10 · Interview <strong>07</strong>/<strong>2023</strong> «STELL DOCH S’LIECHT AB! KENNSCH KLIMAWANDEL?» Die 3./4. Klasse des Schulhaus Moos hat sich mit dem Klimawandel auseinandergesetzt und Plakate gestaltet. Lehrerin Vera Widmer erzählt, wie die Kinder auf das ernste Thema reagierten und was ihnen besonders in Erinnerung blieb. Vera Widmer, was veranlasste Sie, den Klimawandel in der Schule zu thematisieren? Die Idee kam von mir. Im Rahmen des Unterrichtsmoduls «Bildung nachhaltige Entwicklung» haben wir uns mit dem Wetter beschäftigt. Da waren die jüngsten Extreme ein Thema – die Kinder bekommen das natürlich auch mit. Ich fand es wichtig, ihnen die Veränderungen zu erklären. Am Schluss haben die Schülerinnen und Schüler dann Plakate mit Erkenntnissen und Tipps erstellt. Wie reagieren Kinder aus der 3. und 4. Klasse auf ein ernstes Thema wie den Klimawandel? Viele sind erschrocken, als wir über die Veränderungen und Konsequenzen der Erwärmung gesprochen haben. In dem Moment war es wichtig, ihnen beizubringen, dass wir jetzt alle gemeinsam an einer besseren Zukunft arbeiten. Während des Unterrichts war es mir ein Anliegen, keine Schuldzuweisungen oder gar Politik zu betreiben. Die Kinder sollten einfach lernen, weshalb sich unser Klima verändert, welche Folgen das hat und was jedes von ihnen tun kann, um unsere Erde ein bisschen gesünder zu machen. Was können Kinder tun? Es sind die kleinen Dinge: Das Licht immer ausschalten, nach dem Händewaschen nur ein Papier zum Trocknen benutzen, den Wasserhahn nicht laufen lassen, mit dem Velo statt mit dem Elterntaxi in die Schule oder Spielsachen tauschen, statt sie neu zu kaufen. Als wir kürzlich einen Ausflug gemacht haben, hat eines der Kinder das Licht in einem Zimmer brennen lassen. Da haben die anderen gleich gesagt: «Stell doch s’Liecht ab. Kennsch Klimawandel?» Wie genau hat der Unterricht ausgesehen? Wir haben unter anderem das «Regionale Didaktische Zentrum» in Gossau besucht, dass die Möglichkeit bietet, Lernarrangements zu bestimmten Themen anzugehen. Da gab es für die Kinder verschiedene Stationen zu durchlaufen, die ihnen Informationen vermittelt haben – vom Badezimmer mit Fakten zum Wasserverbrauch bis zum Regenwald mit seinen bedrohten Tierarten. Wie sind die Lektionen angekommen? Die Kinder haben schnell einen grossen Enthusiasmus entwickelt und gemeint: «Aber Frau Widmer, wenn es der Erde nicht gut geht, müssen wir unsere Plakate allen zeigen!» Diesem Elan und dieser Freunde kannst du dich als Lehrperson kaum entziehen. Deshalb kamen wir auf die Idee, unsere Geschichte im «de Herisauer» zu erzählen. Wir werden die Plakate auch in der Schule und an einigen Plätzen im Schachen aufhängen. Den Kindern ist es wichtig, dass ihre Anliegen sichtbar sind. Was bleibt bei den Kindern am stärksten haften? Wenn es um Tiere geht. In einem Erklärvideo kam zur Sprache, dass rund ein Drittel der Lebewesen als Folge des Klimawandels verschwinden könnten. Das zeigt sich auch in den gestalteten Plakaten. Auf vielen ist ein Eisbär zu sehen, da dieses Tier besonders unter den Veränderungen leidet. Was waren die grössten Herausforderungen für Sie als Lehrperson? Ein sehr komplexes und weitreichendes Thema so aufzuarbeiten, dass es die Kinder verstehen. Der Klimawandel entsteht aus verschiedenen Einflüssen wie Abgase, fossile Energieträger oder Abholzung der Regenwälder. Zudem denken Kinder anders als Erwachsene. Wenn sie Dinge hören wie «jede dritte Tierart ist gefährdet», denken sie, dass bald der Hund des Nachbarn sterben wird. Da ist es meine Aufgabe, auch mal zu entwarnen und zu betonen, dass die Erde nicht heute oder morgen untergehen wird. Es darf keine Angst aufkommen, sondern die Schülerinnen und Schüler müssen wissen, dass jeder seinen Teil für eine gesunde Erde beitragen kann. Wie wichtig ist Ihnen persönlich dieses Thema? Ich habe mich noch nie auf eine Strasse geklebt oder an einem Klimastreik teilgenommen. Aber ich bin sensibilisiert und achte in meinem Alltag auf Nachhaltigkeit. Ich orientiere mich an den kleinen Dingen oder versuche beispielsweise, regionale Produkte oder saisonales Gemüse zu kaufen. Ich reiste auch schon mit dem Zug statt dem Flugzeug in die Ferien. Eine Klimaaktivistin bin ich deswegen nicht, bin mir aber im Klaren, wie ich meinen Beitrag leisten kann. Die 3./4. Klasse des Schulhaus Moos beschäftigte sich mit dem Klimawandel. (Bilder: zVg.) Planen Sie diese Module auch für künftige Klassen? Ich möchte das wiederholen. Wir müssen Themen wie Nachhaltigkeit, Klimawandel und Umweltschutz in der Schule ansprechen, weil es um unsere Zukunft geht. Die Schule Herisau hat seit neuestem ein Atelier. Diesen Spezialunterricht besuchen die Kinder während fünf Wochen jeden Mittwochmorgen. Da haben wir beispielsweise bereits einen Film gedreht. Diese Option bietet einen weiteren Rahmen für nachhaltige Themen. Sergio Dudli
<strong>07</strong>/<strong>2023</strong> Interview · 11 Eine Auswahl der gestalteten Plakate.