Kulturfenster Nr. 02|2022 - April 2022
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Blasmusik<br />
holbaren) Qualitätsvorsprünge der Militärmusik<br />
hingewiesen wurde, kann kaum sehr<br />
motivierend auf die Musikanten der Feuerwehrkapelle<br />
gewirkt haben, ebenso die<br />
Tatsache, dass die Militärkapellen schon<br />
allein wegen ihrer ständigen Verfügbarkeit<br />
bei so gut wie allen zivilen Anlässen<br />
die „erste Geige“ spielten und die zivile<br />
Kapelle an den Rand der öffentlichen<br />
Wahrnehmung drängten. Und war gerade<br />
einmal keine Militärkapelle in Bozen verfügbar,<br />
wurde nicht gezögert, eine solche<br />
aus Trient oder Innsbruck anzuheuern.<br />
Bei aller Begeisterung für die Militärkapellen<br />
gab es aber durchaus auch kritische<br />
Stimmen, die in der vollständigen<br />
Vereinnahmung der zivilen Musikkultur<br />
den vom Staat im Bewusstsein der „manipulativen<br />
Wirkung von Musik“ 3 betriebenen<br />
Versuch sahen, der Militarisierung<br />
der Gesellschaft Vorschub zu leisten. „Die<br />
Sublimierung des Militärischen durch die<br />
Regimentsmusik bewirkte im kollektiven<br />
Unbewussten eine ähnliche Akzeptanz<br />
der Kriegsbegriffe, wie die Umgangssprache<br />
im Wohlklang der Worte ‚Grenadier‘,<br />
‚Musketier‘, ‚Kavalier‘ den brutalen<br />
Granatenwurf, den tödlichen Musketenstich<br />
und die Schlacht mit Ross und Reiter<br />
veredelte und aus dem Horrorkabinett<br />
kriegerischer Gräueltaten erlöste.<br />
Was die wohlklingenden Begriffe Husar,<br />
Schütze, Dragoner an Todbringendem verbargen,<br />
verklärten die Harmonie der Akkorde<br />
und der wohltuende Gleichschritt<br />
des Marsches.“ 4<br />
Die „zivilen Kapellmeister“<br />
in der Militärmusik<br />
3 Heft 3<br />
DER SCHLERN 96/<strong>2022</strong> Heft<br />
Poste Italiane SpA – Versand im Postabonnement – ges. Dekr. 353/2003 (abgeändert in Ges. 27/02/2004 <strong>Nr</strong>. 46) Art. 1, Komma 1, CNS Bozen – GEBÜHR BEZAHLT/TAXE PERCUE – 22,00 €<br />
96/<strong>2022</strong><br />
seit 1920<br />
Zwischen Tag-Reveille<br />
und Zapfenstreich<br />
Zur Rolle der k.(u.) k. Militärmusik im öffentlichen<br />
Leben Bozens im Spiegel der lokalen Presse<br />
Der in Gries wohnhafte Dr. Hermann Eichborn<br />
positionierte sich unmissverständlich<br />
in dieser Frage und legte seine Kritik in<br />
der 1909 erschienen Streitschrift „Militarismus<br />
und Musik“ dar. Darin konstatiert<br />
er auch das Schwinden der Kritikfähigkeit<br />
angesichts des „Zaubers der Montur“.<br />
5 Allerdings war sein bereits 1894 in<br />
der „Bozner Zeitung“ erschienenes Pamphlet<br />
gegen die „kriecherischen Schmeicheleien“<br />
zu Gunsten „einer besäbelten,<br />
und bunthosigen Kapelle“ nicht ganz frei<br />
von Eigennutz: die in Bozen stationierte<br />
Militärkapelle hatte die Vereinskapelle des<br />
Dr. Eichborn bei der Vergabe der Kurmusik<br />
unterboten und den Zuschlag erhalten.<br />
Wollte man aber das Wesen der Militärmusik<br />
allein an Militarismus und Patriotismus<br />
festmachen, bedeutete dies eine<br />
unzulässige Vereinfachung des Phänomens.<br />
Die außerdienstliche Verwendung<br />
