39_Ausgabe Juli 2006
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den Schatten der großen Geister begegnet,<br />
die vor ihm ihren Platz im Hades gefunden<br />
haben. Sein Ruhm lief ihm längst bis in jene<br />
unterweltlichen Gegenden voraus. Deshalb<br />
wird der deutsche Dichter dort von den zuvor<br />
Verblichenen begeistert begrüßt.<br />
Homer nennt Lessing einen der wenigen,<br />
die ihn in vollkommener Weise verstanden<br />
haben. Aristoteles lobt ihn, weil er dessen<br />
Regeln für das Theater so sieghaft verteidigt<br />
habe. Euripides nennt ihn seinen Sohn,<br />
Shakespeare seinen Bruder, Moliere seinen<br />
Freund. Auch Leibniz, der wohl letzte Universalwissenschaftler,<br />
heißt ihn neidlos<br />
willkommen, wenngleich er von nun an den<br />
Ehrentitel des "Ersten Teutschen" mit dem<br />
Dichter teilen müsse. Unter diesen Erlauchten<br />
aber tanzt einer aus der Reihe. Lope de<br />
Vega (1562 - 1635), der spanische Shakespeare,<br />
steht schweigend beiseite, ein wenig<br />
indigniert, feiert man doch den Deutschen<br />
und nicht ihn. Der Spanier hält sich immerhin<br />
schon deshalb für den bedeutendsten aller<br />
Dichter, weil keiner an die Fülle seiner literarischen<br />
Produktionen heranreicht. Mehr<br />
als zweieinhalbtausend Stücke hat er für die<br />
Bühne geschrieben (von denen etwa 200 für<br />
die heutige Bühne geeignet sein sollen). In<br />
der nun folgenden dramatischen Gestaltung<br />
der Handlung, getragen von 3 Personen,<br />
verwickelt Lessing den Spanier in ein<br />
grundsätzliches Gespräch über die Dramaturgie<br />
von Bühnenwerken. Für den Deutschen<br />
zählte seit je in erster Linie die Qualität<br />
eines Dramas. Die Quantität im Schaffen<br />
eines Autors hingegen war für ihn weniger<br />
interessant. Lope de Vega beharrt jedoch unbeirrt<br />
auf seiner stolzen Selbsteinschätzung<br />
und fordert von Lessing den Namen auch<br />
nur eines Deutschen, der soviel geschrieben<br />
habe wie er. Darauf nennt der Dichter aus<br />
Kamenz den Namen eines Mannes aus seiner<br />
Heimat, der Lausitz. In einem leichten<br />
Anflug von Überheblichkeit erklärt der Spanier,<br />
das er von diesem Land zu seinen Lebzeiten<br />
neimals etwas gehört habe. Es müsse<br />
doch sehr unbedeutend sein. Doch Lessing<br />
hält lächelnd dagegen, dass es inzwischen<br />
jeder spanische Kaufmann von einigem Ansehen<br />
und Gewicht kenne.<br />
Während dieser Worte fällt sein Blick auf<br />
den "Schatten" Gregor Richters, des Görlitzer<br />
Hauptpastors zur Böhmezeit, des<br />
Nachfolgers Martin Mollers im Amt an der<br />
Peterskirche. Obwohl Lessing mit einem andern<br />
Hauptpastor, dem Primarius Johann<br />
Melchior Goeze zu Hamburg, ähnlich<br />
schlechte Erfahrungen machen musste wie<br />
der Görlitzer Denker auf dem Schusterschemel<br />
mit seinem eigenen geistlichen Oberhirten,<br />
weist der Dichter nachdrücklich auf<br />
den Theologen aus seiner engeren Heimat<br />
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