Ausgabe 07/2023
Das Magazin für Herisau und Umgebung. Erscheinungsdatum: Juli 2023
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<strong>07</strong>/<strong>2023</strong> Unsere Gärten · 29<br />
Artenvielfalt entsteht, muss das Futter erst<br />
gefressen werden», ist Preisig überzeugt. Er<br />
erlebe, wie Passanten über eine Wiese voller<br />
Löwenzahn erfreut seien, weil das so schön<br />
aussehe. Dabei locke diese Monokultur keine<br />
Vielfalt an Insekten an.<br />
Herisau befindet sich in der Bergzone 1.<br />
Preisig erzählt von den Auflagen im Bereich<br />
Biodiversität, die grossen Aufwand generieren.<br />
Die Methoden, die von Seiten der Ämter<br />
vorgegeben werden, um dem Unkraut beizukommen,<br />
erscheinen ihm teilweise absurd.<br />
«Manchmal wäre es klüger, man würde einen<br />
sauberen Schnitt machen, um Unkraut wie<br />
wilde Minze oder Klappertopf zu bekämpfen.»<br />
Auf einer seiner Weiden wucherte beispielsweise<br />
der Japanknöterich. Mit mehrmaligem<br />
Ausreissen war dem Problem nicht beizukommen.<br />
Als schliesslich die Kühe darauf ausgelassen<br />
wurden, verschwand das Unkraut, weil<br />
es trittempfindlich ist. Das sind für Preisig die<br />
Anschauungsbeispiele, bei denen er mit der<br />
Bürokratie hadert. «Es gibt doch keine Bauern,<br />
die gegen die Natur sind. Wir leben von<br />
ihr!» Erlebt er manchmal eine Bereicherung<br />
durch einen Aussenblick? «Ja, natürlich», sagt<br />
Preisig. Gerade im Dialog mit seinem Sohn<br />
diskutiere er intensiv über die Ansichten der<br />
nächsten Generation. Aber die Distanz zwischen<br />
Behörden und Basis sei ein grosses Problem.<br />
«Die Erfahrung und das Ausprobieren<br />
werden heutzutage unterschätzt. Am Schreibtisch<br />
ist man zu weit weg. Das Beobachten der<br />
Natur ist Kernstück des Bauernberufs.»<br />
Willy Preisig: «Das Beobachten der Natur ist Kernstück des Bauernberufs.»<br />
festgestellt, dass die besten Lösungen entstehen,<br />
wenn alle Akteure vor Ort kommen und<br />
an einem Strick ziehen.<br />
Zurück zur Natur geht nicht ohne Arbeit<br />
«Wir täten gut daran, unsere Erfahrung anzuhören<br />
und wieder mehr wertzuschätzen», sagt<br />
Preisig. Er erlebt als Bauer zahlreiche Konfrontationen,<br />
bei denen er den Eindruck hat, die<br />
Meinungen seien längst gemacht. «Heute ist<br />
ein Bauer ein potenzieller Umweltverschmutzer<br />
und Tierquäler und muss jederzeit damit<br />
rechnen, dass irgendwo einer mit dem Handy<br />
filmt und dafür auch noch Geld von den Medien<br />
erhält.» Natürlich gebe es auch schwarze<br />
Schafe in der Branche. Aber die Belehrungen<br />
von Zivilisten, die er sich anhören müsse,<br />
seien oft geprägt von Unwissen. Dabei würden<br />
auch falsche Vorstellungen eine wichtige<br />
Rolle spielen: «Die Idee, dass man die Natur<br />
einfach machen lassen soll und dann alles<br />
grünt und blüht, ist falsch. Zurück zur Natur<br />
bedeutet nicht, gar nichts zu tun. Damit eine<br />
(Bilder: zVg.)<br />
Zwischen Klimazielen und Selbstversorgung<br />
Preisig ist mit seinem Kalbfleisch Mitglied<br />
bei IP Suisse und liefert seine Milch an den<br />
Händler MOOH, wo sie schweizweit weiterverarbeitet<br />
wird. Die Biowirtschaft sei für ihn<br />
keine Option, wenn er weiterhin die gleiche<br />
Menge Milch produzieren wolle. Als Grund<br />
dafür nennt er die notwendige Zufütterung<br />
mit Kraftfutter, das nicht aus der Region stamme.<br />
Wer auf konsequente Biobewirtschaftung<br />
setze, lebe mit weniger Ertrag, was nicht sein<br />
Ziel sei. Letztendlich sieht Preisig in der Landwirtschaft<br />
den Auftrag der Selbstversorgung<br />
der Schweiz. «Und dieser ist aus meiner Sicht<br />
mit Bio nicht zu erreichen.» Wenn man dann<br />
vom Ausland importieren müsse, habe das für<br />
ihn auch wenig mit Biodiversität zu tun.<br />
Preisig führt seinen Hof allein und arbeitet<br />
ein paar Prozent auswärts. Seine Frau Judith<br />
ist im Bereich Buchhaltung und Administration<br />
im Betrieb involviert, arbeitet aber ebenfalls<br />
auch ausserhalb. Die tägliche Arbeit und<br />
das Eheleben halten die Preisigs getrennt. Sie<br />
hätten bei null angefangen und viel gewagt,<br />
aber auch viel gewonnen. Willy Preisig sieht<br />
sich mehr als Unternehmer, denn als Bauer.<br />
Heute ist der Hof so aufgestellt, dass Sohn<br />
Manuel die Nachfolge übernehmen kann,<br />
wenn er bereit ist. Er hat nach der Zimmermannausbildung<br />
und der Grundausbildung<br />
Landwirt noch das Technikum HF absolviert.<br />
«Der Stallbau mit ihm zusammen war ein<br />
wunderbares Generationenprojekt, aber später<br />
werde ich ihm nicht reinreden», so der Vater.<br />
Wo sieht er die Herausforderung für die<br />
nächste Generation? «In der Öffentlichkeitsarbeit<br />
und die damit verbundene Belastung.»<br />
Damit würden viele seiner Berufskollegen<br />
kämpfen. Die Grenzen sehe man in der hohen<br />
Burnout- und Suizidrate. Die Imagepflege<br />
sei ein notwendiges Traktandum, dass auch<br />
von Seiten des Bauernverbandes viel aktiver<br />
verfolgt werden müsste. Sein persönlicher<br />
Ehrgeiz ist mit 48 Jahren noch nicht aufgebraucht.<br />
«Ich habe doch gesagt, mir wird<br />
schnell langweilig», lacht Willy Preisig. Er wird<br />
sicherlich wieder eine neue Herausforderungen<br />
für sich finden.<br />
<br />
Nadja Rechsteiner