MEDIAkompakt Ausgabe 32
Die Zeitung des Studiengangs Mediapublishing an der Hochschule der Medien Stuttgart - www.mediapublishing.org
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02/ 2022 NOT AFRAID 29<br />
Leben wie ein Hund<br />
Durch die Pandemie ist der Bedarf nach Welpen enorm gestiegen, doch oft stammen die Tiere aus<br />
illegalen Zuchtbetrieben, wo sie wie Ware produziert werden. Was sind die Folgen dieses skrupellosen<br />
Geschäftsmodells und wie kann es gestoppt werden?<br />
VON DIANA HOLZ<br />
Eng, stickig, kalt – beklemmende erste<br />
Eindrücke für ein junges Leben. Und<br />
doch sind sie für viele Welpen bittere<br />
Realität. Viel zu früh ihren Müttern<br />
entrissen, leiden die Tiere ihr ganzes<br />
Leben unter den Folgen der Trennung. Ohne das<br />
Säugen entwickelt sich ihr Immunsystem nicht<br />
ausreichend, was sie anfällig für Krankheiten<br />
macht. Zusammen mit der mangelhaften Versorgung<br />
bewirken diese Umstände, dass viele der<br />
Welpen erkranken und innerhalb kürzester Zeit<br />
versterben. Überstehen die jungen Hunde die ersten<br />
Lebenswochen, zeigen sie oft Verhaltensauffälligkeiten<br />
wie Angst oder Aggressivität. „Von ihren<br />
Eltern und Geschwistern lernen sie in der Prägephase<br />
zu kommunizieren. Diese Möglichkeit<br />
wird den Welpen genommen“, erklärt Lea<br />
Schmitz, Pressesprecherin beim Deutschen Tierschutzbund.<br />
Auch die erwachsenen Tiere leiden<br />
unter dem schrecklichen<br />
Geschäft. In der Broschüre<br />
Illegaler Welpenhandel<br />
– Fakten und Hintergründe<br />
von Vier Pfoten<br />
wird erläutert, Hündinnen<br />
seien Gebärmaschinen,<br />
die einen Wurf<br />
nach dem anderen produzieren.<br />
Die Rüden<br />
würden zum Deckakt gezwungen, oft unter dem<br />
Einfluss von Hormonen. Die Tiere lebten in engen<br />
Verschlägen ohne Sonnenlicht. Eine medizinische<br />
Betreuung sei ausgeschlossen, die Kosten<br />
würden den Gewinn schmälern.<br />
Um nicht aufzufallen, verlangen die illegalen<br />
Züchter:innen die gleichen hohen Preise wie ihre<br />
seriösen Kolleg:innen. Für Welpen sogenannter<br />
Trendrassen wie Zwergspitz oder Malteser besteht<br />
eine extrem hohe Nachfrage. Käufer:innen sind<br />
bereit, mehrere Tausend Euro zu zahlen. Ein lukratives<br />
Geschäft für die illegalen Züchter:innen:<br />
Auswertungen des Deutschen Tierschutzbundes<br />
zeigen, dass 85 Prozent der illegal gehandelten<br />
Tiere Rassehunde sind.<br />
Die größten Verkaufskanäle sind Onlineplattformen<br />
wie eBay Kleinanzeigen. Dort können die<br />
Verkäufer:innen verdeckt agieren. Durch falsche<br />
Angaben zur eigenen Person und den Welpen ist<br />
eine Unterscheidung zwischen seriösen und unseriösen<br />
Angeboten praktisch nicht mehr machbar.<br />
„Im schlimmsten Fall hat man einen Welpen ohne<br />
Kaufvertrag und ohne Anschrift, der oft kurz<br />
darauf krank wird oder es schon ist“, mahnt<br />
Schmitz. Die Verkäufer:innen verschwinden in<br />
der Anonymität des Internets.<br />
„Tiere sind keine Ware<br />
und sollten nicht per<br />
Klick im Internet gekauft<br />
werden.“<br />
Tierschutzorganisationen wie der Deutsche<br />
Tierschutzbund und Vier Pfoten fordern daher die<br />
Prüfung der Angebote durch die Plattformen.<br />
Auch ein Identitätsnachweis sei dringend einzuholen.<br />
Außerdem sollen die Portale enger mit den<br />
zuständigen Behörden zusammenarbeiten, um<br />
unseriöse Händler:innen schneller aufzudecken<br />
und zu stoppen. Eine deutschlandweit einheitliche<br />
Kennzeichnungspflicht ist laut den Organisationen<br />
eine weitere sinnvolle Maßnahme. So<br />
könnte bei allen Hunden schnell und zuverlässig<br />
überprüft werden, woher sie stammen und wem<br />
sie gehören. Der Koalitionsvertrag der Ampelparteien<br />
sieht eine solche Kennzeichnungs- und Registrierungspflicht<br />
vor. Der Onlinehandel mit<br />
Heimtieren soll durch eine verpflichtende Identitätsüberprüfung<br />
eingeschränkt werden. Langfristig<br />
fordert der Deutsche Tierschutzbund ein komplettes<br />
Verbot des Onlinehandels von Tieren.<br />
„Tiere sind keine Ware<br />
und sollten nicht per<br />
Klick im Internet gekauft<br />
werden. Eine Adoption<br />
sollte immer vor Ort<br />
stattfinden“, appelliert<br />
Lea Schmitz.<br />
Die Welpen kommen<br />
meist aus Osteuropa<br />
nach Deutschland. Eine<br />
sinnvolle europäische Maßnahme wäre ein EUweites<br />
Register für Heimtiere. In vielen Mitgliedsstaaten<br />
existieren bereits solche Register. Eine<br />
Vernetzung würde dazu beitragen, die Nachverfolgung<br />
von Welpen zu erleichtern. Illegale Züchter:innen<br />
könnten so nicht mehr unter dem Radar<br />
der Behörden agieren. Das umzusetzen, sei laut<br />
Lea Schmitz aber kompliziert und schwer zu erreichen.<br />
Der Fokus des Deutschen Tierschutzbunds<br />
richte sich daher auf Deutschland als großes Abnehmerland<br />
für die illegalen Welpen. „Die Nachfrage<br />
bestimmt das Angebot“, erläutert Schmitz,<br />
„fällt diese weg, wird das Geschäft für die Händler<br />
weniger attraktiv“. Die Aufklärung vor Ort sei daher<br />
äußerst wichtig. Organisationen wie der Deutsche<br />
Tierschutzbund raten: „Hände weg vom Onlinekauf!“<br />
Tierliebe Menschen sollten seriöse<br />
Züchter:innen vor Ort durch Empfehlungen finden<br />
oder eine Adoption in einem der zahlreichen<br />
Tierheime in Erwägung ziehen.<br />
Weiterführende Informationen:<br />
www.tierschutzbund.de<br />
www.vier-pfoten.de<br />
www.bmel.de/welpenhandel<br />
Bild: Pixabay