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MEDIAkompakt Ausgabe 32

Die Zeitung des Studiengangs Mediapublishing an der Hochschule der Medien Stuttgart - www.mediapublishing.org

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02/ 2022 NOT AFRAID 15<br />

Wenn das Kopfkino Realität wird<br />

In Selbstverteidigungskursen lernt man, Grenzüberschreitungen zu erkennen – und sich verbal und<br />

körperlich zu verteidigen. Trainerin Sarah Dannhäuser im Interview.<br />

VON NICOLE TANDLER<br />

Schreib mir, wenn du zu Hause bist.“<br />

Diesen Satz haben die meisten Frauen<br />

schon einmal gehört, bevor sie sich<br />

nachts alleine auf den Heimweg machen.<br />

Doch oft bleibt ein mulmiges<br />

Gefühl und die Frage, wie man sich bei einem tatsächlichen<br />

Angriff verteidigt.<br />

Selbstverteidigungskurse vermitteln, wie man<br />

sich verbal und körperlich besser behaupten und<br />

schützen kann. So können sie das Selbstbewusstsein<br />

fördern und ein sicheres Auftreten erzeugen.<br />

„Es geht viel um Grenzen ziehen, sie zu spüren,<br />

wahrzunehmen und zu benennen“, sagt Sarah<br />

Dannhäuser, Trainerin und Coachin, die in Halle<br />

Kurse für Frauen anbietet.<br />

In ihren Trainingseinheiten lernen Frauen<br />

verschiedene Schlagtechniken aus den Kampfsportarten<br />

Street Combatives und aus dem brasilianischem<br />

Jiu Jitsu.<br />

Beide sind darauf ausgerichtet,<br />

sich in Extremsituationen<br />

auch<br />

gegen Gegner zu wehren,<br />

die körperlich<br />

überlegen sind.<br />

„Viele Techniken,<br />

die in Kampfsportschulen<br />

gelehrt werden,<br />

funktionieren nur,<br />

wenn du gleich groß<br />

bist oder größer. Aber<br />

nicht, wenn du kleiner<br />

und leichter bist. Deswegen<br />

ziehe ich aus allen Bereichen Elemente, die<br />

für uns Frauen praktikabel sind“, sagt Coachin<br />

Dannhäuser.<br />

Sie trainiert mit ihren Schülerinnen simulierte<br />

Stresssituationen, damit sie auch unter Druck<br />

handlungsfähig bleiben können. Durch zusätzliches<br />

Coaching und Impulse beim Training vermittelt<br />

sie auch das nötige Mindset, Situationen<br />

im Vorfeld im Geist durchzuspielen und das Verhalten<br />

dementsprechend anzupassen. Ihr Training<br />

ist darauf ausgerichtet, sicher und selbstbewusst<br />

auftreten zu können.<br />

„Täter suchen nicht die starke Frau“, erklärt<br />

die Trainerin. Denn Körpersprache kann entscheidend<br />

dafür sein, wie Frauen auf potenzielle<br />

Angreifer wirken. Sollten Täter annehmen, dass<br />

eine Frau sich schlecht zur Wehr setzen kann,<br />

greifen sie möglicherweise eher an.<br />

Trotzdem sollte man auf dem Nachhauseweg<br />

vorsichtig sein und auch um Hilfe bitten, wenn<br />

man sich unwohl fühlt. „Selbstverteidigung bedeutet<br />

für mich, heil zu Hause anzukommen“,<br />

meint die Coachin dazu. Deswegen sollte das Ziel<br />

„Da ist auch eine<br />

Hemmschwelle, die<br />

man erst mal überwinden<br />

muss, dass man<br />

sagt ‚Okay ich kämpfe<br />

jetzt‘.“<br />

lauten: Deeskalieren und unverletzt bleiben. Erst<br />

wenn verbale Abwehr und auch Wegrennen erkennbar<br />

nicht helfen, geht es an die körperliche<br />

Verteidigung.<br />

Das Wissen über Schwachpunkte des Angreifers<br />

ist hier essentiell. Wildes um sich schlagen kann<br />

zwar hilfreich sein, aber am besten trifft man da,<br />

wo es wirklich wehtut.<br />

K.O.-Punkte des Körpers sind die Stellen, an<br />

denen man schon mit einem einfachen Schlag<br />

starke Schmerzen auslösen kann: Augen, Nase,<br />

Ohren, obere Bauchregion, Genitalien und das<br />

Schienbein. Schläge auf Augen, Nase oder Ohren<br />

können Angreifer die Sinne rauben und aus dem<br />

Gleichgewicht bringen.<br />

Tritte oder Schläge in die Genitalien, obere<br />

Bauchregion oder gegen das Schienbein können<br />

die Täter auch regelrecht zusammenklappen lassen.<br />

Weitere Möglichkeiten<br />

sind auch Kratzen,<br />

Beißen und Kneifen.<br />

Es ist wichtig, alle<br />

Mittel zu nutzen, die einem<br />

in dem Moment<br />

einfallen.<br />

Für die meisten<br />

Frauen ist es zentral, bei<br />

einem Angriff nicht in<br />

einen Schockzustand<br />

zu verfallen und sich<br />

der eigenen Möglichkeiten<br />

zur Abwehr bewusst<br />

zu werden.<br />

Selbstverteidigung zu erlernen, braucht Zeit.<br />

Wie lange jemand benötigt, um das Gelernte auch<br />

unter Druck einsetzen zu können, ist individuell.<br />

Dazu zählen Faktoren wie Häufigkeit oder Intensität<br />

des Trainings aber auch die Lernenden selbst.<br />

Nicht nur um die Techniken zu beherrschen oder<br />

körperlich fit zu sein, sondern auch den Mut aufzubringen<br />

sich zu wehren.<br />

Trainer Stefan-Lukas Jelusic von der Kampfsportakademie<br />

Nürtingen stimmt hier zu:<br />

„Da ist auch eine Hemmschwelle, die man erst<br />

mal überwinden muss, dass man sagt ‚Okay ich<br />

kämpfe jetzt‘.“<br />

Deshalb braucht es viel Routine, um Gelerntes<br />

ohne zu überlegen abrufen zu können. Trotzdem<br />

ist Selbstverteidigung für alle geeignet. Körperliche<br />

Anstrengung ist zwar vorausgesetzt, aber mit<br />

genug Zeit und Fleiß kann jeder die notwendigen<br />

Techniken erlernen.<br />

Einen Tipp für Anfänger gibt Trainer Stefan<br />

noch mit: „Man darf keine Angst haben und man<br />

sollte mutig und bereit sein, Neues auszuprobieren.“<br />

Bild: Sarah Dannhäuser

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