KIKIS•REISENOTIZEN FELSEN, SAND UND NOMADENGRÄBER Im Ashar Valley, Teil der Region Al-‘Ula auf der arabischen Halbinsel, entwickelt sich eine touristische Destination der Superlative. Kiki Baron erzählt von ihren Erlebnissen in der spektakulären Wüstenszenerie. Von Kiki Baron Fotos: Paul Spierenburg 44 <strong>FineTobacco</strong>[+] 01·2023
Was für ein Gefühl! Ausgesprochen fürstlich, wenn man sich in so einer Privatmaschine in einen fetten Ledersessel fallen lässt. Bei Commercial Airlines bietet die Boing 757 etwa 200 Gästen Platz, in dieser sind es vielleicht 30. Von Dubai gestartet bin ich nach Al-‘Ula unterwegs. Die Region liegt im Nordwesten von Saudi-Arabien. Ein touristisches Entwicklungsgebiet auf höchstem Niveau. Ich folge einer Einladung zur Eröffnung des Banyan Tree im Ashar Valley. Die Szenerie unter mir ist atemberaubend. Mächtige Tafelberge schichten sich um enge Schluchten und flache Wüstentäler, bizarre Felsnasen recken sich dem blauen Himmel entgegen, hier und da setzen kleine Vulkane dunkle Haufen ins Gelb. Beim Anflug schälen sich grüne Flecken aus sandiger Ebene: Kilometerlang gestreckte Oasen. Mit Dattelpalmen, soweit das Auge reicht. Die Resorts der thailändische Luxus-Hotelgruppe Banyan Tree stehen im Zeichen „natürlich luxuriöser und ökologischer sensibler Hospitality“. Was bei Ankunft im Ashar Valley gleich ins Auge fällt. Außer spektakulären Sandsteinformationen und flachen Dünen sehe ich nämlich anfangs nichts. Erst bei der Auffahrt entpuppt sich nach und nach das Hotelgelände. Auf gut 3000 Hektar ducken sich mit weitem Abstand 47 Villen in Mulden. Sandfarbene Zeltdächer im Beduinenstil machen sie fast unsichtbar. Das gilt nicht weniger fürs Maraya. Mit knapp 10.000 Quadratmetern Fassaden gilt der Kubus als größtes Spiegelgebäude der Welt. Es scheint sich transparent in die Felsenszenerie einzupassen. Glücksgefühle durchdringen mich in meiner bildschönen Villa. Sie reflektiert wie das ganze Resort im dezenten Format das kulturelle Erbe dieser Wüstenregion. Maßgefertigte Interieurs erinnern in Farben und Mustern ans Nomadenleben, Dekor dokumentiert die Handwerkskunst oder zitiert die antike Epoche der Nabatäer. Die dreistufige Architektur sorgt für natürliche Belüftung. Air Condition? Klar, doch im Winter kann man sie am Nachmittag abstellen. Stattdessen ziehe ich die deckenhohen Glastüren auf, genieße in weichen Polstern das Lichtspiel der untergehenden besuchen Sie auch LOGBUCH – DER PODCAST Aufzeichnungen einer Reisejournalistin @logbuch_podcast Jeden Sonntag eine neue Folge bei Spotifiy, Apple Podcast und Deezer. Sonne auf dem sinnlich geformten Gestein und träume nach Eintritt der Dunkelheit unter glitzerndem Sternenhimmel. Nein, leider nicht bei prickelndem Champagner. Alkohol ist wie überall in Saudi-Arabien tabu. Eine Frage, die mir oft gestellt wurde, kann ich auch gleich beantworten: Frauen müssen sich nicht verhüllen und für Männern sind hier Bermudashorts okay. Und für die Zigarren Aficionados: Anfang 2023 wurde die Harrat Lounge eröffnet. Wer dem traditionellen Ritual der Shisha, also der Wasserpfeife, huldigen möchte, findet dafür Platz in den bequemen Lounge-Sofas auf der Terrasse. Es gibt viel Aufregendes zu erleben. Ich chille erstmal im Pool. Das Wasser erfrischt und fünfzehn Meter hohe Klippen zu beiden Seiten schützen vor der heißen Sonne. Auf einer Heli Tour am späten Nachmittag knallen die vielfältigen Landschaftsfarben. Beim Blick auf die letzte Station der Hedschasbahn, vor hundert Jahren für Pilger nach Mekka konstruiert, keimen zudem die Erzählungen von Laurence of Arabia auf. Oder war es Peter O’Toole im Hollywood-Streifen? Am späten Abend lasse ich mich in die 20 Kilometer entfernte Old Town fahren, erfahrungsgemäß die Zeit, in der sich die Einheimischen in Cafés treffen. Das Flair in der restaurierten Altstadt bezaubert, nicht zuletzt, weil kein motorisierter Verkehr die Luft schwängert. Der Ausflug am nächsten Vormittag führt tief in die Jahrtausende alte Geschichte von Al-‘Ula, in die Totenstadt Hegra. Völkerwanderungen entlang der wichtigsten Handelsroute auf der arabischen Halbinsel brachten einst Waren von südlichen Landesteilen ans Mittelmeer, darunter wertvollen Weihrauch. Hohe Gewinne beim Umschlag in Karawansereien, sorgten dafür, dass Menschen sich niederließen. Wie das Nomadenvolk der Nabatäer, deren Imperium bislang von den Fassadengräbern in Petra bekannt ist. In diesem UNESCO Weltkulturerbe sind es 109, zum Teil begehbaren Gruften. In die rostroten Felsen geschlagen legen ihre Verzierungen Zeugnis ab vom Austausch mit anderen antiken Kulturen wie Ptolemäern, Griechen und Römern. Es sind indes nicht nur Gräber, die Storys erzählen. Archäologen haben Tausende von Inschriften gefunden, sogar ein Schriftsystem, welches Zivilisationen vor den Nabatäern entwickelt hatten. Am frühen Morgen treffe ich General Manager Antony Treston bei den Pferden. Er macht mir ein Angebot, das ich nicht abschlagen kann: ein gemeinsamer Ausritt zum Sonnenaufgang. Lederne Stulpen wie sie Polospieler tragen, bringt er für mich mit. Aufsitzen und los geht’s. Mein Araberhengst „Hadsch“ tänzelt, will sich vor Antonys „Princess“ produzieren. Dann umfängt uns die einsame Stille des Ashar Tals. Die ersten Sonnenstrahlen lecken an den ockergelben Sandsteinklippen und lassen sie erstrahlen. Mein Herz geht auf. Wir entdecken in den Stein geritzte Bilder – Kamele, ein Strichmännchen mit langer Lanze, mystische Schriftzeichen. Ein paar Stunden lang fühle ich mich zurückversetzt in die Epoche des Weihrauchhandels. Antony hievt mich aus der Gedankenmalerei zurück in die Gegenwart. „Cantering zum Abschied?“ Wir sind nicht mehr allzu weit vom Resort entfernt. Was Cantering bedeutet, macht mein bildschöner Zossen Sekunden später klar. Weil er wie jeder Macho die Nase vorn haben will. Und so jagen wir im gestreckten Galopp aufs Banyan Tree zu und direkt an der Frühstücksterrasse vorbei. John Northon, Mitglied der Royal Commission für Al-‘Ula, erzählt mir beim Abflug nach Dubai, dass ihm beim Anblick dieser rasanten Inszenierung die Eggs Benedict von der Gabel gefallen seien. Ein bisschen Angeberei tut gut. <strong>FineTobacco</strong>[+] 01·2023 45