Burgblatt_2023_07_01-36_red
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
AUS DEM FRÄNKISCHEN TAGBLATT<br />
Hilpoltstein im Jahre 1927<br />
3. Quartal<br />
von Peter Hagenmaier<br />
überarbeitet von Helmut Reiter<br />
Die Artikelserie Hilpoltstein im Spiegel<br />
des „Fränkisches Tagblatt“, eine sehr<br />
gute Informationsquelle über das Geschehen<br />
vergangener Epochen, wurde<br />
von P. Hagenmaier für die Jahre 1918<br />
bis 19<strong>36</strong> verfasst. Im Hilpoltsteiner<br />
<strong>Burgblatt</strong> wurden bisher nur die Jahre<br />
bis 1926 veröffentlicht. Die weiteren<br />
Jahre werden jetzt, nach seinem Tod,<br />
in sehr gekürzter Form wieder im <strong>Burgblatt</strong><br />
erscheinen. Einzelheiten der Zeitungsberichte<br />
wie auch Hagenmaiers<br />
Artikelserie können im Hilpoltsteiner<br />
Stadtarchiv eingesehen werden.<br />
Abkürzungen für fränkisches Tagblatt FT, für Hilpoltstein HIP.<br />
In der letzten Stadtratssitzung wurde auf Antrag<br />
der Wirtevereinigung die Biersteuer erneut<br />
diskutiert. Ab 1. 7. wird auf Lagerbier 2<br />
Mark je hl und auf Starkbiere 6 % erhoben.<br />
Auch wurde der Gänsbach neu verpachtet.<br />
Herr J. Hämmerle hat das Fischwasser von<br />
der Aumühle bis zum Knoblachsteg, und<br />
vom Stadtweiherwehr bis zur Seitzenmühle<br />
gepachtet. Am 3. 7. Berichtet das FT über<br />
das am 29. 6. in Heideck stattgefundenen 5.<br />
Gausängerfests, das von über 100 Sängern<br />
besucht war. Wegen des schlechten Wetters<br />
wurde die Feier in den „Barth-Saal“ verlegt.<br />
Am 6. 7. wurde die bisher zur Pfarrgemeinde<br />
Heuberg gehörende Vorstadt losgelöst und<br />
der Stadtpfarrei HIP zugeschlagen. Am 7. 7.<br />
berichtet das FT, dass der Rathausturm jetzt<br />
total abgebrochen ist. In der Beilage Nr. 10<br />
setzt Pfarrer Hirschmann seine Serie über die<br />
Baugeschichte der Pfarrkirche fort. Am 8. 7.<br />
wird auf die am 10. 7. In Laffenau stattfindende<br />
Einweihung des neuen Altares in der<br />
Maria-Hilf-Kirche hingewiesen. Er wurde<br />
von der Kunstwerkstätte Heuch aus Roth<br />
geschaffen. Über die Versammlung einiger<br />
interessierter Geschäftsleute im Baumann-<br />
Saale informiert das FT am 14. 7. Grund der<br />
Versammlung war der allgemeine Wunsch in<br />
HIP ein Heimatfest zu planen. Eine „Kirchweih“<br />
soll an jedem 2. Sonntag im August<br />
angeboten werden. Diese Versammlung war<br />
eigentlich die Geburtsstunde des Burgfestes.<br />
Karl Ossberger, autorisierter Autohändler aus<br />
Thalmässing, inseriert am 16. 7. PkWs mit 4<br />
oder 16 PS. 2-Sitzer kosten 2.800, 4-Sitzer<br />
3.100, Limousinen 3.600 und Lieferwägen<br />
mit einer Zuladung von max. 500 kg 3.150<br />
Mark. In der Beilage Nr. 11 beschreibt Georg<br />
Maier aus Nürnberg die „Junge Pfalz“:<br />
Nach dem Landshuter Erbfolgekrieg kam<br />
es am 30. 7. 1505 in Köln zum kaiserlichen<br />
Schiedsspruch und damit zur Gründung der<br />
„jungen Pfalz“. Die Größe des Fürstentums<br />
umfasste ca. 2750 km² mit etwa 90.000 Einwohnern.<br />
Ott-Heinrich verpfändete jedoch<br />
Hilpoltstein, Allersberg und Heideck anno<br />
1542 für <strong>36</strong> Jahre an die Reichsstadt Nürnberg.<br />
Der Bericht endet mit dem Einzug der<br />
Pfalzgräfin D. M. in HIP. Schlussendlich wird<br />
noch an Karl Theodor, der von 1725 bis 1730<br />
als Kleinkind nach HIP kam erinnert. Am 26.<br />
7. findet sich wieder einmal ein humorvolles<br />
Inserat von einem Heuberger: „Der Dieb, der<br />
mir die Waschplatte gestohlen hat, soll auch<br />
die Böcke dazu holen. Als Unterschrift „Der<br />
Bestohlene“ Ein riesiger Aalzug im Rhein bei<br />
Andernach ist dem FT eine Meldung wert.<br />
Über eine Stunde konnte der riesige, flussaufwärtsziehende<br />
Schwarm beobachtet<br />
werden. Am 29. 7. bewirbt die süddeutsche<br />
Volksbühne ihren Operettenabend im<br />
Spiegel-Saal. Abends führt es die Förster<br />
Christ‘l, und in einer Nachmittagsvorstellung<br />
für Kinder „Das Findelkind“ auf. Ein längerer<br />
Artikel weist auf das erste Burgfest, das auch<br />
noch als Kirchweih bezeichnet wird hin.<br />
„Stolz grüßt uns die Ruine Stein im Flaggenschmuck<br />
und heißt Sie am 14. und 15. August<br />
1927 herzlich willkommen, aus nah und<br />
