MEDIAkompakt Ausgabe 32

02/ 2022 NOT AFRAID 7
(Alb)traum: Bühne
Bild: Fynn Freund
Eine eigene Tour, ausverkaufte Konzerte und Fans, die den Namen rufen – wer möchte das nicht?
Aber was, wenn dieser scheinbare Traum mit Schlaflosigkeit und Angst einhergeht? Musiker Jakob
Bruckner erzählt von seinen Erfahrungen.
VON ANN-KATHRIN SKIBA
Die Pandemie war für viele Künstler:innen herausfordernd.
Was hat sie denn für euch bedeutet?
Wir hatten gerade unsere zweite Single aus dem
neuen Album veröffentlicht, als der erste Lockdown
kam. Wir hätten unsere erste Festival-Saison
und eine eigene Tour gespielt.
Ehrlich gesagt war ich aber erleichtert, als die verschoben
wurde. Vor dieser Tour war ich unfassbar
unsicher und dachte wir wären zu schlecht zum
Auftreten. Im Nachhinein weiß ich, dass mir die
Auftritte wahnsinnig viel gegeben und von der
Unsicherheit genommen hätten.
Wie äußert sich diese Unsicherheit bei dir?
Ich bin sehr gut darin, mich in Gedankenspielen
zu verlieren. Mein Kopf wandert und malt sich
Worst-Case-Szenarien aus. Beispielsweise, dass
niemand zum Konzert kommt. Selbst wenn da
Sold Out steht, denke ich es kommt niemand,
weil vielleicht noch eine geilere Band in der Stadt
spielt.
Besonders krass ist das, wenn ich lange nicht
mehr vor Menschen gespielt habe. Dann bin ich
saunervös, von Schlaflosigkeit geplagt und bekomme
Herzrasen. Gerade während Corona war
das schlimm – den Festivalsommer ‘21 mussten
wir deshalb komplett absagen.
Gibt es Faktoren, die diese Ängste verstärken?
Veränderungen im Team sind schwer für mich.
Oder auch wenn bei einem Gig andere Bands
spielen, die gerade richtig durchstarten und die
man selbst feiert – das schüchtert ein.
Ich glaube so geht es aber vielen Künstlern. Dieses
Extrovertierte, was man sieht, ist oft eine Überspielung
von Unsicherheit.
Wie schaffst du es trotzdem auf die Bühne? Hast du
Strategien, die dir helfen?
Atmen! Ich zieh meine Lunge so voll es geht, drücke
alle Luft raus und wenn nichts mehr geht,
noch ein bisschen mehr. Das mach ich 10 bis 15
Mal.
Während Corona habe ich auch eine Therapie angefangen.
Dort habe ich gelernt zu erkennen,
wenn mein Kopf sich verselbstständigt und in eine
Negativspirale gerät. Wenn ich da früh reingehe,
werden die Ängste nicht so groß.
Gibt es Möglichkeiten, von außen zu unterstützen?
Ich kann mich an Berlin auf der letzten Tour erinnern,
wo vor dem Konzert schon laut „Bruckner“-Chöre
angestimmt wurden, das gibt auf jeden
Fall einen kranken Push!
Bild: Fynn Freund
Habt ihr Rituale, die ihr vor einem Konzert durchgeht?
Bühnenoutfit anziehen, Zähneputzen, Stretchen.
Und spätestens eine halbe Stunde vor dem Konzert
muss backstage laut Gute-Laune-Musik laufen.
Dazu tanze ich dann die Nervosität so gut es geht
raus, so lässt sie sich in etwas Positives kanalisieren.
Kurz vor dem Gig umarmen wir uns noch mal
alle und dann geht’s raus!
Kannst du deinen Unsicherheiten auch was Positives
abgewinnen?
Meine Unsicherheiten haben mich zum Musikmachen
getrieben und mich meine Leidenschaft
finden lassen. Als ich gemerkt habe, dass ich Zuspruch
bekomme, wenn ich öffentlich singe oder
spiele, hat das viel mit mir gemacht und mein
Selbstbewusstsein verändert. Ich konnte mich
selbst plötzlich mehr lieben kann und Musik wurde
zu einer zentralen Sache in meinem Leben.
Hast du Tipps für Leute mit ähnlichen Problemen?
Mir helfen Meditations-Apps und Sport. Bei Schlaflosigkeit
hilft mir außerdem Tagebuchschreiben!
Wenn ich mich im Bett rumwälze, stehe ich auf,
setze mich an den Schreibtisch und schreibe auf,
was mir durch den Kopf geht. Und natürlich –
Handy weglegen!
Was steht bei Bruckner in kommender Zeit an?
Wir sind gerade viel im Studio, planen und drehen
Musikvideos und veröffentlichen bald einen
neuen Song. Dann geht es an den Festivalsommer
und unsere coronabedingt verschobene Tour.
Am 20. April 2023 sind wir mit der Tour auch wieder
im Wizemann in Stuttgart!