MEDIAkompakt Ausgabe 32
Die Zeitung des Studiengangs Mediapublishing an der Hochschule der Medien Stuttgart - www.mediapublishing.org
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8 NOT AFRAID<br />
mediakompakt<br />
Pop the Bubble<br />
Klick auf Insta: Veganer Bananenkuchen, Fridays for Future,<br />
Handlettering. Alles außerhalb des gewohnten Medienverhaltens<br />
wird weggefiltert. Dieser Artikel zeigt, wie die eigene Filterblase<br />
funktioniert und wie man sie platzen lassen kann.<br />
VON JENNY HUBER<br />
Bild: Unsplash/ Sandra Seitamaa<br />
Mut sich mit differenzierten Meinungen<br />
auseinanderzusetzen –<br />
das ist gar nicht so einfach. In Anbetracht,<br />
dass Algorithmen jeder<br />
Nutzerin und jedem Nutzer nur<br />
bestimmte Informationen in die Timeline spielen.<br />
So besitzt jede:r einen eigenen Strauß aus Informationen,<br />
die einen Diskurs erschweren.<br />
Mittlerweile nutzen alleine in Deutschland<br />
72,6 Millionen Personen Social Media. Google hat<br />
mit über 80 Prozent Marktanteil im Suchmaschinen-Markt<br />
eine monopole Stellung. Kostenlos ist<br />
beides – wir bezahlen mit unseren Daten. So landen<br />
Meldungen, Beiträge oder Nachrichten auf<br />
unserer Timeline, die zu uns und unserem Medienverhalten<br />
passen sollen. Konträre Meinungen<br />
tauchen hingegen sehr selten auf. Wissenschaftler:innen<br />
nennen dieses Phänomen Filterbubbles.<br />
Der Hohenheimer Kommunikationswissenschaftler<br />
Wolfgang Schweiger definiert die Filterblase<br />
in seinem Buch<br />
„Der (des)informierte<br />
„Lieber aktiv selektieren,<br />
als passiv konsumieren.<br />
So kann man<br />
dem Sog einer Filterblase<br />
entkommen.“<br />
Bürger im Netz” als<br />
„maßgeschneidertes<br />
Angebot an Informationen”.<br />
Mit jeder Interaktion,<br />
sprich jedem<br />
spontanen Link, Kommentar<br />
und Teilen,<br />
wird das Profil der Filterblase<br />
langfristig<br />
nachgebessert.<br />
Dass Filterblasen<br />
erst mit Beginn vom<br />
Web 4.0 entstanden sind, entkräftet Jens Vogelgesang<br />
von der Universität Hohenheim. Dort ist er<br />
Professor und Fachgebietsleiter für Kommunikationswissenschaft,<br />
insbesondere für Medien- und<br />
Nutzungsforschung. „Ähnliches hat sich schon<br />
immer zu Ähnlichem gesellt“, verdeutlicht er und<br />
spielt dabei auf das Prinzip der Homophilie an.<br />
Dieses besagt, dass Menschen sich gerne in Gruppen<br />
aufhalten, deren Mitglieder dieselben Werte,<br />
Ziele und Sympathien haben. Während sich die<br />
einen Gruppen nicht an Hundebildern sattsehen<br />
können, interessieren sich andere vor allem für<br />
Motorsport oder Interior Design.<br />
Doch durch Filterblasen entsteht ein einseitiges<br />
Bild der Welt: Das soziale Abbild, das wir<br />
durch soziale Medien und Suchmaschinen vermittelt<br />
bekommen, zeigt oft nicht das vollständige<br />
Bild vom aktuellen Diskurs und ist meist sogar<br />
von Meinungen anderer bereinigt. Die eigene<br />
Wahrnehmung wird immer wieder bekräftigt und<br />
uns wird bestätigt, dass die persönliche Meinung<br />
richtig ist und alle anderen auch so denken. Auch<br />
wenn Fakten im Allgemeinen nicht stimmen und<br />
nur die Meinung einer Minderheit reproduziert<br />
wird. Filterblasen können weitreichende Folgen<br />
haben, wenn Nutzer:innen dabei in ein sogenanntes<br />
Rabbit Hole versinken. Wie bei Alice im<br />
Wunderland werden sie immer weiter in einen<br />
Sog aus Informationen gezogen. Existiert die Informationsquelle<br />
abseits der klassischen, etablierten<br />
Medien und verfolgt gewisse Ideologien, kann<br />
daraus eine verzerrte Realitätswahrnehmung resultieren.<br />
Die individuelle Einschätzung zwischen<br />
wahr und falsch wird erschwert, sodass alternative<br />
Fakten als absolute Realität wahrgenommen<br />
werden. Zur Vermeidung von starren Filterbubbles<br />
sollte die persönliche Meinung also stetig<br />
hinterfragt werden, um nicht in einem festgefahrenen<br />
Weltbild zu verharren.<br />
Faire Diskussionen<br />
können nur in einer<br />
funktionierenden Demokratie<br />
stattfinden.<br />
„Ohne Gegenrede<br />
funktioniert Demokratie<br />
nicht”, erklärt Jens<br />
Vogelgesang. Es sei<br />
wichtig, sich über verschiedene<br />
Standpunkte<br />
auszutauschen, solange<br />
die Diskussion auf demokratischem<br />
Boden stattfinde. Er appelliert,<br />
„durch Gegenrede nicht entnervt zu werden”,<br />
sondern Mut zu fassen und sich mit differenzierten<br />
Meinungen auseinanderzusetzen.<br />
Wie Nutzer:innen aus ihrer Filterblase austreten<br />
können, erläutert Vogelgesang weiter: „Empfehlenswert<br />
ist es, gezielt verschiedene voneinander<br />
unabhängige Medienanbieter wie Die Zeit,<br />
Der Spiegel oder Welt zu nutzen und die unterschiedlichen<br />
Kommentarlinien miteinander zu<br />
vergleichen. So verfolgt beispielsweise Welt eine<br />
liberal-konservative Ansicht. Lieber aktiv selektieren,<br />
als passiv konsumieren. So kann man dem<br />
Sog einer Filterblase entkommen. Wichtig dabei<br />
ist, laut Jens Vogelgesang, die Neugier, sich „Zeit<br />
für differenzierte Meinungsbildung zu nehmen,<br />
vielleicht lernt man ja was Neues.“