Das Magazin MAI / JUN 2022
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Im Fokus<br />
Musik als<br />
Kommunikation<br />
mit der Welt<br />
Jean-Guihen Queyras, das Ensemble Resonanz und<br />
Ondřej Adámek vermitteln zwischen<br />
Alter und neuer Musik<br />
Jean-Guihen Queyras<br />
Jean-Guihen Queyras gehört zu jenen Musikern, die schon früh ihren<br />
Lebensweg als Instrumentalist vor sich sahen: »Ich habe mit neun angefangen<br />
und schon mit zehn Jahren, als klar wurde, dass ich die Begabung<br />
habe und dass ich schnell lerne, wusste ich es: <strong>Das</strong> wird mein<br />
Leben, das brauche ich, dieses Instrument, diese Musik wird meine<br />
Kommunikation mit der Welt sein.« Queyras wuchs in der südfranzösischen<br />
Provence auf, erhielt Stipendien für die Freiburger Musikhochschule<br />
und für die berühmte Juilliard School in New York. Nach<br />
dem Studium wurde er Mitglied des Ensemble intercontemporain unter<br />
Pierre Boulez. »Boulez ist eine Schlüsselfigur in meinem Leben.<br />
Mit ihm fing ich praktisch als professioneller Musiker an. Er hat mich<br />
auf allen Ebenen geprägt. Die Klarheit, die Transparenz war ihm sehr<br />
wichtig. Ich lernte, Emotionen niemals als Pose darzustellen oder hinauszuposaunen,<br />
sondern verinnerlicht darzubieten.« Als Solist entwickelte<br />
Queyras einen weiten Horizont und fand seinen ganz eigenen,<br />
unverwechselbaren Stil. Er spielt mit Stahl- oder Darmsaiten, je nach<br />
Werk, und widmet sich Alter und neuer Musik mit derselben Hingabe.<br />
»Ich war immer schon neugierig«, sagt Queyras und hat sich ein wichtiges<br />
Prinzip zu eigen gemacht: Routine zu vermeiden.<br />
In die Kölner Philharmonie kommt Jean-Guihen Queyras ausgesprochen<br />
gern. »Ich hatte das große Glück, in den letzten fünfzehn Jahren<br />
oft in der Kölner Philharmonie aufzutreten. Und ich muss sagen: Ich<br />
liebe dieses Publikum! Man kommt auf die Bühne und spürt die Zuhörer<br />
ganz direkt. Sie sind im besten Sinne unkompliziert und aufrichtig.<br />
Da herrscht einfach eine großartige Energie im Konzertsaal.« Die Freiheit,<br />
die sich Jean-Guihen Queyras für sein Wirken wünscht und die<br />
er für seine Entfaltung braucht, findet er in der Zusammenarbeit mit<br />
dem Ensemble Resonanz, mit dem er seit langer Zeit verbunden ist.<br />
<strong>Das</strong> Hamburger Streicherensemble ist wie er in der zeitgenössischen<br />
Musik ebenso zu Hause wie im klassischen Repertoire. Die Kombination<br />
eines der frühesten Cellokonzerte in Deutschland, das ebenso<br />
rasante wie empfindsame a-Moll-Konzert von Carl Philipp Emanuel<br />
Bach, mit einem druckfrischen Werk des innovativen tschechischen<br />
Komponisten Ondřej Adámek ist so recht nach Queyras’ Geschmack.<br />
Adámek sucht in seinen Kompositionen nach starken Kontrasten zwischen<br />
Hässlichkeit und Schönheit, zwischen Stille und Geräusch. Er<br />
steht selbst am Dirigentenpult, wenn sein neues Stück »Illusorische<br />
Teile des Mechanismus« für Violoncello solo und 19 Streicher aufgeführt<br />
wird. »Meine Zuhörer sollen aus dem Konzertsaal herausgehen<br />
mit der Erfahrung, dass sie etwas erlebt haben, das vielleicht ihren<br />
Blick auf das Leben und auf die Welt verändert hat«, so Adámek.<br />
Dieser Satz könnte auch von seiner italienischen Komponistenkollegin<br />
Francesca Verunelli stammen, deren Stück »In margine« für<br />
Streicherensemble – ein Kompositionsauftrag von ACHT BRÜCKEN<br />
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