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hinnerk Pride Ausgabe 2022

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MPX<br />

ERFAHRUNGSBERICHT<br />

16 Szene<br />

Wie geht es eigentlich denen,<br />

die die Krankheit durchleiden?<br />

Einer davon, nennen wir ihn Max Musterschwuler<br />

aus Hodenhagen, hat sein<br />

Rendezvous mit MPX sehr eindrücklich<br />

und schonungslos dokumentiert.<br />

TRIGGERWARNUNGEN: KÖRPERFLÜS-<br />

SIGKEITEN, SCHMERZ, WUNDEN, SEX<br />

Eigentlich wars nur ein Pickel am Sack<br />

Auch wenn ich Pelz liebe, so gehört für<br />

mich dennoch an mancher Stelle ein<br />

wenig mit dem Rasierer korrigiert. Wie<br />

immer: Da wo rasiert wird, gibts auch mal<br />

Rasierpickel oder eingewachsene Haare.<br />

Man spricht nicht gerne drüber, aber so<br />

ist es halt. Und so habe ich wohl das erste<br />

Anzeichen auch einfach geschmeidig<br />

ignoriert. Kleine Rötung, nicht mal ein<br />

echtes Püstelchen an einem Haaransatz.<br />

Das ging auch erstmal weg – also kein Problem.<br />

Daten, Sauna oder auch mal auf eine<br />

ausschweifenderen Fetischveranstaltung.<br />

Schwules leben, wie es halt so ist. Dann<br />

kam dieses lästige Rasierpickelchen wieder.<br />

Es folgten ein paar Nachbarn. Nichts<br />

Wildes. Okay. Lass den Schwanz mal ein<br />

paar Tage ruhen. Das wird schon wieder.<br />

EINE GIGANTISCHE<br />

FEHLEINSCHÄTZUNG<br />

Es entwickelten sich Entzündungsherde,<br />

richtig fies und fett. Mein erster Verdacht<br />

war erstmal, „Scheiße, Syphilis + X“.<br />

Aber die Vehemenz, die Stärke dieses<br />

Ausschlags war ungeheuerlich. Es brannte,<br />

der Schwanz fett geschwollen und<br />

Schmerzen. Man wollte sich schon gar<br />

nicht mehr anfassen – alles tat weh. Rohes,<br />

inflammatorisches Fleisch. Eines stand<br />

fest: Auf eine ärztliche Meinung im Rahmen<br />

meines Regeltermins zum Check-up<br />

konnte DAS nicht mehr warten. Zum Glück<br />

gab es einen Spontantermin. Der Arzt<br />

stellte kühl und trocken fest:<br />

DIE POCKEN. ICH WAR BEDIENT.<br />

Was hatte ich eigentlich so getan? Nicht<br />

viel, nur an den Wochenenden, meist<br />

privat. Und irgendwie und überhaupt – das<br />

trifft doch nur dieses Party-Tunten von<br />

Gran Canaria, die im Bunker eher ne<br />

„Die ganze<br />

Klischeebox, mit der<br />

ich meinesgleichen<br />

gerne so verachtend<br />

strafe, fiel in sich<br />

zusammen.“<br />

Sprengladung als meine Aufmerksamkeit<br />

abbekommen würden. Waren das nicht<br />

gerade mal eine Hand voll Fälle irgendwo<br />

in den Sumpfgebieten von Spree und<br />

Rhein? Die ganze Klischeebox, mit der ich<br />

meinesgleichen gerne so verachtend strafe,<br />

fiel in sich zusammen. Ich war also einer von<br />

diesen ominösen, schmuddeligen 200 Fällen<br />

in Deutschland, wovon die Mehrheit laut<br />

Presse in Berlin ist? Nicht nur das, ich<br />

befand mich sogar unter den ersten zehn,<br />

die mein Schwerpunkt-Arzt je gesehen<br />

hatte. What? Na, da fiel ich nicht nur von<br />

meinem ländlichen, moralischen Ross. Nein,<br />

der Gaul hat dann nochmal nachgetreten.<br />

THERAPIE? FEHLANZEIGE.<br />

Antiretrovirale Medikamente sind in<br />

Europa noch nicht erhältlich. Also<br />

vermachte man mir zur „symptomatischen<br />

Behandlung“ eine ziemlich unhübsche<br />

Salbe (Rivanol) und den freundlichen<br />

Tipp: „Abdecken, nicht anfassen, Hände<br />

waschen und desinfizieren, sonst verteilst<br />

du die Dinger auch noch.“ Andere Tipps<br />

und Hilfen? Woher denn?! Außer den<br />

üblichen Käsemeldungen der Tagespresse<br />

konnte mir nur Wikipedia ein wenig<br />

helfen. Ich verordnete mir dann erstmal in<br />

Eigentherapie ein Antibiotikum. Glauben<br />

wollt ich das mit den Pocken nicht so ganz<br />

und gegen die Entzündungen sollte das<br />

wenigstens helfen. Die Verträglichkeit war<br />

mäßig. Pech gehabt. Vielleicht hatte der<br />

Arzt ja doch recht. Aus den vulkanähnlichen<br />

Gebilden rund um meinen Schaft<br />

entwickelten sich binnen zwei Tagen<br />

mit Salbe und Verband regelrechte<br />

Krater – etwa fingernagelgroße, flächige,<br />

schwarze, tiefe Wunden, die immer noch<br />

nässten und höllisch wehtaten.<br />

KOFFERRAUM UND WERKZEUGKISTE<br />

FÜr das Wundmanagement wusste ich<br />

mir nur noch mit dem Verbandskasten<br />

aus dem Auto zu helfen. Wundauflagen,<br />

Verbandsmaterial und Panzertape statt<br />

Pflaster zum Zusammenheften der<br />

Mullbinden fand sich in der Heimwerkerschublade.<br />

Ich erinnerte mich auch noch<br />

an dunkel an Creme mit Betäubungsmittel.<br />

Emla, eigentlich für bzw. gegen<br />

Hämorrhoidenschmerz. Aber die Apotheke<br />

meinte: „Anaesthesin Salbe? Die ist schon<br />

seit Jahren vom Markt verschwunden“.<br />

Restbestände an Novalgintropfen und<br />

frische Paracetamol halfen mir über die<br />

erste Woche. Ibuprofen brachte mir so gut<br />

wie gar nichts. Auch das bisschen Fieber<br />

und der Nebel im Kopf verschwanden nach<br />

gut einer Woche wieder. Dafür bildeten sich<br />

nach und nach überall am Körper Wasserbläschen<br />

bzw. Quaddeln. Mal größer, mal<br />

kleiner, fast wie fiese kleine Mückenstiche,<br />

denn die Biester fingen auch noch an zu<br />

jucken wie Hölle. Mir tat also nicht nur<br />

der geschwollene Schwanz weh. Nein, die<br />

Banane sah auch noch aus, als hätte mich<br />

der Affe dort tatsächlich heftigst gebissen!<br />

Und der Rest meines astralen, leicht übergewichtigen<br />

Körpers schrie nach, „Los kratz<br />

mich“. Diesem Drang zu widerstehen – gar<br />

nicht so leicht. Ich erinnerte mich dunkel<br />

an die Windpocken meiner Kindheit – auch<br />

so ein übles Jucken.<br />

„Die Banane<br />

sah auch noch aus,<br />

als hätte mich<br />

der Affe dort<br />

tatsächlich<br />

heftigst gebissen!“

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