Kulturfenster Nr. 02|2022 - April 2022

erprobt
Bläserklasse –
das Modell der Zukunft?
In mehreren Schulen Südtirols wird die neue Form der
Musikförderung erprobt
Bläserklasse –
Die Denition
Hans Finatzer, Verbandsjugendleiter im VSM
… im Duden: Schulklasse,
in der alle
Schüler*innen ein
Blasinstrument lernen
(und gemeinsam ein
Blasorchester bilden)
… auf Wikipedia: Die
Bläserklasse ist eine
Schulklasse, die statt
am herkömmlichen
Musikunterricht, an einer
anderen Form des
Musikunterrichts teilnimmt. Alle Schüler
erlernen während mindestens zwei
Schuljahren ein Blasinstrument oder
auch das Schlagzeug, die Klasse bildet
ein Sinfonisches Blasorchester.
Zusätzlich werden auch Stunden eingerichtet,
in denen die Kinder mit anderen
Schülern, die das gleiche Instrument
spielen, von einem Lehrer
unterrichtet werden (Registerunterricht).
Eine besondere musikalische
Begabung wird dabei nicht vorausgesetzt,
im Mittelpunkt steht das Bestreben,
auf diese Weise ein langfristiges
Interesse an Musik zu vermitteln und
die Freude an gemeinsamen Erfolgen
zur Stärkung des Klassenverbundes zu
nutzen. Die wissenschaftliche Basis bildet
eine Studie, der zufolge das Musizieren
von Kindern und Jugendlichen
deren Lernverhalten und Konzentrationsfähigkeit
verbessern soll.
Der Begriff „Bläserklasse“ wird auch allgemein
für das gemeinschaftliche Erlernen
von Blasorchesterinstrumenten
nach dem Konzept der Bläserklassen
verwendet
Bereits vor über 10 Jahren wurde bei einer Sitzung der Fachgruppe
„Jugend“ im Österreichischen Blasmusikverband (ÖBV) das
Modell der „Bläserklassen“ vorgestellt. Damals bekundeten strukturschwache
Gebiete – wie das Burgenland – Interesse am neuartigen Modell, um dem
drohenden „Aussterben“ von Kapellen in manchen Randbezirken Einhalt zu gebieten.
Für große Verbände wie Salzburg, Tirol oder Südtirol bestand freilich ein recht geringes
Interesse, da sie sich damals in einer absoluten Wohlfühlsituation befanden, was die
Zahl der Einschreibungen, die Anzahl der Anwärter*innen und die Jugendarbeit in den
Vereinen eindeutig belegte.
Der demografische und gesellschaftliche Wandel, die zunehmende Anzahl an leicht erreichbaren
Freizeitangeboten und nicht zuletzt die Corona-Pandemie haben uns deutlich
vor Augen geführt, dass das Interesse und der Zustrom neuer Mitglieder in unseren
Musikkapellen abnehmen.
Die Situation ist komplex: Dank der Musikschulen ist zwar ein gutes Maß an Ausbildung
gegeben, Musikkapellen und Jugendleiter*innen suchen aber immer wieder nach
neuen Wegen, um interessierte Kinder und Jugendliche für den örtlichen Verein zu begeistern.
Auch gut durchdachte Initiativen führen oft nicht zum gewünschten Erfolg.
Das ist zeitraubend und manchmal auch frustrierend, wenn nach unzähligen Bemühungen
keine Neuanmeldungen erfolgen. Für kleine Musikkapellen kann das auf längere
Sicht existenzbedrohend sein.
Toblach - erste Bläserklasse in Südtirol
Hannes Schrötter, Verbandsjugendleiter-Stellvertreter im VSM
Noch im Herbst 2013 ließen sich die auszubildenden
Jungmusikant*innen der Musikkapelle Toblach auf einer
Hand abzählen. Mehrere waren die Gründe, warum der Zulauf
stetig zurückgegangen war: Das Angebot an anderen Freizeitaktivitäten
im Dorf und Umgebung war groß, die Warteliste an
der Musikschule lang und auch die Einführung der Fünf-Tage-Woche in der Schule
hinterließ ihre Spuren. Die Musikkapelle musste sich nach neuen Wegen zur Nachwuchswerbung
umschauen – und bald darauf war die erste Bläserklasse in Südtirol
geboren. Dieses Konzept sieht vor, dass Kinder im Rahmen des Schulunterrichts gemeinsam
musizieren. Heute wird diese Idee an mehreren Schulen in Südtirol umgesetzt
und hat durchaus Früchte getragen. In den folgenden Beiträgen sprechen drei
„Pioniere“ der Bläserklasse in Südtirol über ihre Erfahrungen.
KulturFenster
37 02/April 2022