dass nur noch eine Infusionstherapie<br />

half. Auslöser war ganz eindeutig<br />

der Stress. Ich habe damals<br />

weder verstanden noch gesehen,<br />

dass ich mich selbst überfordert<br />

habe. Heute kann ich besser Nein<br />

sagen.<br />

Kurswechsel<br />

bei 5.0<br />

Birgit Fenderl,<br />

Sabine Hauswirth<br />

Porträts einer Frauengeneration,<br />

die<br />

sich neu erfindet<br />

Czernin, <strong>2021</strong><br />

192 Seiten, € 25,–<br />

Welche Gedanken sind bei Ihnen<br />

präsenter, seitdem Sie 50 sind?<br />

Ich müsste lügen, wenn ich<br />

behaupte, dass mir der 50er<br />

wurscht gewesen wäre! Ich habe<br />

mich durchaus gefragt, ob ich<br />

nun offiziell alt bin. Mittlerweile<br />

sehe ich das vollkommen locker.<br />

Ein weiterer roter Faden im<br />

Buch ist, dass wir Frauen uns in<br />

den 50ern jünger fühlen, als wir<br />

eigentlich sind. Ich finde mein aktuelles<br />

Alter angenehm, kann mich selbst nun<br />

besser einschätzen. Ich lerne immer<br />

mehr, nicht zu übertreiben und mehr<br />

auf mich selbst zu schauen. Heute gehe<br />

ich auch mal zwei Stunden alleine spazieren,<br />

das wäre vor fünf Jahren noch<br />

undenkbar gewesen! Seitdem ich „Studio 2“ moderiere (seit<br />

2019; Anm.), haben sich auch meine Arbeitszeiten verbessert,<br />

was ich sehr genieße. Mein Körper fordert das auch ein!<br />

Alterswehwehchen machen sich also bereits bemerkbar?<br />

Na und ob! (lacht) Seit jungen Jahren macht mir meine Wirbelsäule<br />

Probleme. Ich betreibe nun sehr konsequent Pilates<br />

und im Lockdown habe ich zu Online-Videos geturnt. Einfach<br />

weil ich weiß: Es geht mir danach besser. Früher hätte<br />

ich einfach eine Tablette gegen die Schmerzen geschluckt,<br />

es musste ja alles schnell gehen. Heute ist mein Körperbewusstsein<br />

größer. <strong>Gesund</strong>heit ist tatsächlich unser größtes<br />

Gut, das wird einem im Alter mehr denn je bewusst.<br />

Schwierig am eigenen Älterwerden ist auch, dass die eigenen<br />

Eltern alt werden ...<br />

Dafür bin ich die falsche Ansprechpartnerin, da ich meine<br />

beiden Eltern schon sehr früh verloren habe: Mein Vater<br />

starb, als ich 19 war, meine Mutter ein Jahr nach der Geburt<br />

meiner Tochter. Ich beobachte aber in meinem Freundeskreis,<br />

dass dieses Thema sehr präsent wird. Das ist natürlich<br />

eine Herausforderung. Eltern zu verlieren, ist immer<br />

schwierig, sowohl in jungen als auch in späteren Jahren.<br />

Hat Sie der frühe Verlust der Eltern geprägt? Sie vielleicht zur<br />

Kämpfernatur gemacht?<br />

Ganz sicher. Als ich schwanger war, wurde bei meiner Mutter<br />

völlig unerwartet Krebs diagnostiziert. Selbst Mama zu<br />

werden und währenddessen die eigene Mutter zu pflegen<br />

– ja, das war eine sehr schwierige Zeit. Noch dazu war ich<br />

damals alleinstehend. Natürlich prägt solch eine Erfahrung.<br />

Auch in meinem Buch wird deutlich, dass sehr viele Frauen<br />

in ihren 50ern bereits mit Schicksalsschlägen unterschiedlicher<br />

Art zu kämpfen hatten. In solchen Zeiten entwickelt<br />

man Kräfte, die man zuvor gar nicht zu haben glaubte.<br />

Emmy Werner (ehemalige. Volkstheater-Direktorin; Anm.),<br />

die ihren Sohn verloren hat, hat mal gesagt: Du musst dich<br />

irgendwann entscheiden: Hörst du auf mit dem <strong>Leben</strong> oder<br />

machst du weiter und erlaubst dir wieder, zu lachen und<br />

stärker zu werden? Das habe ich mir sehr zu Herzen genommen.<br />

An jedem Schicksalsschlag wächst man.<br />

Sind Sie jemand, der zurückblickt und bereut?<br />

Ich blicke durchaus zurück. Ich bin eigentlich ein vernünftiger<br />

Mensch, aber natürlich hat sich die eine oder andere<br />

Entscheidung im Nachhinein nicht als ideal herausgestellt.<br />

Trotzdem bereue ich nichts, denn mein Motto war immer:<br />

Ich will nicht irgendwann im Altersheim sitzen und mich<br />

fragen, ob ich den härteren Weg nur deshalb nicht genommen<br />

habe, weil ich zu feig gewesen bin. Ich kann also sagen:<br />

Ich bin mit mir sehr im Reinen. <br />

MANUEL SIMBÜRGER n<br />

FOTO: NINON HAUSWIRTH<br />

Fonds Soziales Wien<br />

Ihr direkter Draht zu<br />

Pflege und Betreuung<br />

01/24 5 24<br />

www.fsw.at<br />

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