18.02.2022 Aufrufe

Gesund & Leben 2021/12

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

PNEUMOKOKKEN<br />

Fallzahli<br />

PNEUMOKOKKEN,<br />

Es beginnt mit einem leichten Husten.<br />

Nach ein paar Tagen kann sich<br />

daraus eine Bronchitis entwickeln<br />

– und im schlimmsten Fall eine<br />

Lungenentzündung. Die Ursache<br />

für die schwere Atemwegs-Erkrankung, die tödlich<br />

verlaufen kann, ist häufig eine Infektion mit<br />

Pneumokokken. Diese Bakterien besiedeln wie<br />

Covid-19 den Nasen-Rachen-Raum, stehen in<br />

der derzeitigen Pandemie aber abseits des medialen<br />

Blitzlichts. Zu Unrecht. 2019 erkrankten in<br />

Österreich 7 von 100.000 Menschen daran. 2020<br />

waren es nur 4 von 100.000 – infolge der Corona-<br />

Schutzmaßnahmen. Dennoch sind auch vergangenes<br />

Jahr 19 Menschen infolge einer Pneumo-<br />

700i<br />

600i<br />

500i<br />

400i<br />

300i<br />

200i<br />

100i<br />

0i<br />

DIE UNBEKANNTE<br />

GEFAHR<br />

Impfungen schützen. Nicht<br />

nur vor Covid-19, sondern auch<br />

vor einer Erkrankung durch<br />

Pneumokokken: gefährliche<br />

Bakterien, die oftmals eine<br />

lebensbedrohende Lungen- oder<br />

Gehirnhautentzündung auslösen können.<br />

325i<br />

ANGEZEIGTE FÄLLE VON PNEUMOKOKKEN<br />

IN ÖSTERREICH VON 2010 BIS 2020<br />

349i<br />

304i<br />

358i<br />

324i<br />

423i<br />

2010 2011 20<strong>12</strong> 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020<br />

