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NACHRUF Mit SCHÖNER MAID und ZIGARRE auf Bora Bora Text Elmar Schalk Foto: Nina Bauer Tony Marshall war ein fester Bestandteil der deutschen Schlagerwelt – wo er auftrat, stieg das Stimmungsbarometer automatisch. Für den Mann aus Baden-Baden war gute Laune aber auch eine Überlebensstrategie gegen alle Widrigkeiten des Lebens. Im Februar verstarb der leidenschaftliche Genießer von gutem Wein und Zigarren im Alter von 85 Jahren. Sehenswert im Netz: Im ARD Interviewformat „Krause kommt“ unterhielt sich Pierre M. Krause zwei Tage lang mit Tony Marshall Als Schlagersänger in den 1970ern musste man eigentlich schizophren werden. Ludwig Hirtreiter, Gerhard Höllerich und Herbert Hilger hätten ein Lied davon singen können: Der eine wollte ursprünglich Schauspieler werden, der andere Rockstar, der dritte Opernsänger. Doch sie gerieten ins Showbusiness, wo man ihnen als Rex Gildo, Roy Black und Tony Marshall eine neue Identität verpasste. Mit englischen Namen sangen sie deutsche Texte und teilten damit die Gesellschaft wie einst Moses das Meer: Von der einen Seite verehrt, von der anderen verachtet. Wer mit dem Zeitgeist gehen wollte, sang Englisch. Alles andere war „reaktionär“, weil deutscher Schlager von der älteren (Kriegs-)Generation gehört wurde. Während einige Künstler unter diesem Zwiespalt litten, konnte sich Tony Marshall mit der Schlagerwelt und seinem Image irgendwann arrangieren. Vielleicht war er durch sein Umfeld besser geerdet? „Ich bin in die Rolle hineingewachsen“, antwortete der Sänger in einem Interview mit Pierre M. Krause. 1938 in Baden-Baden geboren, heiratete er mit 24 Jahren Gaby, seine Freundin aus Kindertagen; zwei Söhne sowie eine Tochter kamen auf die Welt. Nach seinem Musikstudium und Examen als Opernsänger, nahm er Mitte der 1960er drei Singles mit deutschen Chansons auf. Da der Erfolg ausblieb, eröffnete der Badener eine Kneipe in seinem Heimatort. Dann unterschrieb er beim Musikproduzenten Jack White und hätte kurze Zeit später seine Karriere am liebsten gegen die Wand gefahren: „Wie komme ich aus der Nummer raus?“, zermarterte sich der Sänger das Gehirn. Er wollte so gerne das neuseeländische Lied „Nau Haka Taranga“ auf Deutsch singen. Aber was White ihm als Demo Tape geschickt hatte, war einfach nur peinlich! Als er wegen der Aufnahmen nach Berlin kam, wollte Tony Marshall das Lied boykottieren, ohne den Vertrag zu brechen. Er täuschte Hunger vor und ging in eine Pizzeria. Eine große Flasche Chianti später erschien er mit Koordinationsschwierigkeiten zurück im Tonstudio und sang absichtlich falsch. Jack White war außer sich. Allerdings vor Freude: „Tony, wir haben einen Hit!“ Tatsächlich wurde „Schöne Maid“ ein Millionenseller und Marshall zum Star. Etwas später schloss er seinen Frieden mit dem Song, als er ihn in einer Behindertenwerkstätte singen sollte: „Die Kinder haben mir gezeigt, wie man Musik beurteilt“, erkannte der Badener und schämte sich für seinen Snobismus. Fortan verteilte er als „Fröhlichmacher der Nation“ gute Laune unter den Menschen und hatte als Sänger ebenso Erfolg wie als TV-Moderator. Mit der Rolle des Papageno in Mozarts „Zauberflöte“ wurde sein Traum vom Opernsänger 2008 ebenfalls wahr, nachdem er schon drei Jahre zuvor als Tevje im Musical „Anatevka“ brillierte. Zahlreich sind die Ehrungen und Auszeichnungen, die er im Laufe seines Lebens erhielt: Vom Bundesverdienstkreuz bis zur Ehrenbürgerschaft des Südsee-Atolls Bora Bora wegen seines gleichnamigen Hits aus dem Jahr 1978. Doch sich selbst nahm Marshall nie richtig ernst, machte Witze über seine Toupets, die er seit 1967 trug und amüsierte sich über die Falschmeldungen in der Boulevardpresse. Auch nach über sechs Jahrzehnten auf der Bühne und trotz schwerer Erkrankungen war er bis zum Schluss ein Genießer vor dem Herrn – zu einem guten Glas Rotwein durfte es gerne auch eine Havanna sein. Mit „Der letzte Traum“ veröffentlichte er 2021 sein finales Album. Im Februar 2023 verstarb Herbert Anton Hilger, alias Tony Marshall, im Alter von 85 Jahren. 74 FineTobacco[+] 01·2023
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