der Militärkapellen war 1886 vom Kriegsministerium<br />
in sehr restriktiver Weise geregelt<br />
worden 4 und musste jedes Mal vom<br />
Regimentskommando genehmigt werden.<br />
Allerdings wurden diese Einschränkungen<br />
in den Garnisonen wohl kaum sehr<br />
ernst genommen. Im gesamten hier untersuchten<br />
Zeitraum ist nur ein einziger<br />
Fall dokumentiert, in dem diese Genehmigung<br />
zunächst verweigert, schließlich<br />
aber doch erteilt wurde. Somit kann angenommen<br />
werden, dass die zivilen Kapellmeister,<br />
die ja die bestimmende Kraft<br />
in den Militärmusiken waren, weitgehend<br />
freie Hand in der Übernahme von musikalischen<br />
Verpflichtungen hatten und sich<br />
dabei wohl sehr oft von kommerziellen<br />
Aspekten leiten ließen. Zum einen war<br />
die fi nanzielle Ausstattung der Militärkapellen<br />
seitens des Staates recht spärlich,<br />
zum anderen waren die Kapellmeister an<br />
den durch außerdienstliche Auftritte generierten<br />
Einnahmen beteiligt. So entwickelten<br />
sich die Militärkapellen zu einem<br />
zivilen Unterhaltungsmedium, das sich<br />
wohl auch auf Grund des größtenteils zivilen<br />
Repertoires jenseits staatlicher Einflussnahme<br />
positionierte. „Wenn Militärmusiker<br />
unsichtbar im Orchestergraben<br />
„Der Schlern“ mit<br />
der ausführlichen<br />
Abhandlung ist im<br />
Zeitungshandel sowie<br />
online erhältlich:<br />
eines Theaters spielten, war deren Militärzugehörigkeit<br />
bedeutungslos. In solchen<br />
Situationen greift […] kein Militarismuskonzept<br />
mehr, in solchen Situationen<br />
wurde die Militärmusik vom Bürgertum<br />
vereinnahmt und kurzzeitig ein Teil der<br />
zivilen Welt.“<br />
Klaus Bragagna<br />
1 Scheiring, Martin: Musik in Uniform 1914-1918, Militärmusik<br />
und Soldatenlieder in der k. u. k. Armee<br />
während des Ersten Weltkriegs. Mit einer fachdidaktischen<br />
Umsetzung für den Unterricht, Diplomarbeit,<br />
Innsbruck 2013, S. 17.<br />
2 Scheiring, Martin: ebd. S. 45.<br />
3 Vgl. Kotter, Simon: Die k. (u.) k. Militärmusik: Bindeglied<br />
zwischen Armee und Gesellschaft? [online],<br />
Augsburg, Univ., 2015, S. 117.<br />
4 Stuppner, Hubert: Musik und Gesellschaft in Südtirol,<br />
Band 1, Bozen 1800-2000, S. 327 f., Bozen 2009.<br />
5 Vgl. Kotter, Simon: ebd. S. 115 f.<br />
6 Zirkular-Verordnung vom 6. Juli 1886, Punkt 1: „Die<br />
außer-dienstliche Verwendung der Militär-Musiken<br />
an öffentlichen Orten ist nur unter der Bedingung<br />
gestattet, dass denselben unter allen Verhältnissen<br />
der Charakter einer militärischen Institution gewahrt<br />
bleibe. Sie ist grundsätzlich nur dann zulässig, wenn<br />
die Veranlassung, beziehungsweise Gelegenheit, zu<br />
welcher die Musik angesprochen wird, weder einen<br />
politischen Charakter an sich trägt, noch sich hiebei<br />
demonstrative Kundgebungen voraussetzen lassen.<br />
An Festlichkeiten oder Demonstrationen politischer<br />
Tendenz dürfen sich Militär-Musiken nicht<br />
betheiligen.“ zitiert nach Kotter, Simon: ebd. S. 60.<br />
7 Kotter, Simon: ebd. S. 120.<br />
KulturFenster<br />
55 02/<strong>April</strong> <strong>2022</strong>