39_Ausgabe Juli 2006
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selten sich ab, deutsche, polnische und<br />
tschechische Klangkörper und Solisten<br />
wirkten mit. Hunderte weißgelbe Fahnen an<br />
öffentlichen Gebäuden und Wohnungsfenstern<br />
machten nach 1990 auf den starken<br />
Rückhalt dieser Bestrebungen in der<br />
Bevölkerung aufmerksam. Diese starke<br />
schlesische Bürgerbewegung beteiligte<br />
sich rege an den Anhörungen zur neuen<br />
Verfassung des Freistaates Sachsen. Im<br />
Landtag sorgte eine Mehrheit dafür, dass<br />
dies 1992 im Verfassungstext berücksichtigt<br />
wurde.<br />
Im Artikel 2 wurde garantiert, dass neben<br />
den Landesfarben “im schlesischen Teil des<br />
Landes die Farben und das Wappen<br />
Niederschlesiens gleichberechtigt geführt<br />
werden”. In der Präambel wurde an die<br />
Geschichte auch “des niederschlesischen<br />
Gebietes” ausdrücklich angeknüpft.<br />
In großer Zahl kamen nun schlesische<br />
Reisegruppen aus den alten Bundesländern<br />
nach und durch Görlitz, stürmten die<br />
“Schlesische Schatztruhe” an der Brüderstraße<br />
und kauften die hier erscheinende<br />
Zeitschrift “Schlesien heute”.<br />
Die Schlesiertreffen in Niesky und der<br />
Schlesische Tippelmarkt in Görlitz zogen<br />
alljährlich Hunderte von zufriedenen<br />
Besuchern an. In den frühen 1990er Jahren<br />
war es insbesondere die Schlesische Jugend,<br />
die bei den Schlesierversammlungen in den<br />
größten Sälen der Stadt zuhörte, dazulernte<br />
und leidenschaftlich zum Mittun bereit war.<br />
Erst die wirtschaftlichen Rückschläge und<br />
die Massenabwanderung von jungen Leuten<br />
auf der Suche nach Lehrstellen und<br />
Arbeitsplätzen im Westen bremsten den<br />
Enthusiasmus der Anfangsjahre.<br />
Die ältere Generation der deutschen<br />
Schlesier stirbt aus, die jüngere geht fort.<br />
Die Gegner der schlesischen Identitätsfindung<br />
blasen zum Angriff. Sie wollen eine<br />
“unteilbare Oberlausitz”, in der Görlitz<br />
seine Kreisfreiheit verliert und Bautzen<br />
unterstellt wird. So setzen sie sich über<br />
Willen und Erfolge der schlesischen Bürgerbewegung<br />
nach 1990 hinweg.<br />
All das kam bei der Einweihung des<br />
Schlesischen Museums in Görlitz nicht zur<br />
Sprache. Auswärtige Gäste fuhren in dem<br />
Glauben nach Hause, erst jetzt werde den<br />
Görlitzern etwas über Schlesien beigebracht<br />
- Einfalt oder Absicht ?<br />
Dr. Ernst Kretzschmar<br />
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