fern, alle, die unser fränkische Städtchen Hilpoltstein<br />
an diesen Tagen beherbergen wird.<br />
Nun ist der Wurf gelungen. Die fieberhafte<br />
Tätigkeit des Ausschusses, dessen Bestrebungen<br />
bei den meisten Vereinen Unterstützung<br />
fanden, ermöglichte die heurige Durchführung<br />
dieser nun alle Jahre wiederkehrenden<br />
Veranstaltung. Das FT vom 18. 8. schildert<br />
Eindrücke des ersten Burgfestes, das am<br />
vergangenen Wochenende gefeiert wurde.<br />
Es hat die erwartete Anziehungskraft auch<br />
nicht verfehlt. Zahlreich kamen die Besucher<br />
aus nah und fern. Am Sonntag war allgemeiner<br />
Jahrmarktrummel, am Montagfrüh und<br />
Mittag fand eine Burgmusik statt und um<br />
14 Uhr fieberten die Zuschauer dem historischen<br />
Festzug entgegen. Als die Aufstellung<br />
in der Bahnhofstraße beendet war, zog der<br />
Festzug in Begleitung der Musikkapelle Kach<br />
durch die festlich geschmückten Straßen. Einen<br />
Wagen schmückte das Brunnenmännlein,<br />
den Schluss des Zuges bildete die Bürgerwehr<br />
des Kriegervereins. Dieser Festtag<br />
fiel auch mit dem Ehrentag der lieben Mutter<br />
Gottes zusammen, an dem auch der örtliche<br />
Jungfrauenbund sein 75jähriges Gründungsfest<br />
feierte. Der 29. 8. bringt endlich wieder<br />
einmal einen Beitrag, der einen mindestens<br />
schmunzeln lässt. Ist eine Bubikopfsteuer<br />
gesetzlich zulässig? Wie das Reichsfinanzministerium<br />
auf Anfrage mitteilt, wird es gegen<br />
die Einführung einer Bubikopfsteuer keine<br />
Einwendungen erheben. In Offenbau werden<br />
derzeit die Leitungen für die Elektrifizierung<br />
verlegt. Einige Anlieger weigern sich<br />
jedoch, ihre Anwesen anzuschließen. Das FT<br />
wettert massiv gegen diese Ignoranten.<br />
Das Statistische Landesamt veröffentlicht<br />
am 8. 9. die Suizidzahlen des Jahres 1926.<br />
In diesem Jahr haben sich in Bayern 1.002<br />
Männer und <strong>36</strong>5 Frauen das Leben genommen.<br />
Das entspricht einer erheblichen Abnahme<br />
gegenüber vergangener Jahre. Am<br />
15. 9. folgt ein zweiseitiger Bericht über das<br />
viertägige landwirtschaftliche Bezirksfest in<br />
G<strong>red</strong>ing. Es war verbunden mit dem 175jährigen<br />
Fahnenjubiläum der Feuerschützengesellschaft<br />
G<strong>red</strong>ing. Der Bericht ist derartig<br />
umfangreich, dass wir an dieser Stelle nicht<br />
näher darauf eingehen können. Die Gemeinde<br />
Eysölden kündigt die Versteigerung<br />
von 400 Zentnern schönem Tafelobst an. Im<br />
Nachgang zum Landwirtschaftsfest folgt am<br />
16. 9. noch eine halbseitige Stellungnahme<br />
von Direktor Dick der Kreisbauernkammer<br />
Mittelfranken. Er stellt fest, dass der Hauptgrund<br />
für die existenzielle Notlage unserer<br />
Landwirtschaft durch zu hohe Nahrungsmittelimporte<br />
entstanden ist. Milch, Butter und<br />
Käse sind 1926 für 600 Mill. Mark eingeführt<br />
worden, obwohl diese Produkte in manchen<br />
deutschen Regionen von den ansässigen<br />
Bauern nicht mehr verkauft werden konnten.<br />
Dies war zum Großteil eine Folge der<br />
französischen „Inflation“, weil sich dadurch<br />
die Währungsparitäten für die deutschen<br />
Bauern erheblich verschlechtert hatten. Direktor<br />
Dick fragt, ist es notwendig, dass wir<br />
Millionen von Mark für Bananen, Apfelsinen,<br />
Ananas und Feigen ausgeben, während<br />
deutsche Obstbauern nicht einmal so<br />
viel erlösen, dass sie damit den Pflückerlohn<br />
bezahlen können? Ist es notwendig, dass<br />
wir gerade französische und spanische Weine<br />
trinken müssen, während die deutschen<br />
Winzer wegen Unverkäuflichkeit ihrer Weine<br />
kurz vor dem Ruin stehen? Direktor Dick<br />
fordert deshalb möglichst schnell die Einführung<br />
von Importrestriktionen. Die Einweihung<br />
des Tannenbergdenkmals ist dem FT<br />
einen längeren Bericht wert. Wie bei solchen<br />
Anlässen üblich, hielten Reichspräsident Hindenburg<br />
und General Ludendorff ihre routinemäßigen,<br />
langen und patriotischen Reden<br />
über die absolute Schuldlosigkeit Deutschlands<br />
am 1. Weltkrieg. Angeblich wurden zu<br />
dieser Veranstaltung 70.000 Zuhörer angekarrt.<br />
<strong>07</strong> | <strong>2023</strong><br />
19