atw - International Journal for Nuclear Power | 04.2023
Umwelt, Klima, Energiesysteme Betriebsergebnisse 2022
Umwelt, Klima, Energiesysteme
Betriebsergebnisse 2022
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<strong>atw</strong> Vol. 68 (2023) | Ausgabe 4 ı Juni<br />
ENERGY POLICY, ECONOMY AND LAW 42<br />
SPECIAL TOPIC | A JOURNEY THROUGH GERMAN NUCLEAR TECHNOLOGY 42<br />
war allerdings, dass dadurch die vorhandenen<br />
Mittel in viele Projekte zerstreut wurden und es<br />
insgesamt relativ wenig Förderung gab, zumindest<br />
im Vergleich zu den Kernwaffenstaaten. Ende 1960<br />
gab es in der Welt rund 1.000 MWe installierte Kapazität<br />
an Kernkraftwerken und 4.500 MWe waren<br />
in Bau. Eine Produktion von Strom aus Kernenergie<br />
fand in den USA, Großbritannien, der Sowjetunion<br />
und Frankreich statt.<br />
Kernenergie als Antrieb<br />
in der Schifffahrt<br />
An einem anderen Anwendungsfeld der Kernenergie<br />
arbeitete die Gesellschaft für Kernenergienutzung<br />
in Schiffbau und Schiffahrt. Dort bestanden Pläne<br />
für den Umbau eines Tankers mit 16.000 Tonnen<br />
Wasserverdrängung zu einem Nuklearschiff mit<br />
einem OMCR (Organic Moderated and Cooled<br />
Reactor) von Interatom, dessen Kühlmittel und<br />
Moderator eine organische Substanz, etwa Kohlenwasserstoffe<br />
oder PCB hätte sein sollen mit<br />
Urandioxid als Brennstoff. Das Schiffsprojekt wurde<br />
im Lauf des Jahres wieder aufgegeben, die Zusammenarbeit<br />
mit Interatom an dem Reaktortyp wurde<br />
aufrechterhalten und weiter mit Bundesmitteln gefördert.<br />
Andere Reaktorschiffprojekte bestanden<br />
bei den Howaldts-Werken in Zusammenarbeit mit<br />
Siemens-Schuckert zur Entwicklung eines Druckwasserschiffsreaktors<br />
mit 20.000 Wellen-PS oder<br />
70 MW thermischer Leistung und bei Deutsche<br />
Werft und AEG für einen Direktkreislauf-Siedewasserreaktor<br />
mit 60 MW thermischer Leistung,<br />
die beide mit 1,5 Millionen DM vom Bundesministerium<br />
für Atomfragen unterstützt wurden. Blohm<br />
& Voss plante mit der Deutschen Babcock & Wilcox<br />
einen gasgekühlten Schiffsreaktor für einen Tanker<br />
mit 20.000 Wellen-PS, die AG. Weser und BBC/<br />
Krupp projektierten einen gasgekühlten Reaktor für<br />
einen Tanker mit 10.000 Wellen-PS. Diese Projekte<br />
waren bescheidener als die US-amerikanischen<br />
mit 30.000 Wellen-PS und 43.000 Tonnen Wasserverdrängung,<br />
das französische mit 40.000 Tonnen<br />
Wasserverdrängung und erst recht als die norwegischen,<br />
dänischen und italienischen Projekte, die<br />
mit 65.000 bis 68.000 Tonnen Wasserverdrängung<br />
planten und Adaptionen von landgestützten Reaktoren<br />
mit bis zu 175 MW thermischer Leistung<br />
vorsahen, eine Leistungsdimension, die erst im heutigen<br />
Zeitalter von Großcontainerschiffen mit über<br />
20.000 Standardcontainereinheiten Frachtkapazität<br />
oder Supertankern von der Dimensionierung her<br />
passen würde.<br />
| Abb. 13<br />
Der Mehrzweck<strong>for</strong>schungsreaktor Karlsruhe (MZFR, 1965) war ein schwerwassergekühlter und -moderierter Druckwasserreaktor auf dem<br />
Gelände des Forschungszentrums Karlsruhe (heute Karlsruher Institut für Technologie – KIT). Erbaut wurde die Anlage in den Jahren von 1961 bis 1965.<br />
Das Kraftwerk hatte eine elektrische Bruttoleistung von 58 Megawatt .<br />
Quelle: <strong>atw</strong> – <strong>International</strong> <strong>Journal</strong> <strong>for</strong> <strong>Nuclear</strong> <strong>Power</strong><br />
Special Topic | A Journey through German <strong>Nuclear</strong> Technology<br />
Kollektiver Schock und Aufbruch – die frühen Jahre der Kernenergiewirtschaft in Deutschland ı Nicolas Wendler