277.TIROL - November 2022
277.TIROL, Ausgabe 8, November 2022
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32 tirol.modern und innovativ<br />
Veränderung braucht<br />
Zielsetzung und Management<br />
VON JAN SCHÄFER<br />
Hand aufs Herz: Wenn sich im privaten Leben etwas Einschneidendes oder Gravierendes verändert, überlegt man sehr gut,<br />
wie darauf am besten zu reagieren ist – sprich, wie man sich anpasst. Einfach soll diese Veränderung vonstatten gehen,<br />
schließlich will man sich nicht belasten. Ohne sich dessen bewusst zu sein, setzt man einen Changemanagement- oder<br />
Organisationsentwicklungsprozess in Gang.<br />
Der Großglockner, das<br />
Wahrzeichen von Kals<br />
(© Jan Schäfer)<br />
Ähnlich sieht es in der Wirtschaft oder<br />
im öffentlichen Leben aus. Nur sind hier<br />
die Bewusstseinsbildung und die Wege<br />
wesentlich behäbiger und die Entscheidungen<br />
für Veränderungen häufig komplexer.<br />
Anders als im privaten Bereich<br />
betreffen solche Prozesse in Institutionen<br />
oder Organisationen etliche Menschen,<br />
haben interne wie externe Auswirkungen<br />
und sind mit Zeit, Widerständen und<br />
Geld verbunden. Allein aus den letzten<br />
drei Gründen werden zwar erforderliche,<br />
aber tiefgreifende Veränderungen<br />
oft bis zu einem Zeitpunkt aufgeschoben,<br />
an dem vieles schon außer Kontrolle<br />
geraten ist. Um dem vorzubeugen<br />
und fit für die Zukunft zu sein, haben viele<br />
Unternehmen ein Changemanagement<br />
fest installiert. Changemanagement oder<br />
auch Veränderungsmanagement umfasst<br />
alle Projekte, Aktivitäten, Maßnahmen und<br />
Aufgaben, die eine weitreichende Veränderung<br />
in Organisationen bewirken sollen.<br />
Kals auf dem Weg zur modernen Bürger*innengemeinde<br />
Immer mehr Tiroler Gemeinden befassen<br />
sich mit der Thematik „Veränderung“ und<br />
entschließen sich, ein Changemanagement<br />
oder eine Organisationsentwicklung<br />
zu implementieren. Dabei ist dieses<br />
Thema nicht nur etwas für große Gemeinden,<br />
sondern ebenfalls für kleine,<br />
wie das Beispiel der rund 1.200 Ein-<br />
wohner*innen zählenden Gemeinde Kals<br />
am Großglockner in Osttirol zeigt. „Es gab<br />
eigentlich keinen fixen Zeitpunkt, an dem<br />
wir uns entschlossen haben, notwendige<br />
Veränderungen strukturiert anzugehen.<br />
Es war ein fließender Prozess, der vor gut<br />
20 Jahren durch eigene Beobachtungen<br />
begann und langsam seinen Lauf nahm“,<br />
erinnert sich Bürgermeisterin Erika Rogl,<br />
die in der Verwaltung der Gemeinde arbeitete,<br />
bevor sie Bürgermeisterin wurde.<br />
Der damalige Amtsleiter hatte sein<br />
System – und es hatte sich über 30 Jahre<br />
lang bewährt. Doch nicht zuletzt dank<br />
ihrer Ausbildung in der Handelsakademie<br />
bemerkte Erika Rogl: Der Zeitpunkt für die<br />
Anpassung von Abläufen ist gekommen.<br />
Die Arbeit in der Verwaltung hat sich verändert,<br />
die EDV hielt Einzug, zudem mussten<br />
die immer vielfältiger und komplexer<br />
werden Aufgaben immer schneller und<br />
effizienter erledigt werden.<br />
Auch bei Erika Rogl selbst änderte sich<br />
der Blick auf die Verwaltung und deren<br />
Herausforderungen. Vor ihrer Wahl zur<br />
Bürgermeisterin 2016 war sie Amtsleiterin,<br />
was sie auch nach der Wahl noch<br />
