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MPX<br />
ERFAHRUNGSBERICHT<br />
16 Szene<br />
Wie geht es eigentlich denen,<br />
die die Krankheit durchleiden?<br />
Einer davon, nennen wir ihn Max Musterschwuler<br />
aus Hodenhagen, hat sein<br />
Rendezvous mit MPX sehr eindrücklich<br />
und schonungslos dokumentiert.<br />
TRIGGERWARNUNGEN: KÖRPERFLÜS-<br />
SIGKEITEN, SCHMERZ, WUNDEN, SEX<br />
Eigentlich wars nur ein Pickel am Sack<br />
Auch wenn ich Pelz liebe, so gehört für<br />
mich dennoch an mancher Stelle ein<br />
wenig mit dem Rasierer korrigiert. Wie<br />
immer: Da wo rasiert wird, gibts auch mal<br />
Rasierpickel oder eingewachsene Haare.<br />
Man spricht nicht gerne drüber, aber so<br />
ist es halt. Und so habe ich wohl das erste<br />
Anzeichen auch einfach geschmeidig<br />
ignoriert. Kleine Rötung, nicht mal ein<br />
echtes Püstelchen an einem Haaransatz.<br />
Das ging auch erstmal weg – also kein Problem.<br />
Daten, Sauna oder auch mal auf eine<br />
ausschweifenderen Fetischveranstaltung.<br />
Schwules leben, wie es halt so ist. Dann<br />
kam dieses lästige Rasierpickelchen wieder.<br />
Es folgten ein paar Nachbarn. Nichts<br />
Wildes. Okay. Lass den Schwanz mal ein<br />
paar Tage ruhen. Das wird schon wieder.<br />
EINE GIGANTISCHE<br />
FEHLEINSCHÄTZUNG<br />
Es entwickelten sich Entzündungsherde,<br />
richtig fies und fett. Mein erster Verdacht<br />
war erstmal, „Scheiße, Syphilis + X“.<br />
Aber die Vehemenz, die Stärke dieses<br />
Ausschlags war ungeheuerlich. Es brannte,<br />
der Schwanz fett geschwollen und<br />
Schmerzen. Man wollte sich schon gar<br />
nicht mehr anfassen – alles tat weh. Rohes,<br />
inflammatorisches Fleisch. Eines stand<br />
fest: Auf eine ärztliche Meinung im Rahmen<br />
meines Regeltermins zum Check-up<br />
konnte DAS nicht mehr warten. Zum Glück<br />
gab es einen Spontantermin. Der Arzt<br />
stellte kühl und trocken fest:<br />
DIE POCKEN. ICH WAR BEDIENT.<br />
Was hatte ich eigentlich so getan? Nicht<br />
viel, nur an den Wochenenden, meist<br />
privat. Und irgendwie und überhaupt – das<br />
trifft doch nur dieses Party-Tunten von<br />
Gran Canaria, die im Bunker eher ne<br />
„Die ganze<br />
Klischeebox, mit der<br />
ich meinesgleichen<br />
gerne so verachtend<br />
strafe, fiel in sich<br />
zusammen.“<br />
Sprengladung als meine Aufmerksamkeit<br />
abbekommen würden. Waren das nicht<br />
gerade mal eine Hand voll Fälle irgendwo<br />
in den Sumpfgebieten von Spree und<br />
Rhein? Die ganze Klischeebox, mit der ich<br />
meinesgleichen gerne so verachtend strafe,<br />
fiel in sich zusammen. Ich war also einer von<br />
diesen ominösen, schmuddeligen 200 Fällen<br />
in Deutschland, wovon die Mehrheit laut<br />
Presse in Berlin ist? Nicht nur das, ich<br />
befand mich sogar unter den ersten zehn,<br />
die mein Schwerpunkt-Arzt je gesehen<br />
hatte. What? Na, da fiel ich nicht nur von<br />
meinem ländlichen, moralischen Ross. Nein,<br />
der Gaul hat dann nochmal nachgetreten.<br />
THERAPIE? FEHLANZEIGE.<br />
Antiretrovirale Medikamente sind in<br />
Europa noch nicht erhältlich. Also<br />
vermachte man mir zur „symptomatischen<br />
Behandlung“ eine ziemlich unhübsche<br />
Salbe (Rivanol) und den freundlichen<br />
Tipp: „Abdecken, nicht anfassen, Hände<br />
waschen und desinfizieren, sonst verteilst<br />
du die Dinger auch noch.“ Andere Tipps<br />
und Hilfen? Woher denn?! Außer den<br />
üblichen Käsemeldungen der Tagespresse<br />
konnte mir nur Wikipedia ein wenig<br />
helfen. Ich verordnete mir dann erstmal in<br />
Eigentherapie ein Antibiotikum. Glauben<br />
wollt ich das mit den Pocken nicht so ganz<br />
und gegen die Entzündungen sollte das<br />
wenigstens helfen. Die Verträglichkeit war<br />
mäßig. Pech gehabt. Vielleicht hatte der<br />
Arzt ja doch recht. Aus den vulkanähnlichen<br />
Gebilden rund um meinen Schaft<br />
entwickelten sich binnen zwei Tagen<br />
mit Salbe und Verband regelrechte<br />
Krater – etwa fingernagelgroße, flächige,<br />
schwarze, tiefe Wunden, die immer noch<br />
nässten und höllisch wehtaten.<br />
KOFFERRAUM UND WERKZEUGKISTE<br />
FÜr das Wundmanagement wusste ich<br />
mir nur noch mit dem Verbandskasten<br />
aus dem Auto zu helfen. Wundauflagen,<br />
Verbandsmaterial und Panzertape statt<br />
Pflaster zum Zusammenheften der<br />
Mullbinden fand sich in der Heimwerkerschublade.<br />
Ich erinnerte mich auch noch<br />
an dunkel an Creme mit Betäubungsmittel.<br />
Emla, eigentlich für bzw. gegen<br />
Hämorrhoidenschmerz. Aber die Apotheke<br />
meinte: „Anaesthesin Salbe? Die ist schon<br />
seit Jahren vom Markt verschwunden“.<br />
Restbestände an Novalgintropfen und<br />
frische Paracetamol halfen mir über die<br />
erste Woche. Ibuprofen brachte mir so gut<br />
wie gar nichts. Auch das bisschen Fieber<br />
und der Nebel im Kopf verschwanden nach<br />
gut einer Woche wieder. Dafür bildeten sich<br />
nach und nach überall am Körper Wasserbläschen<br />
bzw. Quaddeln. Mal größer, mal<br />
kleiner, fast wie fiese kleine Mückenstiche,<br />
denn die Biester fingen auch noch an zu<br />
jucken wie Hölle. Mir tat also nicht nur<br />
der geschwollene Schwanz weh. Nein, die<br />
Banane sah auch noch aus, als hätte mich<br />
der Affe dort tatsächlich heftigst gebissen!<br />
Und der Rest meines astralen, leicht übergewichtigen<br />
Körpers schrie nach, „Los kratz<br />
mich“. Diesem Drang zu widerstehen – gar<br />
nicht so leicht. Ich erinnerte mich dunkel<br />
an die Windpocken meiner Kindheit – auch<br />
so ein übles Jucken.<br />
„Die Banane<br />
sah auch noch aus,<br />
als hätte mich<br />
der Affe dort<br />
tatsächlich<br />
heftigst gebissen!“