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Kulturfenster Nr. 02|2022 - April 2022

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gehört & gesehen<br />

mit Österreich 1863, das Landesschützenfest<br />

zum 40. Regierungsjubiläum Kaiser<br />

Franz Josephs 1888, die Enthüllung des<br />

Waltherdenkmals 1889 oder das Pontifikalamt<br />

zum 50. Priesterjubiläum von<br />

Papst Pius X. 1908, die in maßgeblicher<br />

Weise von Militärkapellen mitgestaltet wurden,<br />

waren Ausdruck einer systemerhaltenden<br />

und patriotismusgetränkten Festkultur.<br />

„Für politische Inszenierungen oder<br />

gesellschaftliche Rituale war Musik also<br />

nicht nur schmückendes Beiwerk, sondern<br />

sie überhöhte wichtige Ereignisse<br />

und Prozesse, indem sie ihnen Emotionalität<br />

und Wärme verlieh und dadurch<br />

ihre Wirkung vergrößerte.“ 1 Dabei waren<br />

es wohl vor allem immer wieder gespielte<br />

Stücke, wie die Volkshymne und der „Radetzkymarsch“,<br />

die eindeutige politische<br />

und identitätsstiftende Botschaften aussandten<br />

und „Armee und Gesellschaft zu<br />

einer homogenen Gruppe, die als solche<br />

geschlossen in den Krieg zog“ 2 formten.<br />

„Bozner Zeitung“ und<br />

„Bozner Nachrichten“<br />

Die Militärmusik war eine feste Größe im Musikleben Bozens. Neben den regelmäßigen<br />

Konzerten auf öffentlichen Plätzen und in Gaststätten bestritt sie aber auch zahlreiche Auftritte<br />

bei Festen und Feiern von Vereinen und stellte sich somit in den Dienst der Bürgerschaft.<br />

In Ihrer Ausgabe vom 31. März 1901 kündigten die „Bozner Nachrichten“ gleich<br />

vier Militärkonzerte an.<br />

Die beiden führenden lokalen Zeitungen<br />

– die deutsch-freiheitliche und antiklerikale<br />

„Bozner Zeitung“ und die moderateren<br />

„Bozner Nachrichten“ – waren<br />

den Militärkapellen grundsätzlich gewogen<br />

und berichteten regelmäßig, ausführlich<br />

und meist wohlwollend über deren<br />

Auftritte. Sie vermitteln auf diese Weise<br />

einen umfassenden Eindruck vom Stellenwert<br />

der Militärmusik in der Bozner<br />

Zivilgesellschaft. Zudem wurden Militärkonzerte<br />

von den privaten Veranstaltern<br />

häufig in bezahlten Anzeigen im Inseratenteil<br />

angekündigt.<br />

Die Konkurrenz zwischen Militärmusik<br />

und zivilen Kapellen führte auch in Bozen<br />

gelegentlich zu Spannungen. Bei der<br />

Vergabe der Kurmusik oder auch bei der<br />

Bereitstellung von Ballmusik während des<br />

veranstaltungsreichen Bozner Faschings<br />

unterboten Militärkapellen wiederholt lokale<br />

Orchester und schürten so Existenzängste<br />

bei den zivilen Musikern, die um<br />

ihr Einkommen bangen mussten. Selbst<br />

Eingaben an das Kriegsministerium und<br />

spaltenlange Stellungnahmen des österreichisch-ungarischen<br />

Musikerverbandes<br />

gegen die „ungehörige gewerbliche Thätigkeit<br />

der Militärcapellen“ änderten aber<br />

nichts an deren extensivem Musizieren für<br />

ein ziviles, militärbegeistertes Publikum.<br />

titätsstiftenden habsburgischen Patriotismus,<br />

der die „Welt von gestern“ als von<br />

Gottes Gnaden und somit als unumstößlich<br />

inszenierte. Besonders Großveranstaltungen<br />

wie beispielsweise die Kaiser-<br />

Geburtstage, die Festlichkeiten anlässlich<br />

der 500-Jahr-Feier der Vereinigung Tirols<br />

Begeisterung und<br />

kritische Stimmen<br />

Der aus Liebhaber-Musikanten bestehenden<br />

Bozner Feuerwehrkapelle wurden die<br />

Militärkapellen von den Zeitungen gerne<br />

als Vorbild hingestellt. Dass dabei stets<br />

auf die überragenden (und somit unein-<br />

KulturFenster<br />

54 02/<strong>April</strong> <strong>2022</strong>

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