blieb. Durch diese Doppelfunktion wurde<br />
ihr noch bewusster, was die tägliche Arbeitsbelastung<br />
für ihre kleine Verwaltung<br />
bedeutet. „Besonders durch das altersbedingte<br />
Ausscheiden und den Wechsel<br />
Bürgermeisterin Erika Rogl: „So, wie das Leben sich<br />
verändert, unterliegt auch die Gemeinde dem Wandel.“<br />
(© Gemeinde Kals / Wir für Kals)<br />
des Personals im gesamten Verwaltungsbereich<br />
wurde klar, dass wir uns verändern.<br />
Damit kamen aber auch Fragen auf:<br />
Wie gelingt es, Wissen in der Gemeinde<br />
zu behalten? Wie wollen wir die künftigen<br />
Aufgaben lösen? Welche unterstützende<br />
Rolle spielt die IT dabei und wer deckt mit<br />
welchen Kompetenzen welche Aufgaben<br />
ab? Kurz gesagt: Wie kommen wir vom<br />
Verwalten zum Gestalten der Zukunft<br />
der Gemeinde?“, so die Kalser Bürgermeisterin.<br />
Um zu erfahren, wie Veränderungsprozesse<br />
aussehen können, schaute<br />
sich die Gemeinde Best-Practice-Beispiele<br />
an. Zunächst versuchten sie mit Hilfe von<br />
Checklisten diese Fragen selbst zu strukturieren.<br />
Doch schon bald kamen sie zu<br />
der Erkenntnis, dass externe Hilfe und der<br />
Blick von außen notwendig sind, um hier<br />
professionell zu agieren.<br />
Organisationsmanagement – der erste<br />
Schritt in Richtung Zukunft<br />
„Damit der Weg in Richtung Zukunft und<br />
Entwicklung der Gemeinde strukturiert<br />
mit entsprechenden Ergebnissen und<br />
Handlungsempfehlungen erfolgt, holten<br />
wir uns Unterstützung bei der GemNova.<br />
Sie begleitete uns durch den Prozess der<br />
Organisationsentwicklung. Das war zur<br />
Eruierung der verschiedenen Wissensstände<br />
und Kompetenzen wichtig, auch,<br />
um alle Mitarbeiter*innen auf diesem<br />
Weg mitzunehmen, ohne dass es weder<br />
zu rasch oder zu langsam voran ging.<br />
Wir wollten den kleinsten gemeinsamen<br />
Nenner finden, auf dem man aufbauen<br />
kann. Außerdem war dieser Schritt notwendig,<br />
da ich nicht mehr Amtsleiterin<br />
und Bürgermeisterin in Personalunion<br />
bleiben wollte. Die Verwaltung musste<br />
also neu ausgerichtet werden“, erklärt<br />
Erika Rogl. Im Gegensatz zum Changemanagement,<br />
das auf das aktive Management<br />
von Veränderungen abzielt, richtet<br />
sich die Organisationsentwicklung nach<br />
„innen“, also in Richtung Mitarbeiter*innen<br />
und Arbeitsstrukturen bzw. -prozesse.<br />
Ein Changemanagement kann auf diesen<br />
Strukturen aufbauen.<br />
„Früher hatte ich den Eindruck, wenn man<br />
sich einmal in der Gemeinde situiert hat,<br />
war’s das. Das stimmt aber nicht. So wie<br />
das Leben sich verändert, so unterliegt<br />
auch die Gemeinde dem Wandel. Veränderung<br />
ist eine Chance, die in der ersten<br />
Phase Aufwand bedeutet. Aber<br />
dann profitiert man vom Lernprozess,<br />
der heute von moderner<br />
Technik unterstützt wird. Schließlich<br />
gilt es, durch Veränderungen<br />
auch den Weg für die nachfolgenden<br />
Generationen in der Verwaltung<br />
zu ebnen und zu erleichtern.<br />
Das ist unter anderem meine Motivation<br />
– mich für die Gemeinde<br />
Kals und ihre Zukunft einzusetzen“,<br />
resümiert Bürgermeisterin<br />
Erika Rogl.<br />
Kals am Großglockner mit<br />
Blick vom Kals-Matreier-Törl Richtung<br />
Schober Gruppe (© Jan Schäfer)