439<br />

545<br />

611 615<br />

355i<br />

QUELLE: AGES<br />

„PNEUMOKOKKEN SIND SCHON<br />

FÜR EIN DRITTEL ALLER<br />

LUNGENENTZÜNDUNGEN<br />

VERANTWORTLICH. DIESE TRETEN<br />

OFT IN KOMBINATION MIT EINER<br />

GRIPPE-INFEKTION AUF,<br />

WAS SEHR GEFÄHRLICH IST.“<br />

FOTO: ISTOCK_ MI-VIRI; BKA_TATIC<br />

kokken-Infektion verstorben.<br />

Immer mehr Ärztinnen und Ärzte empfehlen<br />

daher eine Impfung gegen diese weitgehend<br />

unbekannte Gefahr: für Kinder, Menschen mit<br />

einem erhöhten Risiko sowie ab 60 Jahren. Diesen<br />

Ratschlag gab auch ein deutscher Hausarzt<br />

seiner prominentesten Patientin: keiner Geringeren<br />

als Angela Merkel. Die deutsche Politikerin<br />

ist ihm gefolgt – sie ließ sich öffentlichkeitswirksam<br />

gegen Pneumokokken impfen.<br />

PNEUMOKOKKEN UND<br />

LUNGENENTZÜNDUNG<br />

Um die stille Gefahr, die von Pneumokokken<br />

ausgeht, weiß auch der Wiener Infektiologe<br />

Univ.-Prof. Dr. Herwig Kollaritsch, Facharzt für<br />

spezifische Prophylaxe und Tropenmedizin<br />

sowie Hygiene und Mikrobiologie und Experte<br />

im Nationalen Impfgremium (NIG): „Diese Bakterien<br />

können verschiedene klinische Erkrankungen<br />

hervorrufen, bei Kindern zum Beispiel<br />

eine Mittelohr- oder Nasennebenhöhlen-Entzündung.<br />

Und bei Erwachsenen eine Gehirnhautentzündung,<br />

eine Blutvergiftung oder eine<br />

Lungenentzündung. Wobei Pneumonien bei<br />

Letzteren die häufigste Folge sind. Hierzulande<br />

sind Pneumokokken schon für ein Drittel aller<br />

Lungenentzündungen verantwortlich. Diese treten<br />

oft in Kombination mit einer Grippe-Infektion<br />

auf, was sehr gefährlich ist.“<br />

IN ÖSTERREICH NUR 15 PROZENT<br />

GEGEN PNEUMOKOKKEN GEIMPFT<br />

Dennoch sind bislang nur rund 15 Prozent<br />

aller Österreicherinnen und Österreicher gegen<br />

Pneumokokken geimpft. Sie werden, so wie<br />

Covid-19, leicht von Mensch zu Mensch übertragen:<br />

durch Tröpfchen, Schmierinfektionen<br />

oder Aerosole. Die beste Prävention ist auch hier<br />

die Impfung, vor allem für Personen mit einem<br />

erhöhten Risiko. Dazu zählen Kinder, Menschen<br />

über 60 sowie jene mit Vorerkrankungen: Diabetes,<br />

Krebs und der<br />

chronisch fortschreitenden<br />

Lungenerkrankung<br />

COPD, aber auch<br />

Immunsupprimierte,<br />

Raucherinnen und<br />

Raucher, Alkoholikerinnen<br />

und Alkoholiker<br />

sowie jene, die in<br />

einer Pflegeeinrichtung<br />

leben und dadurch viel<br />

Kontakt mit Menschen<br />

haben.<br />

Kollaritsch: „In<br />

höheren <strong>Leben</strong>sjahren<br />

sind die Organe oft vorgeschädigt.<br />

Dazu kommt ein gealtertes Immunsystem.<br />

Der Körper kann eine Pneumokokken-<br />

Infektion nicht mehr optimal bekämpfen. Daher<br />

empfehlen wir vom NIG gefährdeten Gruppen<br />

klar die Impfung. Sie senkt das Risiko einer<br />

schweren Erkrankung infolge einer Infektion<br />

deutlich.“ Für Kinder bis zwei ist die dreiteilige<br />

Impfung im kostenfreien Impfprogramm enthalten.<br />

Erwachsene bekommen eine zweiteilige<br />

Impfung, Kostenpunkt rund 100 Euro.<br />

Univ.-Prof. Dr. Herwig Kollaritsch,<br />

Facharzt für spezifische Prophylaxe<br />

und Tropenmedizin sowie Hygiene<br />

und Mikrobiologie, gerichtlich beeideter<br />

und zertifizierter Sachverständiger<br />

und Experte im Nationalen<br />

Impfgremium (NIG), Wien<br />

NEUE IMPFSTOFFE IN VORBEREITUNG<br />

Weil es bei Pneumokokken sogar noch mehr<br />

Serotypen (= Untergruppen) als bei der bekannt<br />

mutationsfreudigen Influenza gibt, sind für 2022<br />

Konjugat-Impfstoffe mit einem breiteren Spektrum<br />

im Zulassungsverfahren. „Dabei wird das<br />

Antigen, das aus Teilen der Bakterienhülle des<br />

Krankheitserregers besteht, den Polysacchariden,<br />

an ein Eiweiß-Protein gebunden. Dies<br />

erzeugt eine stärkere und länger anhaltende<br />

Immun-Antwort“, erklärt Kollaritsch. Und: „Die<br />

neuen Pneumokokken-Impfungen decken nun<br />

15 Serotypen ab statt wie bislang nur 13. Bald<br />

kommt eine auf den Markt, die sogar 20 abdeckt<br />

– ein sehr breiter Schutz. Damit wird eine Erkrankung<br />

aufgrund dieser Bakterien zu über 65<br />

Prozent verhindert.“ Für Menschen ab 60 oder<br />

mit einem erhöhten Risiko bestehe das ideale<br />

Präventions-Package für diesen Winter aus einer<br />

Covid-19-, Grippe- und einer Pneumokokken-<br />

Impfung.<br />

Im Unterschied zu Corona gibt es bei einer<br />

Erkrankung infolge einer Pneumokokken-Infektion<br />

eine erprobte Therapie: durch spezifische<br />

Antibiotika. Kollaritsch zieht die Impfung dennoch<br />

eindeutig vor: „Diese Medikamente müssen<br />

rechtzeitig eingenommen werden, was in<br />

der Realität oft nicht der Fall ist. Denn wer geht<br />

schon mit einem leichten Husten – oft das erste<br />

Symptom einer Infektion – sofort zum Arzt?!“<br />

<br />

KARIN LEHNER n<br />

54<br />

GESUND & LEBEN <strong>12</strong>/21<br />

55

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!