Ausgabe 07/2023
Das Magazin für Herisau und Umgebung. Erscheinungsdatum: Juli 2023
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<strong>07</strong>/<strong>2023</strong> Thema des Monats · 15<br />
(v.l.n.r) Reto Schmidli, Michael Rimle und Matthias Roderer treffen sich regelmässig zum Selbstverteidigungstraining.<br />
sem Zusammenhang betont er, dass in der<br />
Schweiz jede Person verpflichtet sei, einem<br />
in Lebensgefahr schwebenden Menschen zu<br />
helfen, ausser die Hilfeleistung sei nicht zumutbar.<br />
Zudem solle auf das Mitführen oder<br />
Tragen etwa von Springmessern, Schlagringen<br />
oder eigens dafür angefertigten Schlüsselanhängern<br />
aus Metall – auch wenn sie<br />
der Selbstverteidigung dienen sollten– verzichtet<br />
werden, da sie nach Waffengesetz<br />
unter die gefährlichen Gegenstände fallen<br />
würden.<br />
Die Kantonspolizei Appenzell Ausserrhoden<br />
biete zwar keine Selbstverteidigungskurse<br />
an, unterstütze aber die Präventionskampagnen<br />
der Schweizerischen<br />
Kriminalprävention (SKP). Auf deren Webseite<br />
www.skppsc.ch sind unter anderem auch<br />
Verhaltenstipps aufgeführt, um Gefahrensituationen<br />
zu vermeiden. Die Anzahl Gewaltdelikte<br />
im Kanton Appenzell Ausserrhoden<br />
liegt seit sieben Jahren zwischen 150 und 185.<br />
Schweizweit nehmen das Gewaltpotenzial<br />
und die Gewaltbereitschaft hingegen stetig<br />
zu. Laut dem Bundesamt für Statistik wurden<br />
2022 rund 1950 Gewaltdelikte polizeilich registriert.<br />
Zugenommen haben dabei Vergewaltigungen<br />
und schwere Körperverletzungen.<br />
Dabei sind Frauen nach wie vor deutlich<br />
öfter betroffen als Männer.<br />
Kraft und kurze Reaktionszeit<br />
Zurück zum Selbstverteidigungstraining in<br />
Herisau. Nach einem ersten Gespräch darf<br />
ich selber verschieden Methoden versuchen.<br />
Nach einem kurzen Aufwärmen drückt mir<br />
Reto Schmidli eine Messerattrappe in die<br />
Hand. «Greif mich an», sagt er. Zunächst tänzeln<br />
wir etwas im Kreis. Ich möchte ihn ablenken,<br />
bevor ich meinen ersten Angriffsversuch<br />
starte. Nach einigen Sekunden scheint<br />
mir die Zeit reif, und ich mache einen Schritt<br />
in seine Richtung. Mein «Überraschungsangriff»<br />
funktioniert – man hätte es erahnen<br />
können – nicht.<br />
«Wenn du wirklich<br />
handeln musst,<br />
mach es ohne zu<br />
zögern.»<br />
Er weicht nicht nur blitzschnell aus, sondern<br />
schlägt mir im Gegenangriff fast das Messer<br />
aus der Hand. Ich habe keine Chance zu reagieren.<br />
«Versuch es nochmal.» Gesagt, getan<br />
– jedoch mit demselben Resultat. Wir<br />
versuchen etwas Neues. Gemeinsam mit<br />
Michael Rimle sollen wir ihn nun zu zweit angreifen.<br />
Dies klappt nur bedingt. Ich selber<br />
gebe mir zwar Mühe, doch das ganze Manöver<br />
passiert so schnell, dass ich eher planlos<br />
herumstehe.<br />
«Für eine effiziente Selbstverteidigung<br />
ist Kraft nicht zwingend ausschlaggebend.<br />
Es kommt auf mehrere Faktoren an, wie beispielsweise<br />
Schnelligkeit oder Geschicklichkeit<br />
sowie funktionierende Strategien», sagt<br />
Reto Schmidli. Und was ebenfalls nicht fehlen<br />
dürfe, sei regelmässiges Training. Er vergleicht<br />
das Selbstverteidigungstraining mit<br />
einer Versicherung. «Man hofft, dass man sie<br />
nicht nutzen muss und zahlt trotzdem regelmässig<br />
Prämien.» Letztlich ginge es darum,<br />
sich die entsprechenden Eigenschaften aneignen<br />
zu können. Nur um die Grundlagen<br />
mit den verschiedenen Werkzeugen zu erlernen,<br />
brauche man als Neuling in diesem Gebiet<br />
durchschnittlich ein bis zwei Jahre. Erst<br />
danach würden sich die Trainings auf Details<br />
in der Selbstverteidigung fokussieren, um<br />
sich stetig zu verbessern und das Erlernte<br />
zu repetieren. Das gebe einem Menschen<br />
schliesslich Sicherheit.<br />
Seit Trainingsbeginn ist über eine Stunde<br />
vergangen. Statt sicher fühle ich mich eher<br />
verunsichert. Ich habe erlebt, wie schnell<br />
ein Angriff sein kann, respektive wie prompt<br />
ich mich wehren müsste. Bis ich dies könnte,<br />
müsste ich noch viele Trainings besuchen.<br />
Dem stimmen auch die drei Herren zu. Sie<br />
geben mir noch einige Tipps mit auf den<br />
Weg: Spiele nicht die Heldin, wahre die Distanz,<br />
versuche mit Worten die Situation zu<br />
entspannen. «Und wenn du wirklich handeln<br />
musst, mach es ohne zu zögern.» Schliesslich<br />
aber bleiben alle drei dabei: Wegrennen ist<br />
die beste Strategie.<br />
Helena Städler<br />
Weitere Informationen zum Selbstverteidigungstraining<br />
http://bit.ly/3XtMvLw