39_Ausgabe Juli 2006
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22<br />
Mannes ließ mich ahnen, wen ich vor mir<br />
hatte: “JA! ER IST’S!” Bestimmt ist das der<br />
berühmte deutsche Dichter! Neben Schiller<br />
der Größte, wie mein Vater erklärt hatte, als<br />
er vor einigen Jahren statt des damals üblichen<br />
Führerbildes ein kleines, aber ausdrucksvolles<br />
Goethe-Bild im Kontor seines<br />
Glaserbetriebes aufhängte:<br />
Goethe, mit Papier in der<br />
Rechten, den Kopf, umrahmt<br />
von lockerem weißen<br />
Haar, etwas seitwärts gewandt,<br />
mit festem Blick...<br />
Ich überwand alle Scheu,<br />
stand auf, trat vor die imposante<br />
Erscheinung, fühlte<br />
mein Herz noch rasender<br />
klopfen. Ich machte einen<br />
gehorsamen Diener, und<br />
meine Stimme stockte nicht,<br />
als ich ihn ansprach: “Mein<br />
Herr, darf ich Sie etwas fragen:<br />
Sind Sie ein Dichter?<br />
Bestimmt sind Sie ein Dichter!”<br />
Die Augen des alten Mannes wurden<br />
weiter und strahlten wie die eines Jungen<br />
unterm Weihnachtsbaum, leuchteten ergriffen,<br />
als er mich ansah und fragend entgegnete:<br />
“Du kennst mich also? Wirklich - du<br />
hast mich erkannt, mein Sohn? - Das freut<br />
mich aber sehr, dass du mich erkannt hast!”<br />
Hotel Schellergrund<br />
Und ich - eifrig und meiner Erkenntnis gänzlich<br />
gewiss: “Ja! - natürlich: Sie sind Goethe!<br />
Nicht wahr: Sie sind der Dichter Goethe...<br />
Sind Sie Goethe?” Die Hand des Alten,<br />
die schon auf meiner linken Schulter gelegen<br />
hatte, führte er langsam zurück auf seine<br />
Knie, als er erwiderte: “Nein, Junge! Goethe<br />
heiße ich nicht! Aber ich bin<br />
ein anderer großer Dichter -<br />
also hast du mich doch so gut<br />
wie erkannt. Ich bin Gerhart<br />
Hauptmann!” Er setzte sich<br />
dabei kerzengerade auf. Mir<br />
kam dann zur Hilfe, dass er<br />
meine verlegene Bemerkung:<br />
“Ach ja! Sie machen ja<br />
auch Gedichte und Theaterstücke!”,<br />
so verstand, dass<br />
ich sicher auch von ihm einiges<br />
wissen und kennen müsse.<br />
Und als ich ihn dann wenig<br />
später fragte, ob ich ihn<br />
zur Erinnerung fotografieren<br />
dürfe, willigte er freundlich<br />
ein. Während ich meinen kleinen Apparat<br />
holte, war er sogar aufgestanden und kam<br />
mir langsam auf dem Parkweg entgegen, mit<br />
dem Buch in der Hand, und sogar das weiße<br />
Tüchlein in seiner Brusttasche zupfte er<br />
noch sorgsam zurecht, ehe ich knipste: Einmal,<br />
zweimal. Hauptmann hatte offenbar<br />
Superior<br />
Das Hotel im Grünen<br />
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